T-Mobile-Chef will "ein bis drei Euro mehr" pro Kunde

TMobileChef will drei Euro
TMobileChef will drei Euro(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Andreas Bierwirth kommt eigentlich aus der Luftfahrt. Im Interview mit DiePresse.com spricht er über Analogien zum Mobilfunk und das Problem mit zu niedrigen Preisen.

Der gebürtige Deutsche Andreas Bierwirth hat mit September den Chefposten der T-Mobile Austria übernommen. Bierwirth löst beim zweitgrößten heimischen Mobilfunker Robert Chvatal ab, der auf eine weitere Vertragsverlängerung verzichtet und aus familiären Gründen in seine Heimat Tschechien zurückkehrt. Der neue Boss kommt eigentlich aus der Luftfahrtbranche und hatte nur wenige Monate, um sich in der österreichischen Mobilfunkwelt zu orientieren. Die vielen Analogien zwischen den Branchen waren dabei hilfreich, erklärt der 41-Jährige, der am Montag seinen ersten Interview-Marathon mit österreichischen Medien absolvierte. DiePresse.com sprach mit ihm über seine Pläne, die Preise am österreichischen Mobilfunkmarkt anzuheben, über Zielvorgaben, die großen "Baustellen" der T-Mobile und die Angst, durch den Orange-Deal technisch ins Hintertreffen zu geraten. 

Was kann die Mobilfunkbranche aus der Luftfahrtbranche lernen?

Mit dieser Frage tue ich mir schwer. Das wäre zu vermessen, zu sagen, ich zeige aus der vorherigen Branche, was man hier besser machen kann. Jede Branche hat ihre Eigenart. Es gibt natürlich starke Analogien. 

Welche Analogien wären das?

Zum Beispiel die langfristigen Investitionen. Ich kaufe Flugzeuge oder ich baue Antennen und kaufe Frequenzen bzw. Spektren. In beiden Branchen sind wir außerdem in sehr preissensitivem Gebiet unterwegs. Das heißt, wir müssen versuchen, mit dem richtigen Mix von Marketing und attraktiven Preisen ein Gesamtkonzept zu erstellen, das es uns ermöglicht wirtschaftlich zu agieren. Das ist bei der Luftfahrt auch so. Die AUA mit ihren etwa 10 Mio. Gästen - da sind ein bis drei Euro Durchschnittspreis mehr gewaltig viel. Das ist bei uns (T-Mobile, Anm.) auch so. Wir mit unseren vier Mio. Kunden - wenn man da im Monat ein bis drei Euro mehr hätte, entscheidet das schon zwischen Ziel erreicht und Ziel weit verfehlt. Während der Kunde das vielleicht gar nicht merkt, hat das für uns eine sehr starke Auswirkung. Drittens, Kundenorientierung: Viele Airlines haben keine wirkliche Differenzierung am Markt und scheiden dann aus. Das gilt für den Mobilfunk auch. Viertens, sind in der Airline-Industrie die Geschäftsmodelle in den letzten Jahren aufgebrochen. Es kamen die Lowcoster und das haben wir im Mobilfunk auch. 

Wo liegen die großen Unterschiede?

Am Mobilfunkmarkt muss ich mich nicht um Themen wie Wechselkurse, Ölpreisauswirkungen kümmern. Wir haben hier Themen, die deutlich weniger komplex sind. Dafür ist der Wettbewerb signifikant härter. Die Telekommunikation ist von der Konjunktur eher unabhängig. Ist man aber erst mal unten, kann man nicht darauf hoffen, dass einen die Konjunktur nach oben katapultiert. Wir müssen aus eigener Anstrengung aus dem Tal wieder nach oben oder aus eigener Anstrengung versuchen, oben zu bleiben. 

Was hat sie am Branchenwechsel gereizt?

Obwohl die Situation für mich relativ plötzlich gekommen ist, habe ich mir die Zeit genommen, mich zu fragen, ob ich innerhalb der Airline-Branche bleiben will. Ich habe sehr klar in mir selbst den Wunsch gespürt, einmal rauszugehen. Nach zehn Jahren in der Airline-Industrie, wäre der nächste Schritt gewesen, dort für immer zu bleiben. Auf der anderen Seite merke ich, dass ich eher generalistisch bin und auch immer ein Interesse hatte, was in anderen Industrien geschieht. Die Telekommunikation steht aufgrund der Analogien der Airline-Branche nahe und man kann sie als Außenstehender in einem begrenzten Zeitraum lernen. 

