Die Leute wollen wieder mehr sparen. Wozu?

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Das Beispiel der Deutschen zeigt: Aus Angst legt man wieder Geld zur Seite. Zeit, daran zu erinnern, dass das sinnlos ist.

Die Turbulenzen in der Weltwirtschaft gehen an den deutschen Verbrauchern nicht spurlos vorüber: Die Menschen in Europas größter Volkswirtschaft denken nun wieder öfter ans Sparen. Das geht aus einer neuen Umfrage der Marktforschungsfirma Nielsen hervor.

„Nachdem das Sparen bei den Deutschen in den letzten Jahren leicht aus der Mode gekommen ist, geben wieder mehr Deutsche an, dass sie ihr Geld sparen, statt dieses zum Beispiel für ihr Hobby, Kinobesuche oder ein neues Smartphone auszugeben“, sagte der Nielsen-Chef für Deutschland, Österreich und die Schweiz, Jens Ohlig.

Immerhin fast jeder dritte Befragte gab an, zumindest einen Teil des frei verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante legen zu wollen. Noch lieber geben die Verbraucher das Geld, das nach Abzug der Lebenshaltungskosten übrig bleibt, nur für Urlaub und Kleidung aus.
Dennoch sehen die Marktforscher einen deutlichen Umschwung, spielte das Sparen in den vergangenen Jahren doch kaum noch eine Rolle. Das habe sich geändert, betonte Ohlig. „Im Ranking hat Sparen schon jetzt wieder Bronze-Status. Mit anderen Worten: Sparen liegt wieder im Trend und lässt Ausgaben wie für Freizeitaktivitäten oder Technologieprodukte auf den hinteren Plätzen zurück.“

Wo und wie die Deutschen – und tendenziell wohl auch die Österreicher – ihr überschüssiges Geld horten, erklärt die Umfrage nicht. Gemeinhin freilich ist bekannt, dass die Deutschen ähnliche Muffel sind, was die Geldanlage in riskantere Finanzprodukte wie Aktien betrifft, und dass sie konservativere Formen wie das Sparbuch bevorzugen. Man kann es ihnen nicht verdenken, denn Aktien erfordern Zeit, sich mit ihnen zu beschäftigen, und Nervenstärke, Rückschläge auszuhalten.

Und dennoch ist auf lange Sicht nur mit solchen Anlageformen eine Geldwerterhaltung und -ausweitung möglich. Mehr noch: Nicht nur auf lange Sicht, sondern auf unbestimmte Zeit. Denn der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ist seinem Image als Währungsweichspüler soeben wieder gerecht geworden. Wie er in der Vorwoche kundtat, bereitet er eine noch lockerere Geldpolitik als bisher vor. Weitere Zinssenkungen und Anleihenkäufe seien denkbar.

Auf viele Jahre wird man also keine Zinsen für sein Erspartes erhalten, dafür durch diese finanzielle Repression die Entschuldung der Staaten finanzieren. Fazit: Sparen wird noch sinnloser. Schade, dass das den Menschen nicht ehrlich ins Gesicht gesagt wird. (Est/Ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2019)

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