FBI dreht Megaupload ab: Anonymous startet Großangriff

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Anonymous(c) REUTERS (Susana Vera)
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Die Websites des FBI, des US-Justizministeriums und mehrerer Musiklabels waren nicht erreichbar. Online-Attacken weltweit stiegen um 24 Prozent an. Die Hacker könnten aber auf einen Trick hereingefallen sein.

Der Kampf um Urheberrechtsverletzungen im Internet hat ein bisher ungeahntes Ausmaß erreicht. In der Nacht auf Freitag wurde die Datentausch-Plattform Megaupload wegen Urheberrechtsverstößen stillgelegt. Ihre Betreiber wurden in einer groß angelegten weltweiten Polizeiaktion verhaftet. Daraufhin holte das lose Online-Kollektiv Anonymous zu einem Gegenschlag von bisher ungeahnter Größe aus. Binnen kürzester Zeit wurden die Websites des FBI, des US-Justizministeriums, des Weißen Hauses und mehrerer Musiklabels lahmgelegt. Die Startseiten waren aufgrund großangelegter Denial-of-Service-Attacken mehrere Stunden lang nicht erreichbar. Auch die Homepage des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy wurde Opfer eines Hackerangriffs.

Der Branchendienst Cnet hat eine Chronologie der Angriffe veröffentlicht. Es soll sich nach Angaben von Anonymous um "den bisher größten Angriff" dieser Art handeln. Per Twitter wurde sogar vollmundig vom "World War Web" gesprochen. Der Server-Anbieter Akamai verzeichnete einen Anstieg der Attacken von 24,01 Prozent über dem üblichen Normalwert.

Denial-of-Service-Attacke

Als DoS bezeichnet man Angriffe, die dazu dienen sollen, ein Ziel durch Überlastung lahmzulegen. Oft werden solche Angriffe verteilt über Botnetze ausgeführt. Das Ziel wird mit unzähligen Anfragen von den angreifenden Rechnern pausenlos bombardiert, bis es in die Knie geht.

Polizeiaktion gegen Megaupload als Auslöser

Grund für den neuen Online-Krieg war die Verhaftung der Betreiber von Megaupload. Vier von ihnen wurden bei einer Razzia in Neuseeland festgenommen. Es handle sich um drei Deutsche und einen Niederländer, teilte die Polizei mit. Sie agierte auf Ersuchen der US-Bundespolizei FBI, die den Betreibern Urheberrechtsverletzungen im großen Stil vorwirft. Der Unterhaltungsindustrie sei nach FBI-Angaben mindestens eine halbe Milliarde Dollar an Einnahmen verloren gegangen. Die Festgenommenen sollten noch am Freitag vor Gericht erscheinen. "Dies ist eine der größten kriminellen Urheberrechtsanklagen, die in den USA je erhoben worden ist", teilte das US-Justizministerium mit.

Im neuseeländischen Coateville nördlich von Auckland durchsuchten 70 Beamte ein Anwesen, teilte die Polizei mit. Dort wohnt ein 37-jähriger, der in der Anklageschrift des Eastern District-Gerichts in den USA als Gründer von Megaupload genannt ist. Kim Dotcom - ehemals als Kim Schmitz bekannt - hat nach diesen Angaben sowohl die deutsche als auch die finnische Staatsbürgerschaft. Unter den insgesamt sieben in den USA Angeklagten sind vier Deutsche, ein Niederländer, ein Slowake und ein Este. Die neuseeländische Presse hatte die Anklageschrift und die Pressemitteilung des FBI vor dem Angriff kopiert und veröffentlicht.