Wie sind sie konkret zu dem Job gekommen?

Mein Vorgänger (Robert Chvatal, Anm.) hat sich entschieden, seine berufliche Zukunft in seinem Heimatland zu suchen. Aufgrund von Beziehungen, die ich in den letzten Jahren schon hatte, auch Richtung Eigentümer (Deutsche Telekom, Anm.), war es relativ naheliegend, dass wir ins Gespräch kamen. Ich habe mich wirklich sehr gefreut, dass sich das dann auch so materialisiert hat. Die Variante zu T-Mobile zu kommen war von Anfang an, neben vielen anderen Varianten, mein absoluter Favorit. 

Was waren die anderen Varianten?

Das möchte ich jetzt nicht kommunizieren. Aber es gab Optionen in der Airline-Industrie, es gab Optionen innerhalb der Touristik im weitesten Sinne, es gab auch Optionen in ganz anderen Branchen. Ich hatte das große Glück, dass ich mehrere Optionen hatte und es eine Entscheidung aus vollem Herzen war.

Als Robert Chvatal damals den Job übernommen hat, war die Vorgabe des Telekom-Chefs Rene Obermann, T-Mobile in Österreich zum Marktführer zu machen. Das ist nicht gelungen. Ist das auch ihre Zielvorgabe?

Ein klassisches Ziel in dem Sinne habe ich hier nicht vorgegeben bekommen. Ich glaube, jedem ist klar, dass der österreichische Markt im Mobilfunk einer der schwierigsten in Europa ist. Wir haben eine extrem schwierige Topografie, durch die Berge. Dadurch brauchen wir sehr viel mehr Antennen und müssen sehr viel mehr investieren. Wenn sie Holland nehmen, das ist ein Land mit etwa der gleichen Fläche, brauchen wir 25 Prozent mehr Antennen. Gleichzeitig ist die Netzqualität hier signifikant höher als in Holland oder Deutschland. Gleichzeitig treffen sie auf die niedrigsten Durchschnittserlöse. Das hat hier die gesamte Branche in Bedrängnis gebracht. Gerade bei Zukunftsinvestitionen geraten wir durch diese Situation unter Druck.

Sie haben bei ihrer ersten Pressekonferenz die niedrigen Preise als die Wurzel allen Übels in der österreichischen Mobilfunk-Branche dargestellt. Wie wollen sie die Situation konkret ändern?

Ich bin davon überzeugt, dass wir die Preise pro Einheit unserer Arbeit nicht erhöhen werden. Wir sind nichts anderes als eine große Straße, die Daten transportiert. Die Last in unseren Fabriken wird immer größer. Das was wir über unsere Antennen geleistet haben, ist im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent mehr geworden. Und wir bekommen weniger (Geld, Anm.). Dadurch, dass die Menge immer mehr wird, die konsumiert wird, wird der Kunde pro Einheit mit Sicherheit immer weniger zahlen. Wir gehen davon aus, dass der Preis pro Megabyte nicht steigen wird. Was nicht sein kann, ist, dass ein Kunde heute 10 Megabyte hat, übermorgen 100 Megabyte hat, wir investieren müssen und gleichzeitig, das was wir bekommen, weniger wird. Das geht sich einfach betriebswirtschaftlich nicht aus. Ich muss ja die Investitionen irgendwo wieder hereinbekommen. Dieses Modell ist hier gebrochen. 

Es soll in Zukunft also keinen unlimitierten Datenpakete mehr geben?

Es wird immer Pakete geben. Ich werde immer ein bestimmtes Datenvolumen anbieten müssen. Man kann bereits das kleinste Datenvolumen als "Flat-Fee" bezeichnen. Was aber nicht sein kann, ist, dass es keine Grenzen gibt. Ich bin davon überzeugt, dass wir Preisangebote mit sehr klugen, attraktiven Stufen schnüren müssen. Eines ist auch klar: Wir müssen ein unternehmerisches Problem lösen, aber entscheiden wird der Kunde. Nur diese simple Logik, wir erhöhen die Preise, das geht sich hier nicht aus.

Wie wollen sie diese Gratwanderung bewältigen?

