Mindestens 7000 Mitarbeiter sollen ihren Posten verlieren. Aufsichtsratschef Paul Achleitner will nicht dazugehören. Er kämpft um das (symbolische) Vertrauen der Aktionäre.
Frankfurt/Berlin. Es gibt einige Dinge, die im Finanzwesen ganz besonders zählen. Die richtigen Zahlen, zu allererst. Aber auch Vertrauen, Verlässlichkeit. Das vermissen viele Aktionäre bei Paul Achleitner, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank und Topmanager aus Österreich. Also wurden sie am Donnerstag bei der Hauptversammlung schnell ungeduldig: Als er nur zwei Minuten verspätet ans Rednerpult trat, waren schon die ersten Buhrufe zu hören. Das sollte aber noch die harmloseste Kritik gewesen sein, die Achleitner zu hören bekam.
In der Festhalle in Frankfurt entlud sich all der Frust, der sich in den vergangenen Wochen und Monaten bei den Aktionären aufgestaut hatte. Das dauerte: Rund 50 der 4150 anwesenden Personen wollten sich zu Wort melden. Erst nachher stand die wichtigste Entscheidung des Tages auf dem Programm: Erhält Achleitner das (symbolische) Vertrauen der Aktionäre, um den Aufsichtsrat des größten deutschen Geldhauses anzuführen? Am frühen Abend zeigte sich: Ja, aber mit großen Abstrichen. Nur 84,4 Prozent der Anwesenden gaben ihm ihre Unterstützung. Üblich sind bei solchen Veranstaltungen 90 Prozent.
Verschont wurde Achleitner bei der elfstündigen Sitzung also nicht. Im Gegenteil. „Der Aktienkurs gleicht der Fahrt in einer Geisterbahn, bei der hinter jeder Kurve eine unangenehme Überraschung lauert“, hieß es zum Beispiel. Deka Investment, der Vermögensverwalter der Sparkassen, werde gegen die Entlastung von Achleitner stimmen. Auch der einflussreiche Aktionärsberater Hans-Christoph Hirt schlägt vor, die Deutsche Bank möge sich nach einem Nachfolger umsehen.
Während sich die Aktionäre in Rage redeten, weil die Deutsche Bank so schlecht dasteht, stürzten ihre Aktien auf ein 18-Monate-Tief ab. Das passt ins Bild der jüngsten Vergangenheit: Das Institut schreibt zum dritten Mal in Folge Verluste, insgesamt waren es in den vergangenen drei Jahren neun Milliarden Euro.
Die Konkurrenz verdient
Auch nun, im ersten Quartal, brach der Gewinn vor allem wegen des schwachen Handelsgeschäfts um 80 Prozent ein – während die Konkurrenz an der Wall Street Milliarden verdiente.
Sobald die ersten Buhrufe verstummt waren, versuchte Achleitner, diese Zahlen zu erklären – und die Aktionäre zu besänftigen. Zunächst noch mit ein bisschen Fußball und Humor: Nach dem Pokalsieg von Eintracht Frankfurt wolle er sich ein Beispiel an dem Bundesligateam nehmen. Dann zückte er ein selbst geschossenes Foto von einem Fanbanner, auf dem „Totgesagte leben länger“ stand.
Konflikte bei der Führung
Der Rest seiner Redezeit war allerdings eher ein trockenes Referat als eine leidenschaftliche Vorstellung seiner Vision. Dann gab er allerdings zu, dass es in der Führung Meinungsverschiedenheiten gegeben habe. Als die Medien anfingen zu spekulieren, habe er also rasch eine Personalentscheidung fällen müssen: Achleitner setzte als neuen Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing ein.
Er war es auch, der am Donnerstag ein Plädoyer für eine breite Unterstützung anstimmte: „Wir müssen die Deutsche Bank wieder in die Mitte der Gesellschaft führen – wir brauchen ein Leitbild. Sie muss eine starke Stimme haben.“ Allerdings mit weniger Personal: Die Zahl der Vollzeitstellen soll von 97.000 auf „deutlich unter 90.000“ sinken. Auch in Österreich werden Stellen gestrichen, fast zwei Dutzend Beschäftigte wurden bereits informiert. Das stimmte die Anwesenden tatsächlich positiver.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2018)