Schäume, Gele und Gewebe

Pudding
Pudding(c) Clemens Fabry
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Forscher kommen der „weichen Materie“ auf die Spur.

Materie gibt es in den drei Aggregatzuständen fest, flüssig, gasförmig. Dieses Schulwissen ist – wie vieles, was man in der Schule lernt – nur die halbe Wahrheit. Denn in der Realität gibt es auch Zwischenformen, die keineswegs selten sind, sondern im Gegenteil etwa bei Lebewesen der Normalzustand sind: „weiche Materie“, im englischen Fachjargon „soft matter“ genannt.

Auch in der Technik finden solche Materialien reiche Anwendung, etwa in Flüssigkristallbildschirmen, als Gele, Bio-Polymere oder in Lebensmitteln. Um erwünschte Effekte zu erzeugen, muss die Struktur der weichen Materie gezielt gesteuert werden. Das ist aber nicht einfach. Die Materialien zeigen eine Selbstorganisation, bei der von allein geordnete Strukturen entstehen: Unter den Abermillionen möglichen Anordnungen der Atome ist jene Struktur die stabilste, die die geringste Energie aufweist. Ein simples Beispiel: Ein Wassertropfen kugelt sich ab, weil die Oberflächenenergie in dieser Struktur am niedrigsten ist.

Die Energie einer bestimmten Anordnung von Atomen kann zwar nach den Gesetzen der statistischen Mechanik und der Thermodynamik berechnet werden. Doch reale Systeme sind komplex, es gibt so viele mögliche Strukturen, dass eine Vorhersage praktisch unmöglich ist. In mehreren Forschungsprojekten, die vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert werden, versuchen Forscher der TU Wien durch neuartige Rechenalgorithmen trotzdem, die stabilen Konfigurationen zu finden. Sie nehmen dazu Anleihe bei der Natur – konkret: bei den Mechanismen der Evolution.

Evolution im Computer

„Wir betrachten eine große Zahl von Gitterstrukturen, die wir gemäß ihrer Energie evaluieren“, berichtet Gerhard Kahl von der „Soft Matter Theory Group“ (SMT). Aus den Ergebnissen wird eine nächste Generation von Gitterstrukturen gebildet, wobei energetisch günstige Anordnungen gegenüber ungünstigen gefördert werden. Wiederholt man diesen Prozess über viele Generationen, dann sterben Kristallstrukturen mit hoher Energie systematisch aus.

Angewandt wird diese Methode bereits für die Entwicklung von schalldämmenden Materialien oder Teilchen, die Medikamente an den erwünschten Wirkungsort befördern und erst dort freisetzen. ku

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2008)

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