Spionage (fast) schon alltäglich

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Smartphone, Internet & Co. machen nach Staaten auch Firmen und Private zu Opfern. So häufig, dass Österreichs verschwiegener Heeresnachrichtendienst öffentlich warnt.

Wien. „Im Sinn der Gleichberechtigung nennen wir das Gerät zum Aufspüren verdächtiger Frequenzen den Staubsauger.“ Walter Unger, Leiter der Abteilung für Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) im Abwehramt, lockert seine Vorträge, wie es sich für einen ranghohen Militär gehört, gern mit kleinen Witzen auf. Das Thema, für das der sonst so verschwiegene Nachrichtendienst des Heeres nun zu sensibilisieren versucht, ist jedoch gar nicht lustig.

Seitdem Internet, Smartphones & Co. immer tiefer in unseren Alltag eindringen, steigt nicht nur der Komfort für die Nutzer. Auch die Zahl der potenziellen Einfallstore für Angreifer steigt. Ziel der Attacken ist jedoch nicht nur die Republik selbst, sondern immer öfter Firmen und Private. Die Angriffe passieren in der Zwischenzeit so häufig, dass das Abwehramt vor einer ausgewählten Runde von Journalisten sozusagen öffentlich warnte. „Es sind die Medien, die unsere kaum verständliche Militärsprache dem Bürger übersetzen müssen“, sagt Anton Oschep, Leiter des Abwehramts. Eine Aktion mit Seltenheitswert.

Die vielleicht größten Risken gehen laut einem Experten des Nachrichtendienstes derzeit von Smartphones aus. Über sie erhalten Angreifer nämlich Vollzugriff auf alles: vertrauliche Daten, persönliche Kontakte, E-Mails und nicht zuletzt die Telefonate selbst. Vom einfachen Hacker bis hin zum ausländischen Geheimdienst installieren die Angreifer unbemerkt Software auf die Geräte, die sie so zu tragbaren Wanzen machen. Immer wieder entdeckt das Abwehramt auch Apps, die im Hintergrund Daten versenden. Bevorzugtes Ziel der Angreifer sind Geschäftsleute und Politiker. Vertrauliche Informationen, Verhandlungsstrategien oder Technologien sind fremden Staaten und Kriminellen viel wert.

Lauschangriff im Ministerium

Manchmal ist sogar die Hardware selbst manipuliert. 2007 deckte der Nachrichtendienst einen Fall auf, bei dem mehrere Handys im Verteidigungsministerium, darunter von einem ranghohen Entscheidungsträger, betroffen waren. Die Geräte hatten im Akku eine versteckte zweite Sendeeinheit, ein Handy im Handy, verbaut. Der Ausgangspunkt des Angriffs (weitere Fallbeispiele: siehe Text unten) wurde bis heute nicht identifiziert.

Das Problem ist inzwischen so groß, dass selbst Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen im IT-Bereich regelmäßig und gern auf die Hilfe des Abwehramts zurückgreifen. Gegen Bezahlung stellt der Nachrichtendienst seine Expertise sogar Firmen zur Verfügung.

Voraussetzung ist, dass – so wie bei der Ausforschung des Wiener Islamisten Mohammed M. – irgendein Bezug zur Sicherheit des Heeres hergestellt werden kann. Ist das möglich, wird es laut Meinung von Kritikern grundrechtlich problematisch. Das Abwehramt untersteht bei seinen Tätigkeiten laut Militärbefugnisgesetz keiner richterlichen Kontrolle, lediglich dem Rechtsschutzbeauftragten des eigenen Ressorts. Wie der zweite Militärnachrichtendienst, das für Auslandsaufklärung zuständige Heeresnachrichtenamt, darf es, sofern irgendwie begründbar, verdeckte Ermittlungen, die Auswertung von Telefon- und Internetverkehr sowie Ton- und Videoaufzeichnungen durchführen. Die Betroffenen erfahren es – selbst wenn sie unschuldig sind – nie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2012)

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