Das Gute an niedrigen Zinsen? Billige Kredite

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das niedrige Zinsniveau begünstigt die Nachfrage nach Wohnraumfinanzierung.

Wien. Sie sind inzwischen nicht nur beliebter als der schnöde Bausparvertrag. Sie haben in den vergangenen Jahren auch ordentliche Preissteigerungen erfahren: Immobilien. Im vergangenen Jahr kostete eine Wohnung in Österreich typischerweise rund 175.000 Euro. Im Vergleich zu 2010 entspricht dies einer Preissteigerung von rund 35 Prozent. Der Nachfrage nach Wohnungseigentum hat das jedoch keinen Abbruch getan. Denn einerseits übersteigt die Nachfrage teilweise das Angebot. Andererseits hat die Europäische Zentralbank in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass sich das Horten von Geld nicht mehr lohnt. Dafür ist die Finanzierung von Immobilien ziemlich günstig geworden.

Negative Kreditzinsen, wie sie die Tokioter Zentralbank in Erwägung zieht, gibt es hierzulande zwar nicht. Allerdings ist der für Spar- und Kreditzinsen wichtige Interbankensatz Euribor auch schon in den negativen Bereich gerutscht. Der Drei-Monats-Euribor liegt inzwischen bei minus 0,26 Prozent. Verbraucher haben davon jedoch nur bedingt etwas. Denn de facto haben die Banken bei Darlehen einen Deckel von null Prozent eingezogen. Der niedrige Zinssatz hält jedoch die Nachfrage am Laufen. „Das Interesse an Wohnimmobilienkrediten ist sehr hoch“, sagt Katja Fries von der Erste Bank. Die durchschnittliche Kreditsumme, die sich Kunden bei dem Institut ausleihen, hat sich in den vergangenen Jahren denn auch erhöht. Lag die Kreditsumme früher im Schnitt bei 120.000 Euro, ist der Betrag inzwischen auf 175.000 Euro angewachsen.

Zwei Arten von Kunden

Bei der Bank Austria sind es vor allem zwei Arten von Kunden, die Bau- und Wohnfinanzierungen in Anspruch nehmen. Die einen stehen in der Mitte ihres Lebens und haben Ersparnisse, die sie aufgrund des Zinsumfeldes in Immobilien investieren. Die anderen bezeichnet Christian Noisternig, Vertriebsleiter für Privatkunden bei der Bank Austria, als die klassischen Finanzierungskunden. Das sind jene, die etwa am Beginn ihrer Ehe Wohnraum besitzen wollen.

Das Kreditvolumen bei dem Institut ist mit 180.000 Euro zwar stabil geblieben. Doch die Zuwachsraten im Neugeschäft haben sich im Vorjahr um 50 Prozent erhöht. Das Institut führt die hohen Steigerungsraten auf eine verbesserte Beratungsqualität zurück. Bei Kundengesprächen ist neben dem Bankberater auch ein Immobilienspezialist anwesend, so Noisternig.

Waren variable Zinsvereinbarungen bei Immobiliendarlehen in Österreich früher gang und gäbe, hat sich das inzwischen auch verändert.

Fix oder variabel

Bei der Erste Bank stehen Fixzinsvereinbarungen bereits an erster Stelle. Sie machen mehr als 60 Prozent des Neugeschäfts aus, so Fries. Bei dieser Kreditvariante sichert sich der Darlehensnehmer einen fest vereinbarten Zinssatz für eine bestimmte Laufzeit. Der Vorteil besteht hier in der leichteren Kalkulierbarkeit der Rate. Allerdings sind diese Kredite auf den ersten Blick etwas teurer. Verändert sich das Zinsumfeld in den kommenden 20 Jahren dramatisch, kann ein fixer Zins dann aber die bessere Wahl gewesen sein. Am Ende hängt es von der persönlichen Einschätzung der Zinslandschaft ab. Bei den Instituten üblich sind Fixzinsvereinbarungen für die Dauer von fünf, zehn oder 15 Jahren. Bei der Erste wird eine 20-jährige Variante überlegt.

Doch egal, wie lang man eine Immobilie finanzieren möchte, die Leistbarkeit der Kreditrate sollte stets im Vordergrund stehen – veränderte Lebensumstände gilt es ebenfalls zu berücksichtigen. Bei der Bawag zahlt eine 30-jährige Angestellte guter Bonität für ein Immobiliendarlehen im Volumen von 100.000 Euro einen effektiven Jahreszins von 1,9 Prozent. In diesem Zins sind sämtliche Gebühren enthalten. Die Kreditlaufzeit beträgt bei diesem variablen Beispiel 20 Jahre, die monatliche Rate macht rund 500 Euro aus. Bei einer zehnjährigen Fixzinsvereinbarung (bei gleicher Kreditlaufzeit) kommt sie auf monatlich rund 530 Euro, bei einem Effektivzinssatz von 2,4 Prozent. [ iStockphoto ]

Was Sie beachten sollten bei ... Immobiliendarlehen

Tipp 1

Gesetz. Im März trat das neue Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz in Kraft. Das Verbraucherkreditgesetz, das bisher auch bei Hypothekar- und Immobilienkrediten zur Anwendung gekommen ist, gilt in diesem Bereich nicht mehr. Die Neuregelung betrifft alle hypothekarisch besicherten Kredite und alle Kredite zum Erwerb einer Liegenschaft.

Tipp 2

Stabilität. Künftig könnte es für Private schwerer werden, in gewünschtem Umfang an Wohnbaukredite zu kommen. Um etwaigen Risken aus Immobilienpreisanstiegen besser begegnen zu können, empfiehlt das Finanzmarktstabilitätsgremium nämlich, u. a. Instrumente zur Begrenzung von Beleihquoten bei der Neuvergabe von Krediten zu schaffen.

Tipp 3

Statistik. Immobilienkredite waren in Österreich Ende 2015

so billig wie nie zuvor. Im Dezember erreichte der Zinssatz 2,01 Prozent, im März dieses Jahres fiel der Wert noch einmal, und zwar auf 1,99 Prozent. Bei knapp 65 Prozent aller Kredite, die im vergangenen Jahr an private Haushalte vergeben wurden, handelte es sich um Wohnbaudarlehen.

Tipp 4

Zinssatz. Grundsätzlich gibt es bei Immobiliendarlehen zwei verschiedene Zinsvarianten. Bei Krediten mit variablen Zinsvereinbarungen verändert sich die Kreditrate. Sie passt sich den aktuellen Marktgegebenheiten an. Bei Fixzinskrediten hingegen wird eine fester Zinssatz für einen vereinbarten Zeitraum zugrunde gelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2016)

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