Ungarn führt „falsche“ Flat Tax ein

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Ungarn fuehrt bdquofalscheldquo Flat(c) EPA (BENOIT DOPPAGNE)
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Die ungarische Regierung besteht auf der Einführung einer Einheitssteuer am 1.Jänner 2011. Experten meinen aber, dass sie selbst mit „Tricks“ so schnell gar nicht kommen kann.

Wien. Wunsch und Wirklichkeit klaffen im krisengeschüttelten Ungarn weit auseinander. Zumindest, wenn es um die Wünsche der Durchschnittsverbraucher geht. Jene von Ministerpräsident Viktor Orbán werden dank der Zweidrittelmehrheit seiner Regierung Wirklichkeit, und seien sie noch so unrealistisch.

Ungarn bekommt eine Flat Tax, so will es der Wahlsieger. Mit 1.Jänner wird die Einkommensteuer 16Prozent betragen, um einen Prozentpunkt weniger als in der Slowakei. „Wir haben versprochen, Mitteleuropas einfachstes, arbeits- und familienfreundlichstes Steuersystem zu erschaffen“, sagte Orbán diese Woche in zwei Interviews. Und wiederholte das an allen Stammtischen wohlwollend aufgenommene Sprachbild, wonach die Steuererklärung auf einem Bierdeckel Platz finden werde.

Damit bestätigte der Premier zwar seinen Wirtschaftsminister György Matolcsy, der tags zuvor versichert hatte, die Flat Tax werde in einem Schritt vollzogen. Aber beide widersprachen dem Steuer-Staatssekretär in Matolcsys Ressort, András Kármán. Dieser hatte mehrmals erklärt, dass die „nackte“ Flat Tax erst 2013 realisiert werden könne.

Verwirrung um neue Steuer

An diesem Punkt beginnen sich Wunsch und Wirklichkeit zu vermischen. Die Medien tragen dazu ausgiebig bei, indem sie die unterschiedlichsten Informationen und Gerüchte kolportieren. Die sozialistische Zeitung „Népszava“, einst Sprachrohr der Gewerkschaften, meint, es werde neben dem 16-prozentigen auch einen 25-prozentigen Steuersatz geben.

Daneben würden Kleinabgaben beibehalten und die Familienbeihilfe nicht angehoben. Das ebenfalls oppositionelle Blatt „Népszabadság“ glaubt an die Flat Tax, wobei aber die Abschreibposten nur stufenweise in drei Jahren abgeschafft würden.

Die regierungsfreundliche „Magyar Nemzet“ hingegen will erfahren haben, dass die Berechnungsbasis der Einkommensteuer, die sogenannte „Super-Bruttoisierung“, beibehalten werde, um die Flat Tax einführen zu können.

Die Super-Bruttoisierung ist ein Erbe, das die bürgerliche Regierung von der sozialistischen Vorgängerin übernommen hat. Unter Ministerpräsident Gordon Bajnai waren nämlich die beiden Steuersätze von 18 auf 17 bzw. von 36 auf 32Prozent gesenkt worden – aber sie wurden von einem Betrag berechnet, der sich aus dem Bruttoeinkommen plus der Arbeitgeberabgabe zusammensetzte. Und so zahlten die Ungarn bis fünf Millionen Forint (etwa 18.000 Euro) jährlich genau gerechnet 20,9 Prozent, für Beträge darüber 40,6 Prozent Steuer.

Dass die Regierung sich weiter dieses Tricks bedienen wird, darüber sind sich zahlreiche Experten einig. Beáta Horváth Szabó, Partnerin beim Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers, und Sándor Hegedüs bei der Steuerberatungsfirma RSM DTM Hungary meinen, dass eine stufenweise Reduktion der „Super-Bruttoisierung“ vorstellbar wäre, von gegenwärtig 127 im nächsten Jahr auf 120 und 2012 auf 110 Prozent des Einkommens. Die „echte“ Flat Tax vom Bruttoeinkommen könne dann 2013 kommen.

Orbáns Wunsch und Ungarns Wirklichkeit

Aber auch nur, wenn zuvor die Abschreibposten stufenweise abgeschafft werden, meint Péter Heim, Chef des der Regierung nahestehenden Wirtschaftsforschungsinstituts Századvég (Fin de Siècle). Und verweist auf die Realität: Wenn die Regierung Steuersenkungen in der Größenordnung von 200 Milliarden Forint realisieren und die EU-Vorgabe eines Budgetdefizits von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes einhalten wolle, müsse sie nächstes Jahr um 300 bis 350 Mrd. Forint mehr einnehmen oder weniger ausgeben. Zusätzlich zur Bankensteuer, deren erste Rate gestern, Donnerstag, fällig wurde.

Das ist die Wirklichkeit im heutigen Ungarn: Ohne Belastungen wird es nicht abgehen, auch wenn sie Viktor Orbán „nicht wünscht“.

AUF EINEN BLICK

Mit erstem Jänner kommenden Jahres will die ungarische Regierung eine Flat Tax von 16Prozent einführen.

Experten halten das für unrealistisch. Zuvor müssten nämlich noch alte „Steuertricks“ stufenweise abgeschafft werden. Erst 2013 könne eine „echte“ Flat Tax in Ungarn eingeführt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2010)

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