Nach Urteil: Widersprüche in Geschworenen-Aussagen

Employee holds up a Samsung Electronics' Galaxy Tab tablet computer and an Apple iPad as he poses at a store in Seoul
Employee holds up a Samsung Electronics' Galaxy Tab tablet computer and an Apple iPad as he poses at a store in SeoulREUTERS
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Falsch berechneter Schadenersatz, ein Jury-Sprecher, der seine Kollegen lenkte und verbotene Bestrafung im Hinterkopf. Die Geschworenen im Patentstreit unterminieren ihr eigenes Urteil

Während Apples Anwälte noch jubeln und Samsungs Aktien in den Keller stürzen, legen die Geschworenen im wichtigsten Gerichtsverfahren der Technikwelt selbst die Grundsteine für eine erfolgreiche Berufung. Es war für alle Beobachter bereits recht verwunderlich, dass die neun Geschworenen nach nicht einmal drei Tagen alle 700 Fragen zu dem Fall beantworten konnten. Nun scheint es aber so, dass der Sprecher der Geschworenen, Velvin Hogan, seine Kollegen in ihren Entscheidungen beeinflusst haben könnte. "Er hatte Erfahrung. Er besaß selbst Patente... also führte er uns durch seine Erfahrung. Danach war es einfacher", berichtet Jury-Mitglied Manuel Ilagan in einem Interview mit Cnet. Nachdem sie einmal festgelegt hätten, dass Samsung Apples Patente verletzt hatte, gingen sie einfach die Liste der Geräte durch, "weil es alles einerlei war".

Apple-Argumente direkt zitiert

Hogan selbst hatte seinerseits das Bedürfnis, sich zu dem Fall zu äußern und widerspricht Ilagans Aussagen. Reuters zufolge erklärte er, die Geschworenen hätten jedes einzelne Gerät separat bewertet. Er begründete auch das Motiv hinter dem harten Urteil. Die Geschworenen wollten Samsung und anderen Firmen eine "Botschaft" schicken. Diese sollte "nicht nur einfach ein Klaps aufs Handgelenk sein", wird Hogan zitiert. Die Formulierung stammt fast 1:1 aus Apples Schlussplädoyer. "Wir wollten sicher gehen, dass [die Strafe] ausreichend hoch ist, um weh zu tun, aber nicht unvernünftig ist", erklärt Hogan weiter.

Bestrafung entspricht nicht Anweisungen

Dass Geschworene bei ihrer Entscheidung eine Bestrafung im Sinn haben sollen, war aber nicht vorgesehen. In der 109 Seiten starken Anweisung an die Geschworenen steht unter Punkt 35 eindeutig: "Sie sollen beachten, dass der Schadenersatz, den Sie zusprechen, dazu dient, den Patentinhaber zu kompensieren und nicht dazu, den Rechtsverletzer zu bestrafen." Besonders pikant: The Verge berichtet in seinem Live-Ticker von der Urteilsverkündung, dass die Geschworenen gleich komplett auf die Anweisungen verzichtet hätten und ohne diese zu ihrem Urteil gekommen sind.

Schadenersatz falsch ausgerechnet

Inzwischen hat sich auch gezeigt, dass die zugesprochene Milliarde Dollar Schadenersatz nicht ganz korrekt ausgerechnet wurde. Bei der Vorlesung des Urteils war der Betrag noch auf 1.051.855.000 Dollar, nach einer Korrektur, da die Geschworenen irrtümlich das Galaxy Tab, das ihrer Ansicht nach keine Apple-Patente verletzte, hinzugezählt haben, sank die Summe auf 1.049.343.540 Dollar. Rechnet man aber die einzelnen Positionen auf, im Urteil auf Seite 16 angeführt, ergibt sich ein Gesamtbetrag von 1.049.423.540, was eine Differenz von 80.000 Dollar ergibt. Die Frage, die sich damit stellt ist, wo sich die Geschworenen eventuell noch verrechnet haben.

Erinnerungen an Microsoft

Obwohl Apple nun erstinstanzlich als Sieger dasteht, könnte das Urteil einen Image-Schaden für das derzeit mächtigste Unternehmen der Welt bedeuten. Enrique Gutierrez vom Entertainment-Studio JibJab berichtet auf Google+ von einer Begebenheit in einem Starbucks, wo Besucher anlässlich des Urteils zu der Erkenntnis gekommen sind, dass Samsung offenbar dieselbe Qualität wie Apple bietet, nur zu einem geringeren Preis. Die Anekdote lässt sich naturgemäß nur schwer belegen. Andererseits scheint Apple nun in einer Situation zu sein, die der von Microsoft in den 1990er-Jahren stark ähnelt. Damals hatte der Windows-Konzern in seinem Bereich vergleichbare Macht wie Apple über das Smartphone-Geschäft. Und wie die Geschichte zeigt, sinken die Sympathien für einen Quasi-Monopolisten recht schnell.

Berufung und Verkaufsverbote

Samsungs Anwälte bereiten bereits die Berufung vor. Davor will der Konzern aber versuchen, das Urteil zu kippen. Diese macht steht der Richterin des Falls, Lucy Koh auch zu. Sie könnte aber auch den zugesprochenen Schadenersatz verdreifachen, da die Geschworenen eine absichtliche Rechtsverletzung durch Samsung erkannt haben. Der nächste Schritt im Patentkrieg zwischen den Branchengrößen geschieht am 20. September. Da will Apple bereits ein Verkaufsverbot gegen diverse Samsung-Geräte anstrengen.

(db)

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