Fallende Kurse dämpfen die Konsumlust und damit das Wachstum, so Goldman.
New York. Wenn die Kurse an den Börsen fallen, ist das kein isoliertes Event. Analysiert werden aber meist nur die Gründe, nicht die Folgen. Dabei gibt es eine simple Formel: Je mehr Menschen auf dem Markt investiert sind, desto breiter wirkt sich eine Bewegung aus. Steigen die Kurse, steigt auch die Kaufkraft der Aktienbesitzer. Fallen sie, geht die Konsumlust zurück.
Am stärksten merkt man das bei den Luxusausgaben. Erstens, weil diese anders als etwa der Supermarkteinkauf per se verzichtbar sind. Zweitens, weil reiche Menschen einen besonders großen Teil ihres Vermögens auf dem Aktienmarkt investiert haben. Das trifft vor allem auf Amerika zu. Die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs haben nun errechnet, dass der Rückgang der Kurse seit dem Oktober 2018 das Wirtschaftswachstum der USA im kommenden Jahr um einen halben Prozentpunkt drücken könnte. Ökonomen nennen dieses Phänomen den Vermögenseffekt.
So wie er das Wachstum jetzt bedroht, hat er in den vergangenen Jahren dazu beigetragen. Inzwischen habe sich das aber umgekehrt, schreibt Goldman-Experte Daan Struyven. Seit den 1980er-Jahren sei zudem der Anteil der Wertpapier-Investments am verfügbaren Haushaltseinkommen derart gestiegen, dass sich der Effekt vervielfacht hätte.
Im obersten Einkommensdezil um das Dreifache. Direkte Auswirkungen seien vor allem im Luxussektor zu beobachten – bei Schmuck, Uhren und Fortbewegungsmitteln der Superreichen wie privaten Booten und Flugzeugen. Umgekehrt waren diese Sektoren in den vergangenen Boom-Jahren auch überdurchschnittlich erfolgreich. Ganz unumstritten ist die Interpretation, derer sich Goldman bedient, aber nicht. So gibt es die Sicht, dass der Vermögenseffekt sich gerade dann verringere, wenn die Vermögenskonzentration hoch sei. In dem Sinn, dass ein Milliardär wegen ein paar Millionen mehr oder weniger sein Konsumverhalten nicht ändert.
Auch die Ökonomen des US-amerikanischen National Bureau of Economic Research fanden 2013 „bestenfalls schwache Beweise“ für eine Verbindung zwischen dem Aktienmarkt und dem privaten Konsum. Dem hält Struyven Daten entgegen, wonach etwa der Kauf von Schmuck sehr stark mit den Bewegungen der Märkte korreliert. „Seit 1995 können wir sehr wohl eine starke Auswirkung des Aktienmarktes auf Luxusausgaben beobachten.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2019)