Immobilien: Es gibt noch Luft nach oben

(c) Clemens Fabry
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Die Immobilienpreise in Wien haben sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Experten raten daher zur Miete statt zum Kauf.

Wien. Wer zur Jahrtausendwende 100.000 Euro in eine Eigentumswohnung in Wien gesteckt hat, dessen Investment ist mittlerweile durchschnittlich 218.000 Euro wert. Damit schlägt die Anlage in eine Wiener Wohnung selbst ohne Berücksichtigung der Mieteinnahmen jene in den ATX. Der Leitindex der Wiener Börse hat seinen Wert seit 2000 ebenfalls mehr als verdoppelt, das Investment wäre – vor Abzug der Kapitalertragssteuer – auf 205.000 Euro angewachsen.

Als Basis für die Preisentwicklung der Wiener Eigentumswohnungen dient der von der Technischen Universität berechnete und von der Oesterreichischen Nationalbank publizierte Preisindex für Wohnimmobilien. Dass er den ATX übertrifft, ist bemerkenswert, eben auch weil die Mieteinnahmen beziehungsweise die Mietersparnis für den Eigentümer, sofern er die Wohnung selbst benützt, in der Berechnung noch gar nicht berücksichtigt sind. Nicht zuletzt deshalb warnen manche Beobachter vor einer Überbewertung auf dem Wiener Immobilienmarkt und raten zur verhältnismäßig günstigen Miete statt zum Kauf. Das Internetportal ImmobilienScout24 empfiehlt ab einem Kauf-Miet-Indikator von über 20 zu mieten statt zu kaufen. Soll heißen: Dauert es mehr als 20 Jahre, bis man den Erwerb einer Immobilie mit den (hypothetischen, wenn man selbst in der Wohnung lebt) Mieteinnahmen finanziert hat, rechnet sich ein Kauf eher nicht.

In Wien dauert es aktuell 31 Jahre, bis der Kaufpreis eingenommen wird. 2010 lag der Wert noch bei 26 Jahren. Zum Vergleich: In Eisenstadt sind es 16 Jahre, in St. Pölten 19 Jahre. Und trotzdem gibt es in der Bundeshauptstadt noch Luft nach oben. Zu einem weiteren Anstieg der Wohnungspreise könnte der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU beitragen, schreibt der Immobilienberater Knight Frank in einer Analyse zur österreichischen Hauptstadt. „Die Brexit-Entscheidung könnte eine neue Welle an Kapitalzuflüssen bringen, vor allem wenn sich Wien weiterhin als brauchbare Investmentalternative zu Berlin, München und Frankfurt präsentiert.“

Mehr Reiche, höhere Preise

Wie „Die Presse“ berichtet hat, bemüht sich Wien unter anderem, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde sowie die Arzneimittel-Agentur EMA von London nach Wien zu holen. Weiters überlegen mehrere internationale Großbanken, zumindest einen Teil ihrer Europasitze aus London zu verlegen – etwa nach Frankfurt, Amsterdam, Paris, oder eben auch Wien. Nun wäre es wohl vermessen, in Wien gleich das neue London zu sehen, doch ortet Knight Frank ebenso einen überproportionalen Anstieg an sogenannten Ultra High New Worth Individuals in der Bundeshauptstadt. Dazu zählen Bewohner mit einem Vermögen von umgerechnet mehr als 30 Mio. US-Dollar. Nimmt deren Anzahl zu, gilt das als Indiz, dass auch die Immobilienpreise in einer Stadt am Steigen sind.

Es ziehen aber nicht nur Superreiche vermehrt nach Wien. Der Zuzug von Flüchtlingen sorgt ebenso für Bewegung auf dem Wohnungsmarkt, wenn auch in einem anderen Marktsegment. Die genaue Auswirkung lässt sich kaum seriös abschätzen, es könnte aber zu einer verstärkten Nachfrage nach billigen Mietwohnungen kommen, was wiederum eine Chance für Investoren darstellt, die nicht unbedingt zu den Millionären zählen.

So befindet etwa der Immobilienvermittler EHL, dass eine große Lücke zwischen Wohnungsangebot und Nachfrage klaffe und der Neubau an Wohnungen mit dem Wachstum der Bevölkerung nicht ausreichend Schritt halte. Derzeit wohnen in Wien etwa 1,8 Millionen Menschen. In weniger als zehn Jahren wird die Stadt voraussichtlich die Zwei-Millionen-Marke überschritten haben. Derzeit gibt es rund eine Million Wohnungen, wobei mehr als 100.000 offiziell als leerstehend gemeldet sind. Das heißt jedoch nicht automatisch, dass diese Zahl zur Vermietung oder zum Verkauf steht, denn sie beinhaltet auch Zweitwohnsitze.

Zu weiterem Anstieg der Nachfrage nach Wiener Wohnungen könnte es zudem kommen, wenn sich ein größerer Teil der Bevölkerung entschlösse, zu kaufen statt zu mieten. Denn auch wenn laut einer Umfrage der Meinungsforscher von GfK der Immobilienkauf mittlerweile die beliebteste Anlageform der Österreicher ist: In Wien mieten mehr als drei Viertel der Bewohner ihre Wohnung oder ihr Haus. Im Gegensatz zu Gesamtösterreich, wo mehr als die Hälfte die Immobilie, in der sie leben, auch besitzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2016)

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