Bitcoin-Rausch: Bloße Finanzspielerei oder Währung der Zukunft?

Manche erinnert der Bitcoin-Boom an die Tulpen-Blase
Manche erinnert der Bitcoin-Boom an die Tulpen-Blase APA/dpa/Felix Kästle
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Viele Bitcoin-Fans wetten auf weitere Wertzuwächse, doch Regulierer, Notenbanker und Religionsbehörden warnen vor eine . Finanzblase

Ist das noch gesunde Euphorie oder längst verrückte Hysterie? Die Digitalwährung Bitcoin reißt einen Rekord nach dem anderen. Diese Woche stieg ihr Wert erstmals über 11.000 US-Dollar (9.283 Euro) Allein seit Jahresbeginn hat er sich mehr als verzehnfacht. Bitcoin-Freunde träumen von der Währung der Zukunft und von weiteren Wertsteigerungen. Kritiker warnen vor einer gigantischen Finanzblase.

Jetzt kommen auch offizielle Regulierer, Notenbanker und sogar Religionsbehörden nicht mehr daran vorbei, sich zum Bitcoin zu äußern. Der Grundtenor: Besser die Finger davon lassen! Die deutsche Finanzaufsicht warnt gar vor einem Totalverlust.

Im Internet kursiert seit einiger Zeit folgende Rechnung: 2010 hatte ein Programmierer zwei Pizzen für 10.000 Bitcoins gekauft. Heute wäre dieser Betrag rund 100 Millionen Dollar wert. Besonders seit Anfang des Jahres steigt der Wert der Digitalwährung immer rasanter. Manch einer fühlt sich gar an die berühmte Amsterdamer Tulpenmanie erinnert. Im 17. Jahrhundert schlug eine zunächst harmlose Blumen-Liebhaberei reicher Niederländer in einen irrationalen Kaufrausch um. Die Amsterdamer rissen sich um die Tulpenzwiebeln, weil sie an immer weitere Wertsteigerungen glaubten. Am Ende waren manche Zwiebeln so teuer wie ein Haus - dann kam der Preisabsturz.

"Nichts außer Hoffnung"

Ein ähnliches irrationalen Verhalten sieht John Bogle, Gründer der US-Investmentgesellschaft Vanguard, jetzt auch beim Bitcoin am Werk. "Es gibt nichts, was für Bitcoin spricht, außer der Hoffnung, dass man ihn an jemanden für mehr verkaufen kann, als man dafür bezahlt hat." Ein Absturz des Bitcoin bis auf 100 Dollar wäre für ihn kein Wunder. Und: Während die Amsterdamer nach dem Zusammenbruch der Tulpen-Blase wenigstens noch ein paar Blumenzwiebeln besaßen, steht hinter einer Digitalwährung gar kein materieller Wert.

Der Bitcoin ist die bekannteste von inzwischen über 1.000 Digitalwährungen, die auch Kryptowährungen genannt werden. Eine Figur namens Satoshi Nakamoto, deren Identität bis heute nicht eindeutig geklärt ist, soll sie 2009 in Umlauf gebracht haben. Anders als herkömmliche Währungen wird der Bitcoin nicht von Zentralbanken und Regierungen kontrolliert. Es gibt auch keine Scheine oder Münzen in den Händen, sondern nur Bits und Bytes auf Computern. Bitcoins werden durch gigantische Rechenprozesse erzeugt. Dieses sogenannte Mining wird immer komplizierter, der Stromverbrauch dafür immer größer.

Bitcoin-Fans schwärmen von Anonymität und dezentraler Autonomie. Kritiker warnen vor Missbrauch und Kriminalität. Beispielsweise werden Opfer von Erpressungen mit Computer-Viren häufig aufgefordert, das Lösegeld in Bitcoins zu zahlen. Die Täter können so kaum identifiziert werden. "Es tummeln sich auch Spekulanten und windige Geschäftemacher am Markt", warnt Elisabeth Roegele, Chefin der Wertpapieraufsicht bei der deutschen Finanzbehörde Bafin.

Kryptowährungen seien zudem alles andere als eine sichere Geldanlage, sagt Roegele. Im Zweifelsfall drohe Anlegern sogar ein kompletter Wertverlust. Selbst während der aktuellen Rekordjagd geht es zwischenzeitlich immer wieder rasant bergab, binnen weniger Stunden locker mal um 20 Prozent. "Ich fürchte, früher oder später wird der Preis für die exzessiven Spekulationen zu zahlen sein", sagt Notenbanker Yves Mersch von der Europäischen Zentralbank (EZB).

Auch die Deutsche Bundesbank ist wachsam geworden. "Die Frage, die uns beschäftigt, ist, ob diese Trends stark über Kredite finanziert werden und ob damit spekuliert wird", sagt Bundesbank-Vizechefin Claudia Buch. Derzeit fehle es dazu noch an verlässlichen Informationen. Und selbst die türkische Religionsbehörde Diyanet hat sich schon zum Bitcoin geäußert. Der Handel mit virtuellem Geld sei aus religiöser Sicht nicht gut zu heißen.

Interesse am Cyber-Geld steigt

Ungeachtet aller Warnungen steigt das Interesse am Cyber-Geld und damit dessen Wert immer weiter. In Japan wurde die Digitalwährung schon als offizielles Zahlungsmittel neben dem Yen anerkannt. In China weichen Anleger wegen Kapitalverkehrskontrollen auf den Bitcoin aus, während die politische Führung mit Regulierungen gegenzusteuern versucht. In krisengeschüttelten Ländern wie Venezuela wird der Bitcoin als Alternativwährung genutzt. Sogenannte digitale Börsengänge (ICOs), mit denen etwa Start-Ups im Internet einfach Geld sammeln können, treiben die Nachfrage zusätzlich. Die US-Terminbörse CME sowie Insidern zufolge auch ihr Konkurrent Nasdaq planen die Einführung eines speziellen Finanzprodukts (Bitcoin-Future.)

Aber kann bei einem Finanzprodukt mit derart starken Kursschwankungen wie beim Bitcoin wirklich von einer Währung die Rede sein? Nein, sagt EZB-Vizepräsident Vitor Constancio. Es handle sich um einen Vermögenswert, deren Fans an Wertsteigerungen glauben. Immerhin kann man in einigen Geschäften, Online-Shops, Restaurants und sogar Schulen mit Bitcoins bezahlen. Aufgrund der enormen Kursschwankungen werden aber die Preise nur selten in Bitcoins angegeben.

Ist der Bitcoin-Hype nichts weiter als eine riskante Finanz-Spielerei einiger Computer-Nerds mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen von Pferdewetten? So einfach ist es nicht. Viele Experten sehen in der Blockchain-Technologie, die hinter Bitcoins steht, ein großes Zukunftspotenzial. Diese Technologie könnte nützlich für Anwendungen im Zahlungsverkehr sein, sagt der nominierte Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell. Die schwedische Notenbank denkt bereits über ein eigenes Cyber-Geld nach. Die Zukunft der Digitalwährungen wird also von viel mehr abhängen als nur vom Bitcoin.

(Tobias Schmidt/dpa-AFX)

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