Apples neues iPhone soll nicht nur den Konzern reich machen, sondern auch die US-Wirtschaft antreiben. Aber wie genau soll das funktionieren?
Wien. Große technische Wunder darf man sich nicht erwarten, wenn Apple-Chef Tim Cook Mittwochabend das neue iPhone 5 aus dem Hut zaubern wird. Ein bisschen größer, ein bisschen schneller, ein bisschen besser wird es eben sein. Aber wie sieht es mit dem ökonomischen Wunder aus? Schenkt man dem Bankhaus JP Morgan Glauben, dann hat das iPhone 5 nicht nur das Zeug, Apples Kassen zu füllen. Der Konzern setzt in den Augen der Analysten zur Rettung der US-Volkswirtschaft an.
Allein das neue Smartphone-Modell werde das amerikanische Wirtschaftswachstum in den letzten drei Monaten des Jahres um bis zu 0,5 Prozent antreiben, schreibt JP-Morgan-Chefvolkswirt Michael Feroli in einer Mitteilung an die Kunden des Investmenthauses. Nicht schlecht. Eine Produkteinführung des weltweit wertvollsten börsenotierten Konzern würde damit entscheiden, ob sich die größte Volkswirtschaft der Welt Richtung Stagnation oder halbwegs stabiles Wachstum bewegt.
Aber wie genau soll das eigentlich funktionieren? Natürlich ist Apple in den USA eine große Nummer. Jeder zweite amerikanische Haushalt nennt zumindest ein Apple-Produkt sein Eigen. Aber so gut wie keines der 70 Millionen iPhones oder 30 Millionen iPads und 59 Millionen anderen Geräte, die das Unternehmen im Vorjahr verkauft hat, wurden in den USA produziert. 700.000 Menschen beschäftigt das Unternehmen vor allem in asiatischen Zulieferbetrieben. Dagegen fallen die 40.000 Amerikaner, die direkt bei Apple arbeiten, eher bescheiden aus.
Alle Bemühungen des US-Präsidenten Barack Obama, mehr Apple-Jobs in die USA zurückzuholen, sind gescheitert. Seit drei Jahren ist die Arbeitslosenrate im Land jenseits der magischen acht Prozent. Seit dem Zweiten Weltkrieg wählten die Amerikaner bei einer derart hohen Arbeitslosigkeit keinen Präsidenten ein zweites Mal ins Amt.
Pro iPhone 400 Dollar für die USA
Aber Apples Einfluss auf die US-Wirtschaft sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Obwohl die Produktion überwiegend ausgelagert ist, hat es der Konzern geschafft, den Großteil der Wertschöpfung im Haus zu behalten.
Am wertvollsten an einem iPhone sind nicht die Einzelteile, sondern das ursprüngliche Design. Und das kommt aus amerikanischer Hand. Ebenso wie die starke kalifornische App-Industrie, die erst mit iPhone zum Leben erweckt wurde. Über 200.000 Arbeitsplätze will Apple so in den USA geschaffen haben. Für JP-Morgan-Ökonom Feroli ist die Rechnung einfach: Angenommen, das neue iPhone kostet 600 Dollar, dann müssen 200 Dollar davon an ausländischer Wertschöpfung importiert werden. Die restlichen 400 Dollar würden dem amerikanischen BIP zugutekommen. Er rechnet damit, dass Apple bis Jahresende noch acht Millionen Stück verkaufen wird. Das brächte eine zusätzliche Wirtschaftsleistung von 3,2 Mrd. Dollar oder ein zusätzliches Wachstum von 0,33 Prozent.
Wie daraus das versprochene halbe Prozent an zusätzlichem Wachstum werden soll, weiß niemand so gut wie die Statistikbehörde der USA. Diese berechnet die Inflation nämlich „hedonisch“. Das bedeutet: Nicht nur die Preise, sondern auch qualitative Verbesserungen von Produkten werden gewürdigt. Durch das bessere iPhone „sinkt“ also die Inflation. Da diese vom nominalen Wachstum abgezogen wird, fällt die reale BIP-Erhöhung höher aus.
Nur das US-Finanzministerium kann sich vom „Retter Apple“ herzlich wenig abschneiden. 70 Prozent der 25,9 Milliarden Dollar Gewinn, die der Elektronikkonzern im Vorjahr gemacht hat, erwirtschaftete er im Ausland. In den USA bezahlt er – dank einer guten Finanzabteilung – kaum Steuern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2012)