Amerikas Gespür für Vorsprung

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Der US-Handelsriese Amazon gibt so viel Geld wie kein anderes Unternehmen für Forschung und Entwicklung aus, zeigt eine Studie von EY. Europa kann nur spärlich mitmischen.

Wien. Vielleicht ist es der Drang, vorwärtszukommen. Und die Erkenntnis, die Zeit nicht anhalten zu können. Es mag deshalb wohl kein Zufall sein, dass just jene beiden Firmen, die weltweit am meisten für Forschung und Entwicklung ausgeben, auch an der Börse in der Oberliga mitspielen: Amazon und die Google-Mutter, Alphabet.

Der technologische Wandel macht selbst vor diesen Konzernen nicht halt. Doch wissen sie sich über Wasser zu halten. So verkündete der US-Handelsriese beispielsweise erst in der Vorwoche, 100.000 seiner Angestellten in den USA umschulen lassen zu wollen. Nicht allein der boomende Arbeitsmarkt und die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern ist ein Grund dafür. Auch der Fortschritt, der so manchen menschlichen Arbeitsschritt wohl bald überflüssig machen könnte.

Asien holt auf

Und so nimmt der Konzern aus Seattle 700 Mio. Dollar in die Hand, um den Qualifizierungsgrad seiner Beschäftigten zu erhöhen. Amazon, einst als Bücherversand gegründet, versteht wohl besser als manch anderer, was Veränderung bedeutet – und denkt daher zwangsläufig über seine eigene Zukunft nach. Das von Jeff Bezos gegründete Unternehmen steckte im vergangenen Geschäftsjahr 24,4 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung. Rund ein Viertel mehr als 2017. Auch Alphabet stockte sein Budget gegenüber dem Vorjahreswert dramatisch auf, um weiterhin an der Spitze mitspielen zu können. Das ist das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung EY, die sich die weltweiten Forschungskaiser angesehen hat.

Die USA sind nicht nur die weltgrößte Volkswirtschaft, sondern es sind auch deren Unternehmen, die global betrachtet am meisten in ihre Weiterentwicklung investieren. Sie gaben allein dafür 272 Mrd. Euro aus, ein Plus von zwölf Prozent gegenüber 2017. Chinas Ausgaben nahmen sich mit 33 Mrd. Euro im Vergleich dazu zwar bescheiden aus, doch unter dem Strich steigerte das Land seine Investitionen um fast ein Viertel. In der Gesamtbetrachtung ist der asiatisch/pazifische Raum Europa knapp auf den Fersen.

„Die Digitalisierung hat einen Investitionsboom ausgelöst, der stetig an Dynamik gewinnt“, so Gunther Reimoser von EY Österreich. „Es wird immer klarer, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zunehmend von ihrer technologischen Leistungsfähigkeit bestimmt wird – und dass auch Anleger und Investoren immer größeren Wert auf diese Faktoren legen“, so Reimoser. Vielfach sei ein Wettlauf um Innovation und Technologieführerschaft entbrannt. Grund für die allerorts gestiegenen Ausgaben ist auch die im Vorjahr noch gute Konjunkturentwicklung, die zu anziehenden Umsätzen und Gewinnen führte. Allein das operative Ergebnis der 500 analysierten Firmen erhöhte sich um 15 Prozent.

Österreicher auf Liste

Zwar hat es mit Volkswagen auch einer von zwei europäischen Konzernen in das Spitzenranking geschafft. Doch bei der Forschungsquote, also dem Anteil der F&E-Ausgaben am Umsatz, blieb Europa mit fünf Prozent hinter den USA (7,4 Prozent) zurück. Die Forschungsausgaben (169 Mrd. Euro) wuchsen mit sechs Prozent ebenfalls deutlich schwächer als in den USA (13 Prozent). Was das bedeutet: Während die fünf größten europäischen Konzerne 43 Mrd. Euro investierten, waren es bei den fünf US-Topfirmen 82 Mrd. Euro. „US-Unternehmen sind bei den Innovationsausgaben mehr denn je das Maß aller Dinge“, sagt Reimoser.

Auch zwei heimische Betriebe haben es übrigens in das Ranking geschafft. Die Voest konnte Platz 419 belegen, nach Rang 323 im Jahr 2017. Andritz reihte sich auf Position 478 ein. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2019)

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