Ich glaube, dass wir bei T-Mobile in einer exzellenten Startposition sind. Wir haben eine stabile Eigentümerstruktur. Bei A1 gibt es Veränderungen, Orange ist dabei, aus dem Markt zu gehen, Drei ist davor, vielleicht eine sehr große Konsolidierung zu machen mit einem Unternehmen, das doppelt so groß ist. Jeder hat intern zu tun. Wir haben intern keinerlei Belastung und können uns voll auf den Markt konzentrieren. Zweitens ist die Muttergesellschaft in der Lage, uns Innovationen nach Österreich zu bringen, die wir alleine gar ncht entwickeln könnten. Diese Stärke müssen wir mehr nutzen. Unser Mutterkonzern hat heuer erklärt, man möchte nicht mehr alle Länderbeteiligungen nach dem gleichen Rezept behandeln. In Ungarn ist die Tochter der Deutschen Telekom, was die A1 bei uns ist. Die haben andere Spielregeln zu befolgen als wir. Wir müssen als Angreifer im Markt agiler sein. Die Mutter hat ganz klar vor, uns in unserer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Es wäre vermessen, von mir als Branchen-Outsider den Kollegen die jahrelang hier arbeiten zu erklären, wie Mobilfunk funktioniert. Das wäre Irrsinn. Aber viele Probleme erkennt man auch von außen und ich habe diese verschiedenen Baustellen in einem Gesamtprojekt gebündelt. 

Welche Baustellen sind das?

Zum Beispiel T-Mobile als Marke. Wir glauben, das die Stärken, die wir von innen liefern, etwa im Geschäftskundenbereich oder die gigantische Breite an Geräten, emotional in der Marke noch nicht verankert sind. Die Marke T-Mobile ist anders als die Ursprungsmarke Maxmobil, die sehr stark emotional belegt war. Bei Telering ist es genau umgekehrt, die ist sehr emotional. Telering ist aber als Geschäftsmodell unter Druck geraten, weil die Low-Cost-Marken Bob und Yesss sehr spitz von unten zugestochen haben. Aber auch die großen Anbieter haben Telering durch immer niedrigere Preise quasi ins Sandwich genommen. Aus dieser Position muss sich Telering befreien. Bei T-Mobile ist es also die Marke, bei Telering das Geschäftsmodell. 

Die Markenstrategie ist tatsächlich die größte Baustelle von T-Mobile?

Das Thema Marke ist gerade im Mobilfunk von extremer Relevanz. Im technischen Bereich ist ja kaum mehr eine Differenzierung möglich. Alle drei großen Anbieter haben ein gleichwertiges Netz. 

Sie haben durchklingen lassen, dass T-Mobile durch den Orange-Deal und die Frequenz-Vergabe nächstes Jahr technisch ins Hintertreffen geraten könnte. 

LTE in Österreich und das iPhone 5

Drei und Orange könnten ihre Spektren so kombinieren, dass man quasi per Knopfdruck LTE auf sehr interessanten Frequenzbändern freischalten könnte. Das iPhone 5 würde in Österreich sozusagen über Nacht LTE-fähig. Erst muss natürlich der Regulator genehmigen, dass diese Frequenzen für LTE genutzt werden dürfen. Die T-Mobile hat zwar auch ausreichend Spektren, die liegen aber nicht ganz so günstig und wir können sie technisch nicht so kombinieren, dass wir über Nacht LTE-fähig sind. Sollte aus der Übernahme genau das passieren, hätten wir einen Nachteil, der uns durchaus ein, zwei Jahre beschäftigen würde. Dann müssten wir weitere Investitionen in LTE überdenken. Wenn der Wettbewerb in Österreich stabilisiert werden soll, brauchen wir ein Szenario, das genau das verhindert. Die A1 könnte das auch. Dass zwei Player etwas anbieten können, was der dritte nicht kann, das darf nicht passieren. Wir gehen davon aus, dass dieses Argument gehört wird.  Das iPhone 5 nutzt für LTE die Frequenzen 850, 1800 und 2100 MHz. Österreichische Provider dürfen die flotten Datenfunktechnik nur auf 2600 MHz nutzen. Für 2013 steht eine Neuvergabe der Frequenzen an.

Wenn Sie T-Mobile schon länger führen würden, wäre der Orange-Deal dann womöglich anders gelaufen? Hätten Sie eine Beteiligung an dem Deal angestrebt?

Das wäre vermessen, das jetzt zu sagen. Als ich kam, habe ich mich natürlich über die Sachlage informiert und genau die genannte Position gemeinsam mit meinem Team herausgefiltert und entsprechend lautstark vertreten. 

Wie sehen Sie den Deal grundsätzlich? Glauben Sie, dass er durchgehen wird?

