Politik macht die Börsen nervös

Noch deute wenig auf eine Rezession hin, sagt Blackrock-Experte Martin Lück.
Noch deute wenig auf eine Rezession hin, sagt Blackrock-Experte Martin Lück.(c) Michele Pauty (Michele Pauty)
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Politische Börsen haben kurze Beine? Diese Regel gelte nicht mehr, meint Blackrock-Experte Martin Lück. Es werde turbulenter. Der Bullenmarkt sei aber noch nicht zu Ende.

Wien. Wen die jüngsten Turbulenzen an der Börse schon verunsichert haben, der muss sich kommendes Jahr warm anziehen. 2019 werde ein sehr volatiles Jahr für die Aktienmärkte werden, prophezeit Martin Lück, Chefinvestmentstratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Blackrock.

Während es 2017 praktisch keine Schwankungen gab, habe es heuer bereits zwei turbulente Phasen gegeben (im Februar sowie gegenwärtig). Und im kommenden Jahr müsse man sich auf noch mehr solche Einbrüche einstellen.

Crash kommt, wird aber mild

Der Spruch, dass „politische Börsen kurze Beine“ hätten, gelte nicht mehr. Die Börsen reagieren zunehmend nervös auf neue Entwicklungen in Sachen Handelskrieg, Italien oder Brexit. Die vergangenen Jahre stellten eine Ausnahmesituation dar: Die Konstellation aus starkem Wachstum und niedrigen Zinsen sei so günstig gewesen, dass die Märkte Ereignisse wie den Brexit oder die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten völlig gelassen hingenommen hätten. Dieser Schutz falle nun weg. „Schützen wird uns höchstens, dass Aktien durch die Korrektur billiger geworden sind.“

Doch noch sei der Bullenmarkt nicht zu Ende. Zwischen den Ausschlägen nach unten werde es immer wieder Erholungen geben. Unter dem Strich dürften die Indizes nächstes Jahr leicht steigen, schätzt Lück. Erst wenn sich das Wirtschaftswachstum in den USA und in Europa klar verlangsamt, finde auch die aktuelle Hausse-Phase ein Ende. Ein Rückgang von 50 Prozent und mehr, wie er im Zuge der Finanzkrise passiert ist, sei aber auch dann sehr unwahrscheinlich. „Es spricht viel dafür, dass der Abschwung vergleichsweise mild ausfallen wird. Wir befinden uns momentan nicht in einem typischen Boom-and-Bust-Szenario.“ Die gegenwärtige Aufschwungphase währe zwar schon sehr lang (zumindest in den USA), der Aufschwung sei aber äußerst langsam erfolgt. All die typischen Anzeichen, die auf eine bevorstehende Rezession hindeuten würden – eine extreme Blasenbildung an den Börsen, stark steigende Löhne –, zeigten sich derzeit nur ansatzweise.

Zudem seien die Bewertungen der Aktien zurückgekommen. „In einigen Sektoren sehen wir bereits Rezessionsniveaus“, stellt Lück fest. Das weitere Rückschlagspotenzial sei also begrenzt.

Im Zuge der jüngsten Korrektur haben die FAANG-Werte (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google-Mutter Alphabet) besonders stark nachgegeben. Dabei handle es sich vielfach um Gewinnmitnahmen, meint Lück. Viele Fonds hätten vor Jahresende noch ein paar Gewinnbringer verkauft. Generell hätten viele Technologiefirmen aber attraktive Geschäftsmodelle. „Wenn man sich fragt, wo in Zukunft das stärkste Gewinnwachstum stattfinden wird, wird man möglicherweise auch in Zukunft an diesem Sektor kaum vorbeikommen.“ Technologieaktien in Bausch und Bogen zu verkaufen, wäre keine gute Idee.

Risken sind in Europa höher

Trotz der höheren Bewertungen stehe man US-Aktien positiver gegenüber als solchen aus Europa. Das politische Risiko sei in Europa höher (Italiens Budgetprobleme, der Brexit, Frankreich, Herausforderungen durch die Migrationspolitik), zudem seien Zykliker (Unternehmen mit stark konjunkturabhängigem Geschäftsmodell) in Europa stärker gewichtet. Obendrein müsse man damit rechnen, dass der Dollar nicht noch weiter aufwerte und damit europäische Firmen von der Schwäche ihrer eigenen Währung nicht mehr profitieren können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2018)

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