Salmonellen: Durchfall aus dem Salat

(c) AP (Jens Meyer)
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Der Verzehr von Rohkost kann zu Lebensmittel-Vergiftungen führen, fanden Wiener Forscher heraus.

"Ekel-Tomaten verbreiten Salmonellen!" Solche Meldungen kursierten kürzlich in Medien, da in den USA mit Salmonellen verseuchte Paradeiser zu Lebensmittelvergiftungen führten. McDonalds, Burger King & Co verbannten daraufhin Tomatenscheiben aus Sandwich und Burger, manche Handelsketten nahmen Tomaten aus der Gemüseabteilung.

Die Verunreinigung von Gemüse durch Salmonellen ist sehr häufig – bisher erklärte man sich dies durch oberflächlichen Kontakt. Durch Waschen oder Schälen konnte man die Keime los werden. In Gegenden, wo verunreinigtes Wasser zur Bewässerung der Felder verwendet wird, gelangen Darmbakterien direkt aus dem Abwasser oder von schlecht funktionierenden Kläranlagen in Bewässerungsanlage und auf das am Feld wachsende Gemüse. Weiters ist biologischer Dünger ein großer Pool an Darmbakterien, schließlich verwendet man Tierkot, um die Bodenqualität zu verbessern. Besonders in Massentierhaltung ist die Verbreitung von Salmonellen hoch – daher ist auch der anfallende Mist stark mit Salmonellen verseucht. So weit, so gut. Wer sich an die alte Regel „Wash it, peel it or leave it“ hält, sollte der Gefahr entkommen.

„Dem ist leider nicht so“, erzählt Heribert Hirt vom Max F. Perutz Labor der Uni Wien. Gemeinsam mit Adam Schikora und seinem Team aus Frankreich fand er heraus, dass Salmonellen sich auch innerhalb von Pflanzenzellen einnisten können. „Das ist meines Wissens der erste Beweis, dass Bakterien, die den Menschen infizieren, auch in Pflanzenzellen eindringen.“

Bakterien finden wunde Wurzeln

Daran glaubte die Wissenschaft lange nicht. Denn der Mechanismus, mit dem Salmonellen die Zellen des Dünndarms überlisten, um sich in ihnen zu vermehren, benötigt eine elastische Zellmembran: Die Salmonellen senden Signale aus, damit die Körperzelle die Membran wie einen Luftballon um sie legt und die Keime in die Zelle einschleust. Weitere Signale der Keime tricksen das Immunsystem so aus, sodass der „Ballon“ nicht auf den Müll wandert, sondern in der Zelle bleibt.

Der Mensch merkt erst dann die Infektion, wenn Durchfall und hohes Fieber auftreten. „In unseren Breiten sind Salmonelleninfektionen meist in wenigen Tagen überwunden. Aber in schlechter entwickelten Regionen sterben vor allem Kleinkinder und ältere Menschen an Lebensmittelvergiftungen durch Salmonellen“, so Hirt. Immerhin sind es laut WHO weltweit 1,5 Milliarden Lebensmittelvergiftungen, die jährlich von Salmonellen verursacht werden.

„Die Idee zu der Suche nach Salmonellen auch innerhalb von Pflanzenzellen kam von Kollegen aus Israel, die eine Vielzahl von Lebensmittelvergiftungen auf Pflanzenprodukte und Rohkost zurückführten“, erzählt Hirt. Ein eigenes Projekt traute sich das Wiener Labor nicht auf diese Idee anzusetzen, aber als Nebenprodukt der laufenden Studien an Pflanzeninfekten gelang ihnen die Entdeckung. „Wir mussten die Salmonellen sichtbar machen, um zu sehen, ob sie tatsächlich in die Pflanzenzellen hineinkommen.“ Dies gelingt mit einem fluoreszierenden Markerprotein, das unter dem Mikroskop zum Leuchten gebracht wird.

In Versuchsreihen tunkte Adam Schikora die Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand) in Lösungen mit Salmonellen und fand den Eintrittsort, wo die Keime in die Pflanze wandern. „Wenn Seitenwurzeln von innen auswachsen, entsteht eine kleine Verwundung im Wurzelbereich, die viele Pflanzen-Krankheiten als Eintrittsstelle nutzen“, so Hirt. Auch Salmonellen haben einen „Riecher“ für diese Stellen und wandern im Boden auf die Wurzeln der Pflanze zu. „Wenn sie erst drinnen sind, können sie die Zellwand der Pflanze überlisten und werden ins Zellinnere aufgenommen. Wir wissen aber leider noch nicht, wie das funktioniert.“ Denn Pflanzenzellen haben eine starre Zellwand, darum schloss man früher aus, dass Erreger mittels der „Ballon-Methode“ ins Zellinnere gelangen könnten. „Ich denke aber, dass die Zellwand ein sehr dynamisches System ist“, sagt Hirt.

Kochen tötet Salmonellen ab

Egal wie die Salmonellen es schaffen: Hirt und seine Kollegen fanden den Beweis, dass bereits nach drei Stunden erste Zellen infiziert waren und sich die Salmonellen darin vermehren konnten. „Die Pflanze zeigt aber erst nach zirka zwei Wochen augenscheinliche Symptome wie gelbe Stellen und abgestorbene Zellen.“ Das erhöht die Gefahr, dass Konsumenten mit Salmonellen verseuchtes Gemüse essen – denn faulige Stellen würde man nicht verspeisen. „Die Salmonellen, die es schaffen in Pflanzenzellen einzudringen, sind auch aggressiver gegenüber Körperzellen als andere Stämme.“

Hirt vermutet, dass der Trend zu Rohkost, die ja so gesund sein soll, zum vermehrten Auftreten der Lebensmittelvergiftungen geführt hat. „Wenn man alles kurz erhitzt (blanchiert) oder abkocht, kann man die Erreger abtöten“, sagt er. In dem Sinne, sollte man die Regel zur Vermeidung von Krankheiten erweitern und empfehlen: „Wash it, peel it and heat it or leave it“.

SALMONELLOSE

Rund 100.000 Österreicher sind alljährlich von Infektionen durch Salmonellen betroffen. Die Haupt-Infektionsquellen sind Eier, Geflügelfleisch und Faschiertes.

Die Inkubationszeit liegt bei sechs bis 72 Stunden, meist klingen die Symptome – Brechdurchfall mit Fieber – nach ein bis zwei Tagen ab. Gefährlich können Salmonellosen für Kleinkinder oder ältere Menschen werden.

Manche Stämme, vor allem die Typhus-Erreger, können lebensbedrohlich sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2008)

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