Finanzkrise: Den USA droht eine Rezession

(c) AP (Richard Drew)
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In den USA greift die Finanzkrise auf die Realwirtschaft über. Europas Konjuktur sei nur "marginal" betroffen, sagen heimische Experten.

Mit einem Knalleffekt hat die US-Notenbank Fed am Freitag auf die anhaltende Finanzkrise reagiert: Eine ebenso unerwartete wie kräftige Zinssenkung versetzte die zuvor schwer gebeutelten Weltbörsen kurzfristig in Euphorie. Sie wurde von den Märkten aber auch als Alarmzeichen dafür aufgefasst, dass die Finanzkrise nun auf die „Realwirtschaft“ überzugreifen beginnt. Kurzum: Die Fed sieht Rezessionsgefahr – und will mit Zinssenkungen gegensteuern.

Konkret wurde Freitagvormittag (Ortszeit) der sogenannte Diskontsatz, zu dem sich die Banken Geld von der Notenbank ausleihen, um einen halben Prozentpunkt auf 5,75 Prozent gesenkt. Der eigentliche Leitzinssatz (derzeit 5,25 Prozent) wurde unverändert gelassen, dürfte aber im September zurück genommen werden.

Beobachter waren nicht nur vom Ausmaß, sondern auch vom Zeitpunkt der Zinssenkung überrascht: Erstmals seit den Terroranschlägen von 2001 hat die Fed zwischen zwei regulären Sitzungen an der Zinsschraube gedreht. Ein Signal dafür, dass die amerikanischen Währungshüter Feuer am Konjunkturdach sehen und es ziemlich eilig haben, mit der Löschspritze auszufahren.

In der Begründung der Zinssenkung macht die Fed kein Hehl daraus: „Die Bedingungen für die Finanzmärkte haben sich verschlechtert“, hieß es. Und: „Die Risken für die Konjunktur sind deutlich gestiegen.“ Die Fed fürchtet, dass die US-Wirtschaft, die sich (im Gegensatz zur europäischen) bereits abschwächt, ohne Gegenmaßnahmen in die Rezession schlittern könnte. Von einer solchen reden die Amerikaner, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Quartale hintereinander sinkt.

Kurzfristig zeigte die Zinssenkung, die den Banken die Aufnahme von Krediten bei der Notenbank erleichtert und damit die Liquidität der Märkte verbessert, Wirkung: Die bis dahin überwiegend im negativ Bereich herumkurvenden europäischen Börsen machten Freudensprünge und auch die US-Börsen eröffneten mit Gewinnen. Bald nach Handelsbeginn bröckelten die Gewinne aber wieder ab.

Auch die US-Währung entwickelte sich lehrbuchgemäß: Sie gab sofort deutlich nach. Ein Effekt, den die US-Notenbank mit bezweckt: Ein „leichterer“ Dollar macht amerikanische Exporte billiger und stützt damit die Konjunktur im Land. Hingegen werden Exporte in die USA aus Europa und vor allem aus Asien teurer. Was wiederum dort die Konjunktur dämpft.

Die Europäische Zentralbank (EZB), die im Gegensatz zur amerikanischen ausschließlich auf Währungsstabilität achtet und Konjunktursteuerung nicht zu ihren Kernaufgaben zählt, sieht vorerst keinen Grund, die Euro-Zinsen zu ändern.

Wirtschaftsforscher beruhigen

Während deutsche Wirtschaftsforscher am Freitag erstmals Befürchtungen aussprachen, die Finanzkrise könnte auch die europäische Konjunktur abwürgen, zeigten sich deren österreichische Kollegen noch optimistisch. Christian Helmenstein, der Chef-Volkswirt der Industriellenvereinigung, sagte zur „Presse“, die chinesische Wirtschaft werde wegen der US-Probleme ebenso wenig einbrechen wie die österreichischen Exporte in den arabischen Raum oder nach Osteuropa. Deshalb würden die realwirtschaftlichen Auswirkungen auf die Euro-Zone und somit auch auf Österreich marginal bleiben. „Wir nähern uns immer mehr einem multipolaren Wachstum und haben daher bessere Chancen als früher, uns von den USA partiell abzukoppeln“, sagte Helmenstein. Helmenstein sieht in Europa auch „keinen Spielraum für Zinssenkungen“, es werde höchstens „der Zinserhöhungszyklus“ zu Ende gehen.

Auch österreichische Bank-Analysten erklärten, es seien derzeit noch keine negativen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft absehbar. Allerdings sei die Lage „unübersichtlich“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2007)

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