Ein Anti-Trump als Hüter der Weltwährung Dollar

Ernster Blick, ruhige Hand: Jay Powell ist neuer Fed-Chef.
Ernster Blick, ruhige Hand: Jay Powell ist neuer Fed-Chef. (c) REUTERS
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Bescheiden, besonnen, auf Ausgleich bedacht: Jay Powell wird als Fed-Chef keine Wellen schlagen, aber zwischen Feinden vermitteln.

Wien/Washington. Laut hatte Donald Trump im Wahlkampf gepoltert: Er werde die Eliten aus Washington vertreiben, die lockere Geldpolitik der US-Notenbank sei unverantwortlich, Fed-Chefin Janet Yellen halte die Zinsen viel zu niedrig. Und jetzt nominiert der Präsident einen Mann zum Hüter des Dollar, der all das verkörpert und vertritt, wogegen er eben noch gewütet hat. Jerome Powell ist in Washington geboren und aufgewachsen, diente der Politik und der Zentralbank. Vor allem aber gilt der 64-Jährige, den sie Jay nennen, als Garant dafür, dass alles so bedächtig weiterläuft, wie seine Vorgängerin es geplant hat – bei den Zinserhöhungen wie beim Abbau der Fed-Bilanz, die Anleihenkäufe auf 4,5 Bio. Dollar aufgebläht haben. Dass die Finanzmärkte dem früheren Banker vertrauen, zeigt ihre Nichtreaktion auf seine Nominierung. Und das bedeutet: Die Party an den Börsen kann weitergehen.

Offenbar haben Trumps Berater ihrem Herrn klar gemacht: Nichts kann die Laune der Investoren so sehr trüben wie radikale Umbrüche und eine ungewisse Zukunft. Die ständig neuen Rekordstände bei den Aktienindizes heftet sich Trump nur zu gern auf seine eigene Fahne. Also setzt er auf Kontinuität.

Warum aber nicht gleich eine zweite Amtszeit für Yellen? Die Demokratin hätte im Kongress viel Widerstand überwinden müssen. Powell aber ist der fleischgewordene Ausgleich: ein moderater Republikaner, allen Extremen abhold, der Argumenten von jeder Seite aufmerksam zuhört und sich daraus eine wohl abgewogene Meinung bildet. Seine Kunst, Konsens zu schmieden, übte der studierte Jurist schon bei einem frühen Ausflug in die Politik. Im Finanzministerium unter George W. Bush erlebte er mit, wie die Bank Salomon Brothers bei Anleiheauktionen trickste. Um solch gefährliche Machenschaften künftig besser zu verhindern, arbeitete er an neuen Handelsregeln mit, hielt aber die Gesetzgeber zugleich von einem noch strengeren Korsett ab. Allzu viel ist ungesund: Diesem Grundsatz dürfte der Mann mit dem grau melierten Haar und dem ernsten Gesicht in Sachen (De-)Regulierung treu bleiben.

Der Multimillionär als Mediator

Sein Meisterstück lieferte der Mediator in der Budgetkrise von 2012, als Mitarbeiter des Bipartisan Policy Center, eines Thinktanks, der die Überparteilichkeit schon im Namen trägt. Powell rechnete seinen ideologisch aufgeheizten Parteikollegen kühl die Kosten eines Staatsbankrotts vor und überredete sie zu einer Erhöhung der Schuldenobergrenze. So wurde Obama auf den bescheidenen Vermittler aufmerksam und öffnete ihm den Weg in die Zentralbank, wo er seitdem als Direktor alle Entscheidungen mitgetragen hat. Anders als seine Vorgänger der vergangenen drei Jahrzehnte kann der neue Fed-Chef keine akademische Karriere als Ökonom vorweisen. Stattdessen baute er sich als Investmentbanker und Partner bei der Beteiligungsgesellschaft Carlyle ein Vermögen auf, das je nach Schätzung zwischen 20 und 100 Mio. Dollar liegt – und das, obwohl der Investor, wenig überraschend, als risikoavers gilt. Auch in der Geldpolitik: Eine starre Regel der Zinsanpassung, wie sie der Ökonom John Taylor erfunden hat, lehnt er ab. Hätte sich dieser „Falke“ im Rennen um den Fed-Chefsessel durchgesetzt, müsste er seiner Formel gemäß die Leitzinsen rasch von 1,0 bis 1,25 auf 3,75 Prozent anheben – was Powell für viel zu gefährlich hält. Auch gegen Versuche mancher Republikaner, die Fed durch Bindung an solche Vorgaben politisch an die Kandare zu nehmen, verwehrt er sich. Die Unabhängigkeit der Notenbank sollte auch unter seiner Ägide gesichert sein.

Und sonst? Powell ist verheiratet, Vater dreier Kinder und ein begeisterter Radfahrer, der zuweilen auch Tennis und Golf spielt, einem Rückenleiden zum Trotz. Dass er gern Rock und Blues auf der Gitarre spielt, ist so ziemlich das Wildeste, was sich über ihn berichten lässt. Aber Notenbanker sind auch nicht dazu da, das Blut ihrer Mitmenschen in Wallung zu versetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2017)

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