Liebe am Arbeitsplatz: Vom Schreibtisch zum Standesamt

Kollegen, Partner, Ehegatten. Für viele Menschen ist der Arbeitsplatz der Ort, an dem sie auch ihr privates Glück finden. Anders als in den USA sieht man das in Europa auch entspannt.
Kollegen, Partner, Ehegatten. Für viele Menschen ist der Arbeitsplatz der Ort, an dem sie auch ihr privates Glück finden. Anders als in den USA sieht man das in Europa auch entspannt.AFP
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Während in den USA das Thema streng reglementiert wird, sieht man hierzulande Beziehungen im Büro entspannt. Dennoch gibt es Punkte, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer beachten sollten.

Ein Drittel des Tages. So viel Zeit verbringt ein Vollzeitarbeitender normalerweise an seiner Arbeitsstätte. Da knapp ein weiteres Drittel verschlafen wird und das dritte – eigentliche Freizeitdrittel – von Wegzeiten und diversen notwendigen Erledigungen angeknabbert wird, bleibt unter der Woche neben der Arbeit eigentlich kaum Zeit für andere relevante Aktivitäten.

Kein Wunder also, dass der Arbeitsplatz für Singles eine immer größere Rolle spielt, wenn es darum geht, einen Partner oder eine Partnerin zu finden. Vor rund zehn Jahren ergab eine Studie des deutschen Marktforschungsinstituts Ifak noch, dass etwa jeder Zehnte sich am Arbeitsplatz verliebt hat. Im Vorjahr wies eine Erhebung des Dating-Portals Parship bereits aus, dass mehr als 30 Prozent der Beziehungen im Büro begründet würden.

Natürlich sind diese Zahlen allesamt mit einer gewissen Ungenauigkeit bemessen. Dass die strikte Trennung zwischen Privatleben und Beruf gerade bei jüngeren Generationen zunehmend verschwimmt, ist aber aus vielen Untersuchungen herauszulesen. Und es gibt auch eine ganze Reihe an prominenten Paaren, die sich im Büro kennengelernt haben: etwa Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Frau, Melinda, oder der scheidende US-Präsident, Barack Obama, und seine Frau, Michelle.

Doch was bedeutet die Liebe am Arbeitsplatz eigentlich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Die weltweiten Zugänge unterscheiden sich hierbei deutlich. Während etwa in Japan Firmen mitunter sogar aktiv versuchen, ihre Mitarbeiter zu verkuppeln, um so eine höhere Firmentreue von beiden Angestellten zu erhalten, stehen Unternehmen in den USA – nicht zuletzt aufgrund der strengen Judikatur hinsichtlich sexueller Belästigung – Beziehungen am Arbeitsplatz sehr ablehnend gegenüber. Die US-Supermarktkette Walmart gab vor einigen Jahren deshalb sogar weltweite Leitlinien heraus, aus denen hervorging, dass Beziehungen zwischen Mitarbeitern nicht erwünscht seien. So hieß es darin konkret: „Sie dürfen nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung treten, wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können.“ Deutsche Walmart-Mitarbeiter wollten sich damit aber nicht abfinden und haben Klage eingereicht. Und ein Gericht in Düsseldorf kam schlussendlich zu dem Urteil, dass die Leitlinien ungültig seien und sich das Unternehmen nicht in das Liebesleben seiner Mitarbeiter einmischen dürfe.

Eine rechtliche Situation, die auch in Österreich zutreffe, sagt Thomas Angermair, Arbeitsrechtsexperte bei Dorda Brugger Jordis. Liebe am Arbeitsplatz sei eigentlich „ein rechtsfreier Raum.“ Insofern würden nur die „allgemeinen Nebenpflichten“ von Arbeitnehmer und -geber schlagend. Also die Treuepflicht der Mitarbeiter und die Fürsorgepflicht der Firma. Konkreter Einfluss auf die Partnerwahl sei daher nicht möglich. Wenn jedoch durch die Beziehung am Arbeitsplatz die Arbeit vernachlässigt wird oder ein bestehendes Kontrollsystem (Vier-Augen-Prinzip) ausgehebelt werden könnte, dann dürfe das Unternehmen schon darauf reagieren.

So sieht man das beispielsweise auch bei der heimischen Raiffeisen Bank International. „Wir haben keine speziellen Regelungen, die Beziehungen am Arbeitsplatz verbieten. Es gibt aber gewisse Konstellationen, die es nicht geben darf“, sagt RBI-Personalchef Rudolf Vogl. So sei eine Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiterin oder umgekehrt ein No-go. „Wenn das passiert, muss man andere berufliche Lösungen finden. Das ist in einem größeren Unternehmen aber glücklicherweise nicht so ein großes Problem.“ Ebenfalls müsse es Änderungen geben, wenn ein Partner der Kundenbetreuer und der andere in der parallel geschalteten Risikoabteilung tätig ist. „Compliance ist bei einer Bank sehr wichtig. Im Zweifel machen wir da lieber eine berufliche Änderung“, so Vogl.


Geheimnis. Aber auch wenn keine schwerwiegenden Gründe gegen eine Beziehung sprechen, sollten die beiden zum Liebespaar gewordenen Kollegen auf einige Punkte aufpassen, sagt Elisabeth Leyser vom Personalberater Hill International. So sollten die beiden sich selbst bewusst machen, dass sie eventuell andere ausschließen und ein eigenes Subsystem im Team bilden. Dies kann natürlich zu Unfrieden bei den anderen Kollegen führen. „Auch der Umgang mit vertraulichen Informationen ist ein Thema, wenn die beiden in unterschiedlichen Abteilungen arbeiten“, so Leyser. Und nicht zuletzt müssten Mitarbeiter auf ihre eigene Work-Life-Balance achten. Privatleben und Arbeit ständig zu vermischen kann zwar die Produktivität erhöhen, aber auch zur Selbstausbeutung führen. „Gute Führungskräfte sollten so etwas aber steuern können“, so Leyser.

