Lebensmittel: Die britischen Händler sind im Eck

Die britischen Supermarktketten Asda und Sainsbury's machen gemeinsame Sache – gegen Amazon und die Diskonter.
Die britischen Supermarktketten Asda und Sainsbury's machen gemeinsame Sache – gegen Amazon und die Diskonter.(c) REUTERS (Neil Hall)
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Das schwache Pfund und die starken Diskonter fressen am Umsatz. Eine Megafusion soll helfen. Angstgegner Amazon wird sie nicht fernhalten.

Wien. Diesmal hatte Jeff Bezos keinen Erfolg. Der Chef des Handels-riesen Amazon blitzte bei der britischen Supermarktkette Waitrose ab. Die Insidermeldung ging am Sonntag durch die Medien. Dabei hätte die britische Qualitätsmarke so gut in Bezos' Portfolio gepasst. Darin findet sich seit vergangenem Sommer bereits die US-Biokette Whole Foods. Als er sie für 13,7 Mrd. Dollar übernahm und damit in großem Stil in den klassischen Lebensmittelhandel einstieg, schüttelte es die Branche und mit ihr wohl auch die Chefs von Waitrose. Die Kette gilt als Liebling der gehobenen britischen Mittelschicht. Sie hätte Grund gehabt, auf den Deal einzugehen. Denn diese Mittelschicht geht heute – nicht anders als in vielen anderen westlichen Ländern – immer öfter zu den Diskontern. Diese sind ihr Arme-Leute-Stigma längst los.

Sie haben (zu) lange zugesehen

Die „Big Four“ Großbritanniens – Tesco, Sainsbury's, Asda und Morrisons – haben die Entwicklung zu lange ignoriert. Die aggressiv wachsenden und werbenden deutschen Ketten Lidl und Aldi sahen vor mittlerweile zwei Jahrzehnten ihre Chance: Heute hat die Hofer-Mutter Aldi 7,3 Prozent vom Markt, Lidl hält 5,3 Prozent – das ist mehr als der von Amazon umworbene Mittelschichtshändler Waitrose. Von den „Big Four“ sind sie zwar noch entfernt, aber während sie regelmäßig zweistellig zulegen, sind die Alteingesessenen froh, über der Inflationsrate von zuletzt 2,5 Prozent zu wachsen.

Die Stoßrichtung der Diskonter ist klar: Es geht aufwärts. Aldi UK will allein heuer 70 neue Märkte eröffnen, Lidl ist mit 50 bescheidener. Zu Hilfe kommt ihnen die wirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien: Das durch die Brexit-Entscheidung geschwächte Pfund macht die Importe und damit auch den Wocheneinkauf teurer. Wodurch die Briten noch eher zur billigeren Konkurrenz gehen.

So kann es nicht weitergehen, waren sich die Nummer zwei und drei am Markt, Sainsbury's und Asda, einig. Ende April verkündeten sie, sich zu einem Riesen mit 2800 Filialen, 51 Mrd. Pfund (57,6 Mrd. Euro) Umsatz und 330.000 Mitarbeiter zusammenzuschließen. Mit der 15 Mrd. Euro schweren Fusion zielen sie nicht so sehr gegen den Marktführer Tesco als gegen die unliebsame Konkurrenz von unten. So stellte Sainsbury's sofort in Aussicht, dass die geplanten Einsparungen von gut einer halben Milliarde Euro direkt an die Kunden weitergegeben werden, indem sie die Preise vieler Produkte um zehn Prozent senken. Stellenstreichungen oder Schließungen, wie sie die britischen Supermärkte in den vergangenen Jahren immer wieder bekannt geben mussten, seien dagegen nicht geplant.

Als die Milliardenfusion vor gut einer Woche bekannt wurde, begannen die Spekulationen in den britischen Medien: Wie wird Amazon reagieren, nun da eine seiner Übernahmeoptionen wegfällt? Das Land ist für den US-Konzern besonders interessant, da es zu den stärksten Onlinehandelsplätzen Europas zählt. Dort testet er seine Drohnenzustellung, dort startete er schon früh den Lebensmittelzusteller Fresh. „Aber wenn er wirklich einen Einfluss auf den britischen Lebensmittelhandel haben will, muss er einen der großen vier kaufen“, sagte ein Analyst vergangene Woche zur britischen „Financial Times“.

Walmarts kluger Schachzug

Mit der geplanten Fusion wird der Onlinehändler in Großbritannien nicht nur weniger Angriffsflächen, sondern auch einen mächtigeren Gegner haben. Sollten die Wettbewerbshüter den Deal durchwinken, könnte Walmart das als persönlichen Erfolg verzeichnen. Denn niemand anderem als dem weltgrößten Händler gehört seit 1999 die nordenglische Supermarktkette Asda.

Walmart steigt bei dem Geschäft gut aus: Er bekommt 3,4 Mrd. Euro und 42 Prozent an der neuen Firma. Und er hat sein britisches Sorgenkind los, um sich für den größeren Kampf am US-Heimmarkt zu rüsten. Gegen Amazon.

AUF EINEN BLICK

Die britischen Supermärkte verlieren an Boden. Das ist einerseits dem schwachen Pfund geschuldet, das die Kunden in die stark expansiven Diskontketten treibt. Zum anderen ist es eine jahrelang verfehlte Marktstrategie. Nun wollen sich zwei der vier großen Ketten zusammentun. Dadurch wollen sie den Preiskampf aufnehmen können – und sich vor Amazon schützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2018)

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