Charismatischer, kompetenter Tyrann und Visionär

(c) AP (Paul Sakuma)
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Steve Jobs veränderte die Welt der Computer, der Musik und des Telefons. Der 56-Jährige, der am Donnerstag an Krebs starb, war ein charismatischer, kompetenter Tyrann und Visionär.

Wien/Cupertino. Der Tod, sagte Steve Jobs, sei die beste Erfindung des Lebens. Man müsse keine Angst mehr vor dem Versagen haben, weil angesichts des Todes alles zur Nebensache werde. „Das Bewusstsein, dass ich bald sterben werde, half mir, die großen Entscheidungen meines Lebens zu treffen.“

Und große Entscheidungen traf er. Mit dem Macintosh veränderte er 1984 die Welt der Computer, mit dem iPod 2001 die Welt der Musik, mit dem iPhone 2007 die der Handys, und 2010 veränderte er mit dem iPad die Art, wie man Computer benutzt. Es war die letzte große berufliche Entscheidung seines Lebens. In der Nacht auf Donnerstag starb Steven Paul Jobs im Alter von 56Jahren an den Folgen eines Bauchspeicheldrüsenkrebses in Kalifornien.

Apple verliert seine Seele

Die Gedanken über den Tod machte sich der Chef von Apple 2005 bei einer Ansprache vor Studenten der Stanford University. Die Rede wurde zu seinem Vermächtnis, seit der Nachricht seines Todes wurde sie auf YouTube vier Millionen Mal angeschaut. Damals glaubte er, vom Krebs geheilt zu sein. Vier Jahre später kehrte die Krankheit zurück.

Mit Jobs verliert Apple seine Seele. Nur Henry Ford und Bill Gates verkörperten ein Unternehmen so, wie Jobs Apple, das er 1976 mit seinem Freund Stephen Wozniak in einer Garage in Kalifornien gegründet hat. Im Laufe von 35Jahren, mit einer elfjährigen Unterbrechung nach seinem unrühmlichen Rausschmiss, machte Jobs das Unternehmen zum zweitwertvollsten der Welt.

Nicht unbedingt auf die freundlichste und umgänglichste Art. Der Mann war beruflich ein Tyrann, ein Machtmensch, der sein Team bis zum Umfallen arbeiten ließ, der tobsüchtig Prototypen an die Wand warf und bissig-zynische Mails an Mitarbeiter schickte.

Vielleicht aber wären nicht die vielen visionären Produkte aus der Firmenzentrale in Cupertino (US-Bundesstaat Kalifornien) gekommen, wäre Jobs nicht so perfektionistisch und herrisch gewesen. „Demokratien produzieren keine großartigen Produkte. Dazu braucht man kompetente Tyrannen“, meinte sein ehemaliger Mitarbeiter Jean-Louis Gasse.

Und gute Diebe. „Wir waren immer ziemlich schamlos, wenn es darum ging, großartige Ideen zu stehlen“, gab Jobs 1996 in der TV-Dokumentation „Triumph of the Nerds“ zu. Die grafische Benutzeroberfläche der Apple-Computer, die die PC-Welt revolutionierte, hatte sich Jobs bei Xerox abgeschaut. „Die wussten nicht, was sie hatten.“ Jobs dagegen war klar: „Das wird die Art sein, wie man Computer bedient.“ Später machte Microsoft das Apple-Betriebssystem für sein Windows nach, Jobs klagte erfolglos gegen die Kopie.

Bis 1985 arbeitete Jobs bei Apple, dann warf ihn Firmenchef John Sculley raus, den er selbst von Pepsi mit den Worten geholt hatte: „Willst du den Rest deines Lebens Zuckerwasser verkaufen, oder willst du die Chance haben, die Welt zu verändern.“

Ein ernüchterter Jobs – „das war die schlimmste, aber auch die beste Erfahrung meines Lebens“ – gründete die Computerfirma Next und kaufte um zehn Millionen Dollar das Filmstudio Pixar. Schon der erste am Computer hergestellte Film „Toy Story“ war ein Millionenerfolg, es folgten u. a. „Cars“ und „Findet Nemo“. 2006 verkaufte Jobs Pixar um 7,4 Milliarden Dollar an das Walt-Disney-Studio.

Die verleugnete Tochter

Als Jobs 1996 vorerst als „interimistischer CEO“ zu Apple zurückkehrte, war die Firma am Boden. Er brachte sie wieder nach oben, als er bei den neuen Produkten auf innovatives Design setzte. Etwa mit dem iMac, seiner ersten Neuvorstellung, der sich von der Konkurrenz durch ein schlichtes Merkmal unterschied: Er war bunt.

Der Höhenflug Apples begann 2001 mit dem iPod, einem MP3-Spieler, der durch einfache Bedienung überzeugte. Für einige Zeit hatte der iPod einen Markanteil von fast 80Prozent, jetzt sinken seine Verkaufszahlen wieder, weil er von einem anderen Produkt aus dem Hause Apple verdrängt wird: Dem iPhone, das seit seiner Einführung vor vier Jahren der Maßstab für alle Smartphones ist.

Bei all den Lobeshymnen auf den Visionär Jobs übersieht man oft die menschliche Seite, die nicht immer die schönste war. Beispielsweise die Sache mit seiner Tochter Lisa. Als sie 1978 zur Welt bekam, weigerte sich Jobs, die Vaterschaft anzuerkennen. Er sei steril, log er. Der Mutter verweigerte er lange Zeit Unterhaltszahlungen. Als er Millionen Dollar mit dem Börsegang Apples machte, musste sie von der Sozialhilfe leben. Erst Jahre später erkannte er Lisa Brennan-Jobs an.

Mit Joan Baez soll er wiederum nur deswegen eine Beziehung angefangen haben, weil sie die Exfreundin seines Idols Bob Dylan war. Selbst seinen Apple Ko-Gründer Wozniak betrog er um ein paar Tausend Dollar. Als Steve Wozniak davon erfuhr, weinte er.

Im Angesicht des Todes ist all das vergessen. Wozniak erklärte gestern, der Tod von Steve Jobs sei wie die Ermordung von John Lennon oder von John F. Kennedy. US-Präsident Barack Obama würdigte Jobs als einen „Visionär“. Und der einstige Erzrivale, Microsoft-Gründer Bill Gates, sagte schlicht: „Ich werde Steve enorm vermissen.“

Das Internet verwandelte sich binnen Stunden in ein einziges großes Kondolenzbuch. Aus den Zehntausenden Tweeds, Facebook-Meldungen und Postings auf Webseiten zum Tod des Apple-Gründers stach eine heraus. Chris Calloway hinterließ sie auf der Webseite der Computerzeitschrift „Wired“. „Heaven“, schrieb Calloway, „got a major upgrade today.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2011)

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