Ukraine: Wenn Banker von Zöpfen schwärmen

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In Davos präsentierten beide Präsidentschaftskandidaten ihre Wirtschaftspläne. Die Programme der beiden Kandidaten ähneln sich, die am 7. Februar in einer Stichwahl um das ukrainische Präsidentenamt ringen.

Davos. Der ukrainische Präsidentschaftswahlkampf reicht bis nach Davos. Im Schweizer Nobelskiort versuchten Regierungschefin Julia Timoschenko und Oppositionsführer Viktor Janukowitsch, internationale Geschäftsleute von ihren Wirtschaftsprogrammen zu überzeugen.

Besonders der als prorussisch eingestufte Janukowitsch traf bei den vielen Bankern, die Freitagmittag der Einladung des ukrainischen Industriemagnaten Viktor Pinchuk gefolgt waren, auf Skepsis. „Mit welchen Mitteln will er Investoren in sein Land bringen?“, fragte sich nicht nur Peter Tils, Leiter der Osteuropageschäfte der Deutschen Bank.

Janukowitsch hatte eine starke Gegnerin. Im Gegensatz zu dem immer etwas hölzern wirkenden Zwei-Meter-Mann hatte Julia Timoschenko bei der internationalen Community leichtes Spiel. „Wie heißt sie mit vollem Namen und wie alt ist sie?“, fragten die amerikanischen Bankmanager Richard Brown und Peter Eysenberger sichtlich neugierig, als die ukrainische Regierungschefin ihr Wirtschaftsprogramm via Video-Botschaft verbreitete.

Monopole aufbrechen

Mit einem schwarzen, mit einer Brillantbrosche verzierten Designerkleid hatte Timoschenko einen Dresscode gewählt, der an Margaret Thatcher erinnerte. „Ich will Europa in der Ukraine aufbauen. Das geht nur mit der Unterstützung ausländischer, westlicher Investoren“ – so ging die 49-Jährige in die Offensive und bat um die aktive Mithilfe der Banken und Großkonzerne, die sich Jahr für Jahr in Davos treffen. Aber auch der Mittelstand müsse in dem Land, das bis heute von monopolistischen Großkonzernen dominiert wird, aufgebaut werden.

„Mein Land hat wichtige Reformen für kleinere Unternehmen bis heute nicht umgesetzt, weil wir keine Erfahrungen mit europäischen Strukturen haben“, sagte Timoschenko, die sich auch durch mehrere Unterbrechungen der Liveschaltung nicht aus der Ruhe bringen ließ. „Sie wirkt extrem eloquent“, lobte Unternehmensberater Roland Berger den Auftritt der Ministerpräsidentin und ließ sich zugleich das ukrainische Mittagessen schmecken.

Tatsächlich ähneln sich die Programme der beiden Kandidaten, die am 7. Februar in einer Stichwahl um das ukrainische Präsidentenamt ringen. Das Land steht seit Anfang der Wirtschaftskrise vor dem Bankrott. Wichtige Sektoren wie die Energie- und Chemieindustrie müssen dringend saniert werden. Janukowitsch sprach sich klar für die Schaffung eines Konsortiums aus, bestehend aus der EU, Russland und der Ukraine.

Es soll das Gastransportsystem des Landes renovieren. 80 Prozent des in Europa verbrauchten Gases laufen durch das marode ukrainische Pipelinenetz.

Banken verstaatlichen

Janukowitsch und Timoschenko sind auf die Stimmen des dritt- und des viertplatzierten Kandidaten angewiesen. Sowohl der sehr vermögende Bankier Sergej Tigipko als auch der erst 35 Jahre junge Arsenij Jazeniuk haben sich der Wirtschaftselite in Davos persönlich vorgestellt.

Tigipko sagte zur „Presse“: „Ich werde mich von nun an aktiv in die Politik einmischen. Vor allem bei der Umsetzung der Wirtschaftsreformen haben wir zu viel Zeit verloren.“ Das Wirtschaftssystem solle stärker dereguliert werden. Zugleich will er aber, dass die von der Regierung Timoschenko gestartete Verstaatlichung der Banken fortgesetzt wird: „Nur so bekommen wir kurzfristig die Stabilität, die unsere Wirtschaft braucht.“ Tigipko gab an, er wolle mit jenem Kandidaten zusammenarbeiten, „der den größeren Pragmatismus an den Tag legt“.

Timoschenko rief Jazeniuk und Tigipko dazu auf, mit ihr gemeinsam ein Team zu bilden, um die nötigen Reformen umzusetzen. Der so umworbene Jazeniuk zierte sich und sagte, er wolle lieber noch fünf weitere Jahre warten und in Ruhe eine Partei aufbauen, die Demokratie und Meinungsfreiheit auch tatsächlich praktiziere.

Zwei Stunden später und um die Erfahrung eines „ukrainischen Lunchs“ mit Bortsch-Suppe, Schweinsfilet und Wodka reicher stellten sich Richard Brown und Peter Eysenberger die Frage, wieso es in ganz Amerika keine solchen Politikerinnen wie Timoschenko gebe. „Politische Debatten sind oft so knochentrocken, aber ihr zuzuhören ist ein Vergnügen. Und sie sieht einfach toll aus“, schwärmte Brown, der bei Merrill Lynch in New York arbeitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2010)

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