Der Orange-Deal

Mein Wissen haben ich auch nur aus Berichten der Presse. Ich glaube, wenn Hutchison entsprechend nachbessert, was sie zu tun scheinen, dass der Deal sehr wahrscheinlich durchgeht. Ich weiß allerdings nicht, was die Hutchison genau tut. Ich versuche, auf die Position von T-Mobile aufmerksam zu machen, damit wir nicht ins Hintertreffen geraten. Hutchison will Orange um 1,4 Mrd. Euro kaufen. Die Billigmarke Yesss soll samt Funkstationen um 380 Mio. Euro an die Telekom Austria weiterverkauft werden. Dieses Subgeschäft prüfen die Bundeswettbewerbsbehörde und das Kartellgericht. Brüssel hat von Anfang an Bedenken angemeldet, weil die Zahl der Mobilfunker von vier auf drei sinken würde. Die EU fürchtet eine Einschränkung des Wettbewerbs und hat deshalb eine vertiefte Prüfung des Deals bis Ende November angesetzt.

Sie haben sich zum Ziel gesetzt, dass T-Mobile bis 2015 wieder wächst. Was sind die drei wichtigsten "To-do's" bis dahin?

2013 ist sehr herausfordernd, weil Terminierungsentgelte geändert werden. Es ändern sich also wieder Dinge durch den Regulator, das bedeutet, dass ich jetzt schon mit einem Umsatzminus im zweistelligen Millionenbereich in das nächste Jahr starte. Wenn es uns gelingt, die Schrumpfung zu reduzieren, muss sich der Kern, der nicht vom Regulator abhängt, bereits im nächsten Jahr stabilisieren. 2014 wollen wir stabil bleiben und 2015 wieder wachsen. Wir sprachen das Thema Preiserhöhung an. Man darf nicht vergessen, dass wir auf diesem explodierenden Wachstumsmarkt sind. Denken sie an das Thema Musik. Mit Hörbüchern und Opern können wir eine ganz breite Masse ansprechen. Im B2B-Bereich ist das Thema Cloud wichtig und Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M). Die Deutsche Telekom ist Marktführer im M2M-Bereich. In den Autos von car2go stecken SIM-Karten der T-Mobile. Diese Wachstumsfelder müssen wir voll ausreizen. 

Was genau haben Sie mit der Marke Telering vor?

Telering kommt eindeutig über die Preisführerschaft. Wir müssen deutlich machen, dass die Preisführerschaft mit einer Kostenführerschaft einhergehen muss. Da sind wir derzeit nicht. Wir müssen das Geschäftsmodell so überarbeiten, dass die Telering unsere effizienteste, schlankste Marke ist. 

Was erwarten Sie von einem möglichen neuen Mobilfunkanbieter UPC?

UPC als Mobilfunker

Ich denke, dass UPC vom Fernsehen her kommt und auch wie A1 Bundles anbieten wird. Was für mich extrem faszinierend ist, wie sehr Festnetz und Mobilfunk mittlerweile verschmelzen. Bei mir zuhause - ich bin über normales Breitbandkabel angebunden - habe ich über Mobilfunk heute bereits eine bessere Anbindung als über WLAN. Wenn ich etwas schnell downloaden will, stelle ich mein WLAN daheim ab und nutze Mobilfunk. Und das, obwohl wir noch kein LTE haben. Wir sind nicht mehr nur Mobilfunkanbieter, wir sind Breitbandanbieter geworden. Das Modell dreht sich gerade. In der Mobilfunkbranche diskutiert man außerdem ganz stark über das Endgerät. Ich habe ein Samsung, ein HTC und ein Apple und ich sehe sogar Mitarbeiter, die sich mit dem Endgerät identifizieren. Ich finde das verblüffend.  Hutchison will die EU mit der Öffnung des Drei-Netzes für „virtuelle“ Mobilfunkern (Betreiber ohne Infrastruktur) vom Orange-Deal überzeugen. Mit dem Kabelnetzbetreiber UPC wurde bereits ein Vertrag geschlossen.

Womit telefonieren Sie privat?

Ich hatte lange Zeit ein Blackberry, dann ein iPhone. Jetzt habe ich begonnen, mir alle vier bis sechs Wochen ein anderes Zweitgerät anzuschauen. Damit ich verstehe, was die anderen Hersteller bieten, das halte ich für wichtig. 

Haben Sie schon einen Favoriten gefunden?

Ich finde alle Smartphones super. 

(sg)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.