Tatort Facebook: Immer mehr Fälle

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Eine Frau verleumdete ihren Exfreund im Internet als Pädophilen. Die Rechtslage für derartige Fälle weist Lücken auf. Experten fordern mehr Medienkompetenz der Nutzer.

Der Ruf von Herrn T. ist ruiniert. Über Tage hatte die Exfreundin unter seinem Namen mit Foreneinträgen im sozialen Netzwerk Facebook bei zahlreichen Nutzern den Verdacht geschürt, T. missbrauche seine Kinder. Er geriet unter Verdacht. Ermittlungen der Polizei entlarvten das Vorgehen als eine von Eifersucht getriebene Rufmordkampagne. Damit ist in Österreich der erste Fall einer Verleumdung über Facebook bekannt geworden.

Die Tatsache, dass sich eine Person auf Facebook für jemanden anderen ausgeben und großen Schaden anrichten kann, scheint die Österreicher zu empören. Was angesichts der steigenden Zahl an Facebook-Nutzern kaum verwundert. 2.105.800 Profile waren mit Stichtag 31.Juli 2010 in Österreich registriert. Zwar bittet das Unternehmen, unter echtem Namen aufzutreten, praktisch ist es kein Problem, unter dem Namen des Nachbarn fragwürdige oder gar strafbare Inhalte in die Welt zu setzen.

Dabei ist strafbaren Handlungen, wie der aktuelle Verleumdungsfall, juristisch relativ einfach beizukommen. Solange sich der Täter in Österreich aufhält und durch seine IP-Adresse ausfindig zu machen ist, kommen die einschlägigen Bestimmungen des Straf- oder Zivilrechts zur Anwendung. „Das Strafgesetzbuch ist da technikneutral“, sagt der auf Rechtsfragen rund um soziale Netzwerke spezialisierte Anwalt Johannes Öhlböck. Problematisch werden straf- oder zivilrechtliche Sachverhalte dann, wenn der Täter nicht aus Österreich kommt und im Ausland nicht oder nur schwer ausfindig gemacht werden kann.

Ein vor allem in den USA weit verbreitetes Delikt im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken ist „Identity Theft“, also Identitätsdiebstahl. Während es in den USA zur strafbaren Unsitte geworden ist, Zugangsdaten zu Versicherungskonten Dritter zu erlangen, um sich medizinische Leistungen auf Rechnung anderer zu erschleichen, ist es hierzulande immer beliebter, Facebook-Profile unter fremdem Namen zu erstellen. Einer der Betroffenen ist „ZiB2“-Moderator Armin Wolf. Auch dagegen ist mit den Mitteln des Zivilrechts beizukommen.

Terrorverdacht

Dabei muss die Bloßstellung via Facebook nicht zwangsläufig durch böswillige Expartner oder Nachbarn geschehen. Manchmal reicht es, den gleichen Namen wie ein Straftäter zu tragen: Im Mai hatte ein gewisser Faisal Shahzad versucht, am Times Square in New York eine Bombe zu zünden. Mehrere gleichnamige Personen, die zudem Profile in Facebook angelegt hatten, staunten nicht schlecht, als sie in Boulevardmedien ihre eigenen Porträtfotos entdeckten. Alle versehen mit dem Hinweis, dass es sich bei der Person um einen flüchtigen Terroristen handeln könnte.

Verwechslungen wie diese sind kaum zu verhindern. Trotzdem raten Experten, nur Daten oder Fotos zu veröffentlichen, für die man sich auch im Offline-Leben nicht schämen müsste. Das Internet vergisst nämlich nicht. Einmal online sind Daten – so sie jemand anderer abspeichert – de facto nicht mehr löschbar. Erst vor wenigen Wochen sorgte der IT-Sicherheitsfachmann Ron Bowes für Aufregung, in dem er ganz legal die Profile von 100 Mio. Facebook-Nutzern von den Servern des Unternehmens absaugte und die Datei in Online-Tauschbörsen zum Download anbot. Das Interesse am 2,8 Gigabyte großen Verzeichnis war riesig. Wer die Interessenten waren, ist nicht bekannt.

Damit User gar nicht erst in peinliche Situationen geraten, versucht Bernhard Jungwirth insbesondere Schüler zu mehr Vorsicht im Internet zu bewegen. Die von Telekom-Betreibern, der EU und mehreren Ministerien getragene Initiative „Saferinternet“ stellt Lehrmaterialien her und geht an Schulen, um Nutzer für den Umgang mit Facebook und anderen Diensten zu sensibilisieren. Jungwirths Ratschläge zum Selbstschutz im virtuellen Raum lauten: „Geben Sie das Passwort nicht weiter, durchsuchen Sie das Netz regelmäßig nach sich selbst, und bringen Sie entdeckten Missbrauch zur Anzeige.“

Anwalt Öhlböck hält es für notwendig, dass an den Schulen ein Fach „Webkompetenz“ unterrichtet wird. „So wie man früher gesagt hat: Nimm kein Zuckerl von einem Fremden, wird man Jugendlichen erklären: Stell keine Bilder von dir oder anderen ins Netz.“ Wie gesagt: Das Internet vergisst nie. Fahndung per Facebook, Seite 10

AUF EINEN BLICK

2,1 Mio. Österreicher nutzen Facebook.Der jüngste Fall aus Oberösterreich, bei dem ein Mann laut Polizei von seiner Exfreundin als Pädophiler verleumdet wurde, zeigt das Gefahrenpotenzial sozialer Netzwerke auf. Zahlen zu deren Häufigkeit gibt es nicht, die Bandbreite reicht von Beleidigungen bis hin zu strafbaren Handlungen. Die Rechtslage ist nicht letztgültig geklärt, Experten fordern mehr Medienkompetenz der Benutzer ein.

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Öhlböck: www.raoe.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2010)

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