Edoardo Ugolini: „Korrektur ist nicht ausgeschlossen“

Anleger sind Rücksetzer nicht mehr gewohnt, sagt Portfoliomanager Ugolini.
Anleger sind Rücksetzer nicht mehr gewohnt, sagt Portfoliomanager Ugolini. (c) Michele Pauty
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Edoardo Ugolini von Zest Asset Management hat sich von Aktien vorerst getrennt, er hält einen baldigen Rücksetzer für möglich. Langfristig sei jedoch der Aufwärtstrend intakt.

Die Presse: Herr Ugolini, seit dem Ausbruch der Finanzkrise sind gut zehn Jahre vergangen. Fühlen Sie sich mit der anhaltenden Börsenrallye noch wohl?

Edoardo Ugolini: Tatsächlich sind die Zeiten, in denen man getrost in Aktien investieren und sich jahrelang zurücklehnen konnte, nun vorbei. Die Marktschwankungen waren angesichts der extrem niedrigen Zinsen zudem sehr gering und werden wieder zunehmen. Das wird oftmals unterschätzt, zumal Spekulationen auf Pump vor allem in den USA wieder hohe Niveaus erreicht haben.


Das heißt, Sie werden jetzt die Reißleine ziehen.

Vor wenigen Tagen habe ich mich von riskanten Investments, zu denen auch Aktienanlagen zählen, vorerst getrennt. Eine Korrektur kann in den kommenden Wochen nicht ausgeschlossen werden. Grundsätzlich ist das ohnedies nichts Ungewöhnliches, viele Investoren sind gröbere Rücksetzer aber nicht mehr gewohnt. Doch insgesamt dürften heuer die Aktienmärkte weiter steigen, weshalb ein Setzen auf sinkende Kurse wiederum riskant sein könnte.


Woher nehmen Sie da noch den Optimismus für Ihren Börsenausblick?

Die Märkte legten allein zu Jahresbeginn einen fulminanten Start hin. Das zeigt, dass der grundlegende Aufwärtstrend durchaus intakt ist. Unterstützung kommt auch von konjunktureller Seite. Die Unternehmensgewinne legen zu, die Wirtschaft brummt, während die Inflation derzeit noch auf einem niedrigen Niveau verharrt. In den USA kommt zusätzlicher Rückenwind von der US-Steuerreform. Und in Europa will die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, gemeinsam mit Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, grundlegende Reformen vorantreiben.


Die wohl auch den Euro weiter stärken könnten?

Das glaube ich nicht. Vielmehr dürfte die US-amerikanische Währung in nächster Zeit auf rund 1,15 Dollar zum Euro ansteigen. Denn Europa kommt gerade aus einer langen Rezession heraus, was vor allem auf die Exportwirtschaft zurückzuführen ist. Deutschland hat davon freilich besonders profitieren können. Der Binnenmarkt innerhalb der Eurozone spielte hingegen eine geringere Rolle.


Das heißt, Europas Wachstum könnte sogar hart getroffen werden, wenn der Euro weiter ansteigt?

Sollte die Gemeinschaftswährung noch allzu kräftig zulegen, würde es nicht nur die Konjunkturentwicklung belasten, sondern womöglich auch noch deflationäre Tendenzen in der Eurozone auslösen. Denn dann würden sich die Importe zunehmend verbilligen. Und das wäre eine Entwicklung, die Entscheidungsträger, wie etwa die europäischen Zentralbanker, auf jeden Fall verhindern möchten.


Auf der anderen Seite hat das britische Pfund gegenüber dem Euro seit dem Brexit-Votum stark an Wert verloren.

Dazu muss man ein wenig ausholen, um die Hintergründe der Abstimmung zu verstehen. Unter anderem nahm in den vergangenen Jahren die Zahl der Arbeitsmigranten aus den östlichen EU-Mitgliedsländern stetig zu. Und der ehemalige britische Premierminister David Cameron kürzte auch noch Sozialleistungen. Mit der Brexit-Abstimmung äußerten viele Wähler ihren Unmut über die wachsende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.


Und was bedeutet das nun für das britische Pfund?

Jetzt hängt der weitere Kursverlauf vor allem vom Ausgang der laufenden Austrittsverhandlungen ab, die Entwicklung der Währung ist damit auch ein gutes Stück politisch getrieben. Und deshalb gehe ich derzeit gar keine Wetten auf das Pfund ein.


Inzwischen naht die Zinswende auch in der Eurozone, was die Kurse bestehender, somit schlechter verzinster Anleihen belastet. Wird es noch Käufer für Staatsanleihen geben?

Das kommende Jahrzehnt wird tatsächlich ein schwieriges Umfeld für Anleihen werden, zumal die Inflation wieder zulegen wird. Schließlich werden mit dem Wirtschaftswachstum auch die Löhne allmählich steigen. Käufer wird es trotzdem immer geben, wie zum Beispiel Versicherungen. Man darf auch nicht vergessen, dass der Euro der weltweit zweitgrößte Währungsblock ist. Viele Länder wie etwa Japan oder die Schwellenländer kaufen europäische Staatsanleihen, um Währungsreserven zu diversifizieren. Obendrein investiert die EZB Geld aus ihren Anleihebeständen, die fällig werden, laufend in neue Papiere.

Zur Person

Edoardo Ugolini ist stellvertretender Chief Investment Officer bei der Schweizer Zest Asset Management SICAV, wo der Betriebswirt und Jurist auch als Portfoliomanager tätig ist. In den Zest-Fonds kann sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse bei zahlreichen Aktien-, Anleihen- und Währungsmärkten gesetzt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2018)

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