Großbritannien: An Überwachung gewöhnt

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In Großbritannien hält sich der Widerstand gegen Überwachung durch den Staat in Grenzen. Die Menschen sind an die ständige Kameraüberwachung bereits gewöhnt. Die Vorratsdatenspeicherung ist aber unbeliebt.

Verfechter von liberalen Rechten und Privatsphäre begrüßten den Koalitionsvertrag vom Mai 2010. Das Übereinkommen von Tories und Liberal Democrats versprach, dass Kameraüberwachung über das sogenannte CCTV (Closed Circuit Television) stärker reguliert werde sowie künftig keine Internet- und E-Mail-Daten ohne guten Grund gespeichert würden. Vor allem die Liberal Democrats präsentierten sich als Hüter liberaler Freiheiten. Im Februar 2012 aber wurde bekannt, dass die Regierung nun doch ganz andere Pläne hat.

Sie will sich verstärkten Zugang zu Kommunikationsdaten verschaffen. Wenn auch nicht die Inhalte von Konversationen, so sollen doch Absender und Empfänger sowie Standort, Uhrzeit und Datum von E-Mails, SMS und Telefonanrufen in Echtzeit zugänglich werden. Auch soziale Netzwerke sollen miteinbezogen werden. Bei den großen Parteien ist diese Idee nichts Neues. Sie basiert auf einem Plan der vorigen Labour-Regierung, wurde aber einst wegen herber Kritik an der Anzahl öffentlicher Stellen, die Datenzugang erhalten hätten, ad acta gelegt.
Auch die Tories waren damals Gegner der Politik. Insbesondere aufgrund möglicher terroristischer Bedrohungen während der Olympischen Spiele haben sich die britischen Geheimdienste aber für eine solche Maßnahme starkgemacht und sich offenbar durchgesetzt. Ab Mai könnte sie Gesetz werden.

Für die Menschen in Großbritannien wäre diese verstärkte Vorratsdatenspeicherung ein weiterer Eingriff in die Privatsphäre. Die in London ansässige Nichtregierungsorganisation Privacy International bezeichnet Großbritannien bereits als den am stärksten überwachenden Staat aller westlichen Demokratien. Die Menschen sind dabei schon an ständige Kameraüberwachung gewöhnt und akzeptieren diese. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov ergab, dass 84 Prozent die Überwachung auf Hauptstraßen befürworten. In Bankgebäuden, Zügen und vor Pubs ist die Zustimmung noch größer. Allerdings: Das Abhören von Gesprächen lehnen 80 Prozent der Briten ab.

Online-Petition. Dass man sich in Großbritannien aber in diese Richtung bewegt, befürchten nun viele angesichts der Vorratsdatenspeicherung und insbesondere des Acta-Abkommens, das auch Großbritannien unterzeichnet hat. Beim Versuch, das Urheberrecht effektiver zu schützen, wie es das Abkommen vorsieht, befürchten viele Briten langfristig eine intensivere Überwachung des privaten Lebens. Eine bis November laufende Online-Petition, die das Abkommen mit diesem Argument stoppen will, hat bisher gut 15.000 Unterschriften erhalten. Damit das Anliegen im House of Commons diskutiert werden kann, sind 100.000 nötig. Von der Gruppe Anonymous und weiteren Organisationen wurden zuletzt zudem mehrere Demonstrationen gegen das Abkommen veranstaltet. Kritisiert wird, dass der Vertrag liberale Freiheiten nicht schütze, sondern diese im Gegensatz zu den Versprechen der Regierung beschneide.

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