"Ronaldo" der Finanzen übernimmt das Ruder bei der EZB

Mario Centeno
Mario CentenoREUTERS
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Mit Mario Centeno führt ab Freitag ein Vertreter aus einem früherem Krisenland die Eurogruppe an.

Mario Centeno ist erst zwei Jahre in der Politik. Am Freitag wird er als erster Vertreter eines ehemaligen Krisenlandes die Führung der Eurogruppe übernehmen - der Schaltstelle der europäischen Währungsunion. Dem Wirtschaftsprofessor und Zentralbanker ist als Finanzminister in Lissabon das Kunststück gelungen, für eine sozialistische Minderheitsregierung den Haushalt zu sanieren, ohne zu große Proteste am linken Rand zu provozieren.

Der 51-jährige Centeno übernimmt am Freitagmittag bei einer kleinen Zeremonie in der portugiesischen Botschaft in Paris den Stab vom bisherigen Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem aus den Niederlanden. Er hat dann auch die Aufgabe, die schwierige Reform der Eurozone in die Wege zu leiten, auf die insbesondere Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seit Monaten drängt.

Portugal als Musterbeispiel

Wolfgang Schäuble (CDU) lobte in seinen letzten Monaten als deutscher Finanzminister immer wieder Portugal für seine Bemühungen, aus der Krise zu kommen. Er sah das Land als Musterbeispiel dafür, dass die europäische Krisenpolitik funktioniert.

Centeno hatte als Finanzminister daran großen Anteil. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt im November 2015 konnte er zwar nicht verhindern, dass die Euro-Partner erstmals überhaupt mit Bußgeldern drohten, weil Portugal seit Jahren gegen die Vorgaben des Stabilitätspaktes verstieß.

Doch unter Centeno bekam Lissabon die Kurve und ist seit 2016 wieder im grünen Bereich. Schäuble soll ihn laut portugiesischer Presse bei einem Eurogruppentreffen im Mai 2017 in Anspielung auf den portugiesischen Fußballstar als "Cristiano Ronaldo" der EU-Finanzminister begrüßt haben.

"Euro als Instrument der sozialen Annäherung"

"Portugals Erfahrung zeigt, dass es in Europa möglich ist, Haushaltssanierung und Wachstum unter einen Hut zu bekommen", sagte Centeno im November, als er seine Kandidatur für den Vorsitz der Eurogruppe ankündigte. Sein Ziel sei es, aus dem Euro "ein Instrument zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Annäherung" zu machen.

Der Sohn eines Bankangestellten und einer Postmitarbeiterin wuchs in der südportugiesischen Region Algarve auf. Mit 15 Jahren zog er in die Hauptstadt Lissabon, um zu studieren. Am Ende hatte er nicht nur ein Diplom der Wirtschaftswissenschaften der Lissaboner Hochschule für Wirtschaft und Management, sondern auch einen Abschluss der angesehenen US-Universität Harvard in der Tasche.

Einen Großteil seiner bisherigen Karriere hat er bei der portugiesischen Zentralbank verbracht. Von 2004 bis 2013 war er dort stellvertretender Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften. Ins politische Rampenlicht trat er erst im Oktober 2015, als er als unabhängiger Kandidat Abgeordneter im portugiesischen Parlament wurde. Vor den Wahlen hatte er für den heutigen Regierungschef Antonio Costa das Wirtschaftsprogramm der Sozialisten ausgearbeitet.

Forschung über Lohnungleichheit

Centeno hat sich als Wissenschafter viel mit Lohnungleichheit, Niedrig- und Mindestlöhnen und Arbeitslosigkeit beschäftigt. Er sieht sich nicht als traditioneller Makroökonom. "Manchmal vergisst die Makroökonomie, dass es auf der anderen Seiten auch Menschen gibt", sagt er. Unter Wirtschaftsexperten hatte er aber auch einen Ruf als Liberaler, weil er sich für eine stärkere Flexibilisierung des Arbeitsmarkts aussprach.

Der Portugiese selbst will sich in keine Schublade stecken lassen. "Die einzige Sache, die mich definiert, ist die Familie und Benfica", sagt der dreifache Vater mit Blick auf den bekanntesten Fußballclub seiner Heimat.

Auch als Kandidat Südeuropas will sich Centeno nicht sehen. Er wolle in der Eurogruppe über Parteigrenzen hinweg Konsens erzielen, sagte er nach seiner Wahl Anfang Dezember. Europa mit dem größten Binnenmarkt der Welt müsse seine "Stärken zeigen" und seine Institutionen vervollständigen - "gleich, ob man aus dem Süden, dem Norden, dem Osten oder dem Westen kommt".

(APA/AFP)

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