Anschuldigungen "grotesk überzogen"

Die Anschuldigungen, Megaupload fördere massenhafte Urheberrechtverstöße, seien "grotesk überzogen", erklärte das Unternehmen in einer kurz vor der Schließung auf seinen Internetseiten veröffentlichten Mitteilung. Die große Mehrheit des Datenverkehrs von Megaupload sei legitim. Man wolle aber nicht aufgeben. Wenn die Unterhaltungsindustrie von der Beliebtheit des Dienstes profitieren wolle, sei man zum Dialog bereit. "Wir haben einige gute Ideen. Meldet euch", hieß es in der Mitteilung des offiziell in Hongkong ansässigen Unternehmens.

Megaupload

Der Online-Dienst bietet die Möglichkeit, jegliche Datei hochzuladen und per Link jedem als Download zur Verfügung zu stellen. Es wird kritisiert, dass dadurch zum Großteil urheberrechtlich geschütztes Material vertrieben wird. Eine Suchmaschine wird aber nicht geboten. Nutzer müssen den Link kennen. 20.405 Gigabyte an Bandbreite verbrauchte Megaupload von April bis November 2011 nach Angaben von Palo Alto Networks.

Weltweite Polizeiaktion

Insgesamt wurden in acht Ländern mehr als 20 Hausdurchsuchungen durchgeführt und Besitz im Wert von rund 50 Millionen US-Dollar beschlagnahmt. Datenzentren in den Niederlanden, Kanada und im US-Bundesstaat Virginia wurden von der Polizei gestürmt. Auch in Hong Kong, Großbritannien, Deutschland und den Philippinen schritten die Behörden ein. Megaupload soll nach Angaben von Ars Technica pro Standort mehrere hundert Server besitzen.

Auf dem Anwesen bei Auckland wurden nach Angaben der Polizei Wertgegenstände und Geld im Gesamtwert von sechs Millionen neuseeländischen Dollar (3,73 Millionen Euro) sichergestellt. Darunter waren ein Rolls Royce Phantom sowie mehrere Gemälde. Bodyguards hätten den Beamten am frühen Morgen zunächst den Zutritt zu dem Anwesen verwehrt, teilte die Polizei mit.

175 Millionen Dollar "illegaler Gewinn"

Bei Megaupload konnten Daten aller Art hochgeladen werden. Nach den Vorwürfen der US-Behörden waren darunter auch in großem Stil illegal kopierte Musik, Filme, Fernsehprogramme und digitale Bücher. Megaupload habe mehr als 175 Millionen Dollar illegalen Gewinn gemacht und den rechtmäßigen Eigentümern der Inhalte einen Schaden von deutlich über einer halben Milliarde Dollar zugefügt, erklärte das Justizministerium. Ein weiterer Vorwurf lautet auf Geldwäsche.

Fiel Anonymous auf das FBI herein?

Während sich die Teilnehmer der groß angelegten Anonymous-Aktion noch auf die Schulter klopfen, könnte ihnen bald das Lachen vergehen. Wie die arrivierte Cnet-Redakteurin Molly Wood schreibt, war die Megaupload-Razzia bewusst zu genau diesem Zeitpunkt gesetzt worden. Die US-Behörden hätten es absichtlich auf einen Kampf mit Anonymous abgesehen. Dadurch, dass diese dann willig einen regelrechten Krieg begonnen haben, würde das eine ideale Rechtfertigung für noch härtere Gesetze sein.

Erst vorgestern hatte die Internet-Gemeinde mit einem friedlichen Protest gegen zwei US-Gesetze interveniert, die Behörden und Firmen bisher ungeahnte Zensurmöglichkeiten geben würden. Die Niederlage der Befürworter des Stop Online Piracy Act (SOPA) und Protect IP Act (PIPA) wird im schlimmsten Fall aber nur eine vorläufige sein. Zwar haben mehrere Firmen und Organisationen ihre Unterstützung entzogen und die Behandlung von SOPA im Kongress wurde ausgesetzt. Die Kriegserklärung von Anonymous könnte aber die positiven Bemühungen der Web-Community zunichte machen und die Stimmung wieder in Richtung drakonischer Maßnahmen kippen lassen.

(Ag. / db)

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