Proteine, die Krebszellen aufspüren und vergiften

Mit der Entwicklung neuer Antikörper beschäftigt sich ein neues CD-Labor an der Boku. Die Krebsmedizin sieht darin großes Potenzial.

WIEN. „Unser Ziel ist es, eine neue Generation von Antikörpern zu schaffen“, sagt Christian Obinger. Der Biochemiker bereitet gerade die Eröffnung eines Christian- Doppler-Labors an der Boku vor. Sieben Jahre lang wird sich Obinger ab Jänner 2009 um die Grundlagenforschung kümmern, praktische Aspekte bringt der Mikrobiologe Florian Rüker mit seinem Unternehmen f-star ein. Am Ende sollen beide Einrichtungen profitieren – finanziell, vor allem aber im Hinblick auf neue Erkenntnisse im Feld des „Antibody-Engineering“, der Entwicklung völlig neuer Antikörper.

Antikörper sind die „Markierungsproteine“, mit denen unser Immunsystem Gefahren erkennt: etwa Viren, Bakterien, Parasiten oder Zellmutanten (bei Krebs). Die Y-förmigen Antikörper spüren Eindringlinge auf und binden an bestimmte Proteine, die Unheil verkünden: Etwa an eine kranke Zelle, deren Oberfläche durch eine Mutation verändert ist.

Ist die betroffene Region durch die Antikörper abgesteckt, so sorgen andere Zellen dafür, dass der Gefahrenherd abgetötet wird. Großes Potenzial wird der Erforschung von Antikörpern in der Krebsmedizin zugebilligt: Die Proteine werden etwa dazu eingesetzt, Krebszellen aufzuspüren und mit angehängten Zellgiften gleich abzutöten. In der Diagnostik arbeiten Mediziner dagegen an Biosensoren, auf denen tausende verschiedene Antikörper mit Markern sitzen – in einem Tropfen Blut könnten sie per Leuchtsignal in kürzester Zeit eine Vielzahl von Krankheiten erkennen. Kein Wunder also, dass Pharma-Multis weltweit riesige Forschungsabteilungen damit beschäftigen, die Techniken zum genauen Design und zur Produktion von Antikörpern zu verfeinern.

Warum ist es einem jungen Wiener Unternehmen dennoch gelungen, 13 Millionen Euro an Risikokapital zu sammeln, eine Geschäftsstelle im britischen Cambridge zu eröffnen und eine umfassende Kooperation mit Grundlagenforschern an der Boku einzugehen? „Einerseits sind die Techniken zum Antikörperdesign an den Departments für Biotechnologie und Chemie sehr gut etabliert“, sagt Christian Obinger. „Andererseits hat f-star patentierte Rechte, in bestimmten Regionen der Antikörper Veränderungen vorzunehmen.“

Und auf die Region kommt es an: Weil die Ursachen für Krankheiten extrem vielfältig sein können, bilden Wirbeltiere ständig neue Antikörper in millionenfachen Variationen. Sie binden mit sehr hoher Präzision an eine ganz bestimmte Andockstelle des Reizproteins, dem sogenannten Antigen. Erst die vielen Variationen ermöglichen es, Millionen verschiedener Antigene zu erkennen. Die Natur erzielt diese Vielfalt durch Variationen an den sogenannten CDR-Loops.

„Veränderungen an CDR-Loops sind heute patentrechtlich geschützt“, erklärt Christian Obinger mit kritischem Unterton. Eigentlich, fügt er hinzu, sehe er nicht ein, dass eine von der Natur für Strukturvielfalt vorgesehene Region auf Antikörpern patentiert werden könne. Aber auch f-star profitiert nun von dieser Möglichkeit: Neben CDR-Loops weisen Antikörper an der Basis nämlich noch „Struktur-Loops“ auf. Dass die so manipuliert werden können, dass neue und beliebig gerichtete Bindungsstellen entstehen, das bemerkte f-star Gründer Florian Rüker. Der Mikrobiologe war am Department für Biotechnologie der Boku tätig – somit darf der Uni-Spin-off f-star exklusiv eine Region auf Antikörper beforschen, so wie ein Goldgräber seinen Claim bearbeiten durfte.

„Wir werden unsere Erfahrung im Bereich Proteinchemie dazu verwenden, besonders kleine Fragmente von Antikörpern mit einer neuen Funktionalität auszustatten, ohne ihr dreidimensionales Rückgrat zu zerstören“, so Obinger. Besonders kleine Proteine können Gewebe besser durchdringen; mehrere Bindungsstellen erlauben stärkere Markierungen. Und sind die Antikörperfragmente mit anderen Proteinen verbunden, so kann das ihre Langlebigkeit drastisch erhöhen. Alles Ziele, die das Christian-Doppler-Labor ab Jänner verfolgen wird. Den Enthusiasmus sieht man Obinger bereits an: „Wir haben aber schon extrem vielversprechende Vorergebnisse!“ Benedikt Mandl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2008)

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