Die Neumann-Personalberater gründeten 1989 die erste Tochter einer westlichen Firma im Ostblock.
Wien. Erst kam die große Politik, dann kamen die großen Konzerne: So lautet die offizielle Historie zur Wende in Osteuropa vor 20 Jahren. Stimmt aber nicht ganz. Denn noch bevor Alois Mock die Beißzange in den ungarischen Stacheldraht steckte, schaffte es schon eine gar nicht so große Personalberatung aus Wien, ihr eigenes Fähnchen im „Ostblock“ aufzustellen.
Im Frühling 1989, einige Monate vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, gründeten die Headhunter von Neumann in Budapest die erste hundertprozentige Tochter eines westlichen Unternehmens im „Ostblock“. Davor gab es nur einige staatlich genehmigte Joint Ventures, und das auch nur in Ungarn, wo es die „Gulaschkommunisten“ mit der reinen Lehre nicht ganz so genau nahmen.
Fast am Stempel gescheitert
Ein solches Joint Venture wollten auch Helmut Neumann und Hans Jorda gründen, als sie ihre Fühler zaghaft nach Ungarn ausstreckten. Schon war ein Partner für ein Joint Venture auserkoren, als Jorda in einem Investorenseminar Ende 1988 von einem Ministerialbeamten hörte, man könne künftig auch Volltöchter gründen. Eine exklusive Information, die auch seine ungarischen Anwälte partout nicht glauben wollten.
Verunsichert eilte Jorda ins Handelsministerium, wo ihm der Beamte Mut machte: „Wozu wollen Sie ein Joint Venture gründen? Das ist doch Unsinn, in Ungarn versteht niemand etwas von Personalberatung. Machen Sie es selber, ich genehmige das, vertrauen Sie mir.“ Doch fast wäre der historische Deal an einem Stempel gescheitert.
Als zahllose Formulare ausgefüllt und Anträge genehmigt waren, entdeckte die Dame vom Amt in Bergen von Papier das eine, fatalerweise leere Stempelfeld. „Da bin ich fast verzweifelt“, erinnert sich Jorda, „aber mein ungarischer Begleiter Tamas Toth nahm das nicht so ernst“. Der designierte Geschäftsführer von Neumann Ungarn eilte in das nächste Bürofachgeschäft und holte einen x-beliebigen Stempel. Die Bearbeiterin war damit hoch zufrieden, ein kleines Stück Wirtschaftsgeschichte geschrieben.
China ist das neue Osteuropa
Anfangs hatte Neumann komfortable 100 Prozent Marktanteil. „Wir mussten in Inseraten erklären, was Personalberatung überhaupt ist“, erzählt Jorda. Dennoch rief nach den ersten Stellenausschreibungen, anders als damals in Österreich, niemand an. Erst eine Woche später trudelten postalische Bewerbungen ein – denn den Bewerbern saß noch die alte Angst in den Knochen, am Telefon abgehört zu werden. Kurz darauf gründete Neumann Töchter in Tschechien, Polen, Russland und Rumänien.
1993 verließ Jorda das Unternehmen, 1996 auch der Gründer Neumann. 2002 wurde es fast ein Opfer der geplatzten Internetblase und stand, trotz des weiter florierenden Ostgeschäfts, knapp vor der Insolvenz. Ein Venture-Capital-Fonds fing es auf. Die Pioniere Neumann und Jorda aber wagten als Neumann Partners einen Neustart, der sich als erfolgreich erwies. Die besten Geschäfte machen sie auch heute in schnell wachsenden Märkten, vor allem in China.
Bei diesem neuen „Krieg um Talente“ nutzt Jorda seine Erfahrungen aus CEE: „In solchen Märkten sucht man Führungskräfte ganz anders als bei uns.“ Man brauche die richtigen Leute vor Ort, auch Einheimische, die Referenzen einholen und Lebensläufe interpretieren: „So übersetzen wir zwischen Ideologien und Kulturen, und das können Österreicher besser als Amerikaner oder Deutsche. Wir haben mehr Feingefühl, um kulturelle Schwingungen zu erkennen und darauf richtig zu reagieren.“
Noch etwas verbinde China mit dem Osteuropa vor 20 Jahren: „Es ist die gleiche geile Aufbruchsstimmung. Nur geht in China alles zehnmal schneller. Das ist zugleich atemberaubend und angsteinflößend.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2009)