Konjunktur: Großprojekte in Bulgarien auf Eis gelegt

Das neue Voest-Werk, der Verkauf des Murdoch-Senders bTV und der Bau des AKW Belene wackeln kräftig.

Sofia. Noch vor wenigen Wochen war der bulgarische Ministerpräsident Sergej Stanischev überzeugt, dass sein Land vom „Kollaps der Finanzmärkte“ nicht betroffen sei. Inzwischen dämmert Stanischev, dass sein Optimismus verfrüht gewesen sein könnte. Das Wirtschaftswachstum für 2009 wird sich deutlich auf 4,2 Prozent reduzieren, warnte der Internationale Währungsfonds (IWF). Die Arbeitslosigkeit, so befürchtet Arbeitsministerin Emilia Maslarova, werde im nächsten Jahr nicht die erhofften 5,6 Prozent betragen, sondern mit zehn Prozent gar zweistellig werden. Wirtschaftsminister Petar Dimitrov meldet einen beträchtlich schwächeren Zufluss ausländischer Direktinvestitionen; sie beliefen sich während der ersten acht Monate dieses Jahres auf 2,98 Mrd. Euro, gut 1,17 Mrd. weniger als im Vorjahreszeitraum.

Als vom Investitionsrückgang besonders betroffen gelten Marktbeobachtern zufolge Branchen wie Immobilien, Bau und Finanzwirtschaft, die die gute Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre maßgeblich getragen haben.

Geplante Großprojekte und Geschäftsabschlüsse werden infrage gestellt oder auf Eis gelegt. Noch Anfang September hatte die bulgarische Regierung 150.000 Euro für eine internationale Unternehmensberatung bewilligt, die helfen sollte, ein vom österreichischen Stahlkonzern Voestalpine am Schwarzen Meer geplantes Stahlwerk nach Bulgarien zu holen. Die Linzer haben ihre für Dezember geplante Entscheidung über die fünf Mrd. Euro teure Investition inzwischen auf das nächste Jahr verschoben. Ob hinter dem angekündigten Rückzug von Konstantin Schewagos ukrainischem Unternehmen Vorskla Steel vom Kaufinteresse an Bulgariens größtem Stahlwerk Kremikovtzi Unzufriedenheit mit dem Verlauf bisheriger Verhandlungen, oder aber ebenfalls die veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen stehen, ist unklar.

„Bausektor droht Bankrott“

Zweifelsfrei dagegen ist, dass Rupert Murdochs News Corporation den zum Jahresende geplanten Verkauf des führenden privaten Fernsehsenders bTV wegen der Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten vorerst auf Eis gelegt hat. Inzwischen bezweifeln Skeptiker auch, dass Bulgarien angesichts der veränderten Finanzmärkte die notwendigen Gelder zur Realisierung des geplanten AKW Belene beschaffen kann. Dass die internationale Finanzkrise auch für die Verschiebung des Baustarts der Ölpipeline Burgas – Alexandroupolis um ein Jahr schuld sei, bestreitet Bulgariens Regionalentwicklungsminister Assen Gagausov vehement.

„Die Weltfinanzkrise ist nicht länger eine potenzielle Bedrohung für Bulgariens Wirtschaft, sondern eine gegenwärtige und klare Gefahr“, ist sich Boschidar Danev, der Vorsitzende der Bulgarischen Industriellen Assoziation (BIA), gewiss. Im Rundfunk warnte er: „Ich erwarte einen Anstieg der Arbeitslosenrate, denn aufgrund der Weltkrise wird ein Teil des Bausektors bankrottgehen. Dies wird negative Konsequenzen für die Metallwirtschaft, die Zementproduktion und die chemische Industrie mit sich bringen. Das Resultat wird sicherlich eine Verlangsamung der Entwicklung der nationalen Volkswirtschaft sein.“ Weder die bulgarischen Banken noch die Regierung hätten bisher adäquate Antworten auf die Krise gefunden, kritisiert er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2008)

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