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Digitale Zwangsdiät auf Chinesisch

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Chinas Regierung intensiviert ihre Internet-Sperren - sehr erfolgreich. Auch Virtual-Private-Network-Dienste (VPN) sind längst kein Garant mehr für freien Internetzugang.

Wien – Istanbul – Peking – Shanghai – Shenzhen. So lautete der Plan der einwöchigen China-Reise. Zusammengefasst: Sieben Tage - sieben Flüge. Beim Packen macht sich das erste Mal ein flaues Gefühl in der Magengrube bemerkbar. Das stundenlange Sitzen ist nicht das Problem. Auch der Flug kümmert wenig. Vom Internet abgeschnitten zu sein, beschäftigt. Doch dann geht alles schnell und die Gedanken werden zuliebe der Sicherheitskontrollen verdrängt. Dazu mischt sich die Angst, doch noch irgendetwas vergessen zu haben. Spätestens in Peking, im Hotel, da weiß man, dass diese Reise anders wird.

In Peking begrüßt das Hotel mit einem Infokärtchen am Zimmer, dass gewisse Dienste nicht funktionieren. Facebook, Instagram, Twitter, YouTube, Google, The New York Times und Bloomberg. Also im Prinzip alle Seiten auf die Europäer mindestens ein Mal pro Tag zugreifen. Denn auch Skype, Yahoo und Bing wollen über das Wlan nicht so recht funktionieren. Gleiches gilt für die Online-Ausgabe der "Presse". Gibt man www.diepresse.com ein, erscheint lediglich ein weißes Fenster. Nach einer gefühlten Ewigkeit, beziehungsweise nach fünf Minuten, erscheint der Hinweis, dass die Verbindung fehlgeschlagen sei.

Kein VPN. Kein Proxy. Nichts.

Das flaue Gefühl kehrt wieder zurück. Gleichzeitig mit der Vernunft, die wissen will, ob man denn bereits so abhängig sei. Der Rettungsanker präsentiert sich in bereits vor der Reise installierten VPN-Diensten – auf den Smartphones und dem Laptop. Und es funktioniert. Erleichterung und Freude der chinesischen Datenkrake entgangen zu sein. Vorerst. In Shanghai und Shenzhen zeichnet sich wieder ein ganz anderes Bild. Da funktioniert kein VPN. Kein Proxy. Nichts. E-Mails lesen und antworten wird auf später verschoben. Ein unbekanntes Später.

Dabei ist China seit 2013 an das weltweit schnellste LTE-Netz angeschlossen. An der Technik liegt folglich nicht, sondern daran, dass die Zensur im Land der Mitte mittlerweile sehr effektiv ist.

Eingesperrt hinter der chinesischen Mauer

In einem Land mit geschätzt 1,4 Milliarden Einwohnern ist die Überwachung des Internetverkehrs und der Aufbau einer derartig undurchlässigen Firewall eine technisch herausragende Leistung. Aber auch dafür ist China bereits seit Jahrhunderten bekannt. Für das Errichten von Mauern. Seit über zehn Jahren arbeitet die Regierung daran, den Zugang zu Internetseiten einzuschränken. Der gesamte Datenstrom in das Land verläuft über Knotenpunkte im Meer. Die Glasfaserkabeln bildet damit die Schlüsselstelle für die Zensur.

Alle eingehenden Inhalte werden bei diesen Knotenpunkten von "Netzwerkschnüfflern" automatisch abgegriffen und kontrolliert. Bei entsprechendem Fund wird ein dreistufiger Prozess gestartet. Zuerst werden die als systemkritisch geltenden Seiten manipuliert. Das Ergebnis sieht der Nutzer sofort. Der Inhalt ist nicht erreichbar und eine Fehlermeldung erscheint, dass die Internetverbindung überprüft werden soll. Die Überwachung endet aber nicht in den gesperrten Seiten, auch freigegebene Inhalte unterstehen der ständigen Überwachung. Sobald das System anschlägt, wird sofort die Verbindung unterbrochen. Sollte eine Webseite bei der Zensur bestehen, werden nur noch partielle Textpassagen eingeblendet.

Digitale Zwangsdiät

Die Internetpolizei arbeitet akkurat und effektiv und zieht immer weitere Kreise. Waren zu Beginn nur einige Seiten nicht erreichbar, ist mittlerweile technisch viel mehr möglich. Dass Chinas Bevölkerung gänzlich von ausländischen Internet-Inhalten abgeschnitten wird, könnte nur noch eine Frage der Zeit sein. Chinesen werden auf Zensur nur ungern angesprochen. Konfrontiert man sie mit der Frage nach Facebook, Google, Twitter etc., verweisen sie auf die chinesischen Pendants Weibo (Google) und WeChat (WhatsApp). Immerhin nutzen 600 Millionen Chinesen diese Dienste. Ein Land, das eine Gesamtfläche von 9,5 Millionen Quadratkilometern hat, lässt sich im Internet auf eine Fläche eines Fußballfelds quetschen. Und von der Regierung wird ihnen vorgegeben wie weit sie sich bewegen dürfen – virtuell.

Innerhalb einer Woche mutiert das Smartphone zu einem MP3-Player und der Laptop zu einer besseren Schreibmaschine. Ohne Google und seinen Diensten, Twitter und Facebook scheint das Internet fast leer. Und in der Geiselhaft der chinesischen Internetzensur erkennt man, dass die eigene Individualität und Wahlfreiheit nur teilweise existiert. Sobald die Entscheidung auf einen Dienst fällt, übernimmt dieser die Auswahl der Informationen, angelehnt am eigenen Suchverhalten. Aber das entscheidet schlussendlich jeder für sich selbst.

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