Inflation in den USA: Das Gespenst schreckt nicht

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Die US-Teuerung ist im Jänner mit 2,1 Prozent zum Vorjahr stärker ausgefallen als erwartet. Aber anders als bei den Arbeitsmarktdaten vor zwei Wochen reagierten die Börsen eher gelassen.

Die Prophezeiungen klangen düster genug. Mit 1,9 Prozent US-Inflation hatten Experten gerechnet. „Eine Zahl, die nur leicht über den Erwartungen liegt, könnte die Märkte erschüttern“, warnte ein Analyst vorsorglich. Es kam freilich doppelt anders als erwartet: Das Arbeitsministerium meldete am Mittwochmorgen eine Jänner-Teuerung von 2,1 Prozent im Jahresvergleich, gleich hoch wie im Dezember. Damit verdichten sich zwar die Anzeichen, dass die US-Notenbank Fed die Zinsschraube heuer öfter und stärker anziehen muss als bisher geplant – und damit Konjunktur, Unternehmensgewinne und den lange boomenden Aktienmarkt ausbremst. Aber offenbar hatten das die Aktienmärkte, den Kassandrarufen zum Trotz, nach den Einbrüchen der vergangenen zwei Wochen schon eingepreist: Nach kurzen Schreckminuten drehten die Börsen rasch ins Plus.

Vier statt drei Zinserhöhungen

Auf eine höhere Inflation wiesen schon die Arbeitsmarktdaten. Die Meldung, dass die Löhne überraschend stark anziehen, hatte die Inflationssorgen geschürt und damit die scharfe Korrektur an den US-Börsen ausgelöst. Die konkrete Befürchtung: Statt drei Zinserhöhungen wie im Vorjahr und für heuer geplant werde es vier geben. Auch ein genauerer Blick auf die neuen Zahlen zeigt: Die Zeichen stehen auf stärkere Teuerung. Zum Vormonat stieg der Verbraucherpreisindex um 0,5 Prozent. Im Dezember lag der Zuwachs nur bei 0,2 Prozent, die Dynamik nimmt also zu.

Worauf die Geldpolitiker aber am meisten achten, ist die Entwicklung der Kerninflation. Dabei rechnet man die stark schwankenden Komponenten Energie und Lebensmittel heraus und kommt so zu einem besseren Indikator für die zugrunde liegenden Trends. Nach 0,2 Prozentpunkten zum Jahresende stieg dieser Wert zum Jahresstart um 0,3 Punkte – und das ist der höchste Zuwachs seit einem Jahr.

Für eine im Trend anziehende Inflation gibt es plausible Gründe. Die US-Wirtschaft läuft weiter auf vollen Touren, und am Arbeitsmarkt ist fast Vollbeschäftigung erreicht. Damit suchen immer mehr Unternehmen nach Arbeitskräften, Bewerber und Mitarbeiter haben eine stärkere Verhandlungsmacht, die Löhne steigen. Das erhöht die Personalkosten für die Firmen, was sich früher oder später durch höhere Preise ihrer Produkte bemerkbar macht. Die Politik sollte in einer solchen Situation dem Lehrbuch nach die fiskalischen Impulse zurückfahren, um eine Überhitzung zu vermeiden. Die Trump-Administration und der Kongress machen aber genau das Gegenteil: Sie schütten mitten in der Hochkonjunktur noch weiter Öl ins Feuer, indem sie die Steuern senken und die staatlichen Ausgaben erhöhen. Auch so könnte die Teuerungsrate weiter anziehen.

Kerninflation unter Zielwert

So entsteht eine paradoxe Situation: Im Grunde sind höhere Löhne und auch steigende Preise Anzeichen für eine Wirtschaft unter Volldampf, und die gesenkten Unternehmenssteuern müssten die Gewinne der börsennotierten Konzerne weiter antreiben. Alles kommt nun darauf an, welche Meldungen stärker überraschen: die rundum positiven von der Wachstumsfront oder die bedenklichen von der Inflationsfront. Denn steigen die Zinsen unerwartet rasch, werden auch Anleihen relativ zu Aktien attraktiver, weil ihre Renditen steigen.

Es gibt aber einen Grund, warum die Fed doch gelassen reagieren könnte: Die Kerninflation liegt mit 1,8 Prozent noch immer unter ihrem Zwei-Prozent-Ziel; der ebenfalls relevante Index der „Persönlichen Verbraucherausgaben“ sogar bei nur 1,5 Prozent. Vielleicht kommt deshalb alles weniger „erschütternd“ als befürchtet.     (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2018)

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