Doch wie erfährt der Vorgesetzte oder das Unternehmen eigentlich davon, ob zwei Mitarbeiter eine Beziehung haben? Bei RBI gibt es den Wunsch an die Mitarbeiter, Beziehungen bekannt zu geben. „Wir hatten schon Fälle, bei denen die Mitarbeiter selbst gekommen sind und gesagt haben, dass die berufliche Konstellation aus Compliance-Gründen so nicht bleiben kann“, sagt Vogl. Eine rechtliche Verpflichtung gebe es dazu allerdings nicht, so Arbeitsrechtsexperte Angermair. „Allerdings kann das Unternehmen durch das Nichtmelden einer beruflich problematischen Konstellation jedoch durchaus einen gewissen Vertrauensverlust sehen.“ Je höher die betroffenen Mitarbeiter in der Hierarchie sind, desto gravierender fällt dieser aus.

Keine Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern darf es auch bei der AUA geben. Hier müsste ebenfalls einer die Abteilung wechseln, so AUA-Sprecher Peter Thier. Anders sieht das aber aus, wenn eine Beziehung keine negativen Auswirkungen auf die Arbeit haben kann – etwa bei einem Piloten und einer Flugbegleiterin. Diese Konstellation, die ja als abgedroschenes Klischee gilt, kommt auch in der Realität immer wieder vor. Und die AUA zeigt sich hierbei durchaus aufgeschlossen, den Verliebten keine Steine in den Weg zu legen. So können die Mitarbeiter bei der Crewplanung sich ausdrücklich wünschen, gemeinsam zu fliegen – und dann am Zielort auch die Ruhezeit miteinander zu verbringen.

„Junge Pärchen wünschen sich häufig, gemeinsam unterwegs zu sein“, sagt Thier. Das muss sich zwar nicht immer ausgehen, die Fluglinie versucht allerdings, darauf Rücksicht zu nehmen. Bei etwas älteren Paaren ändert sich dies dann oft. Allerdings nicht, weil sich die beiden plötzlich nicht mehr verstehen, sondern, weil es inzwischen Betreuungspflichten für Kinder gibt. In diesem Fall gebe es dann auch ein Anrecht darauf, dass Vater und Mutter nicht gleichzeitig in der Luft unterwegs sind, so Thier.


Karriere. Liebe am Arbeitsplatz ist hierzulande also durchaus etwas Normales und hat in der Regel auch kaum negative Auswirkungen auf die Karriere. Das sehen laut einer Umfrage des Jobportals Monster auch 51 Prozent aller Österreicher so und sind bei dem Thema daher auch wesentlich entspannter, als man es in anderen Ländern ist: Weltweit liegt dieser Wert nur bei 27 Prozent. Dennoch kann es hierzulande Konstellationen geben, die durchaus zu einem Karriereknick führen. Etwa, wenn ein Partner in eine so hohe Führungsposition kommt, dass der andere auch durch einen internen Jobwechsel kein Compliance-Problem mehr vermeiden kann. Bekanntes Beispiel dafür ist der heimische Bundeskanzler Christian Kern. Er und seine Frau, Eveline Steinberger-Kern, lernten sich in ihrer gemeinsamen Zeit beim Verbund kennen. Als er Vorstand wurde, verließ die aufstrebende Managerin den Stromkonzern, um Probleme zu vermeiden.

Ebenfalls für die Karriere nicht gerade förderlich ist es, wenn eine Beziehung nicht hält und es zu einem Rosenkrieg am Arbeitsplatz kommt. „Nach dem Scheitern einer Beziehung ist Reife der Personen gefordert. Störungen im persönlichen Verhältnis dürfen sich auf keinen Fall auf das Unternehmen auswirken“, sagt RBI-Personalchef Vogl. Dies sei zwar in der Regel noch kein Entlassungsgrund. Da in Österreich Kündigungen aber nicht begründet werden müssen, könnte dies die letzte Konsequenz sein, wenn Kollegen und Arbeitgeber von den Streitereien dauerhaft gestört werden, so Angermair.

Grundsätzlich ist es aber auch im Job natürlich ein Vorteil, wenn die Menschen ihr privates Glück gefunden haben – auch außerhalb des Arbeitsplatzes. Das zeigt eine Studie von Ökonomen der University of New York. Demnach steigen bei Männern in den ersten Jahren ihrer Ehe die Produktivität und auch ihr Einkommen. Der Grund: Sie trinken seltener Alkohol, machen mehr Sport und sind seltener als Unverheiratete in Schlägereien verwickelt.

Büroliebe

Die Österreichergehen mit der Liebe am Arbeitsplatz viel entspannter um als andere Völker. Mehr als die Hälfte halten es einer Studie zufolge für vollkommen normal, sich im Büro zu verlieben. Weltweit liegt dieser Wert nur bei 27 Prozent.

Grundsätzlich ist es für die Berufsausübung förderlich, sein privates Glück gefunden zu haben. So hat eine Studie der University of New York herausgefunden, dass die Produktivität und das Einkommen von Männern in den ersten Ehejahren steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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