Die programmierte Rückkehr der Cobol-Veteranen

IBM engineers work with a System 360 mainframe computer using business programs written in an early version of the COBOL language in this undated handout photo
IBM engineers work with a System 360 mainframe computer using business programs written in an early version of the COBOL language in this undated handout photoREUTERS
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Experten für die uralte Programmiersprache werden dringend gesucht. Stundenlöhne von mehr als 100 Dollar sind keine Seltenheit. Davon profitieren viele ältere Programmierer.

Was ist Cobol, werden sich jetzt viele, vor allem der jüngeren Generationen, fragen. Cobol ist eine Programmiersprache, die Ende der 1950er-Jahre entstand. Obwohl es längst modernere Sprachen gibt, ist die Programmiersprache aus großen Banken, Konzernen und Teilen der US-Regierung nicht wegzudenken. Denn die leistungsfähigen Computersysteme der Firmen und Behörden wurden oft in den 70er- oder 80er-Jahren aufgebaut und nie ganz ersetzt.

Das ist auch der Grund, warum Bill Hinshaw seinen Ruhestand etwas anders als der Durchschnittspensionist verbringt. Der 75-jährige Großvater von insgesamt 32 Enkeln und Urenkeln kann das Arbeiten nicht lassen. Er hilft amerikanischen Unternehmen dabei, ihre Computersysteme am Laufen zu halten. Sein Alter ist dabei sogar ein Vorteil. Hinshaw erlernte das Programmieren in den 60er-Jahren, als ein Computer so groß wie ein Zimmer war und mit Lochkarten arbeitete. Der Unternehmer gehört zur immer kleiner werdenden Zahl von Experten für die Programmiersprache Cobol.

Systemumstellung riskant

Vor allem für die Finanzbranche hat die Uralt-Programmiersprache eine große Bedeutung. Täglich werden Transaktionen mit einem Volumen von schätzungsweise drei Billionen Dollar über Cobol-Systeme abgewickelt. Dabei geht es um Girokonten, Kartennetze, Geldautomaten und die Abwicklung von Immobilienkrediten. Weil die Banken aggressiv auf eine Digitalisierung ihres Geschäftes setzen, wird Cobol sogar noch wichtiger. Denn Apps für Smartphones etwa sind in modernen Sprachen geschrieben, müssen aber mit den alten Systemen harmonieren.

Im Jahr 2013 gründete Hinshaw schließlich eine neue Firma, die Kontakte zwischen Konzernen und Experten vermittelt. Erfahrene Cobol-Programmierer können mehr als 100 Dollar in der Stunde verdienen, wenn sie Fehler beseitigen, Handbücher neu schreiben oder dafür sorgen, dass die alten Systeme mit den neuen zusammenarbeiten.

Für Konzerne ist das allemal billiger, als die alten Systeme ganz aufzugeben - was ohnehin riskant wäre. Der frühere Barclays-Chef Antony Jenkins sagt, für Geldinstitute gehe es nicht nur darum, dass es immer weniger Spezialisten gebe. Die heutigen Großkonzerne sind oft das Ergebnis etlicher Firmenfusionen. "Es ist unheimlich komplex", sagt Jenkins, der heute neue IT-Systeme an Banken verkauft. "Die alten Systeme der verschiedenen Generationen haben mehrere Ebenen und sind oft stark miteinander verwoben." An eine Systemumstellung denken manche Bankmanager deswegen nur mit Grauen. Ihr Alptraum ist, dass dabei ein Fehler unterläuft und Millionen Kundendaten verschwinden. Zugleich wissen die Verantwortlichen, dass sie nicht ewig auf eine Expertengeneration setzen kann, die irgendwann ausgestorben ist.

Kaum Dokumentationen

IBM - ein Pionier im Bereich der Mainframe-Computer - sieht die Zukunft weniger schwarz. Der US-Konzern bildet junge IT-Spezialisten in Cobol aus und hat nach eigenen Angaben innerhalb von zwölf Jahren mehr als 180.000 Entwickler geschult. "Nur weil eine Sprache 50 Jahre alt ist, heißt das nicht, dass sie schlecht ist", sagt Mitarbeiterin Donna Dillenberger. Cobol-Veteranen wie Hinshaw argumentieren jedoch, dass es nicht reiche, die Sprache zu beherrschen. Einzelne Systeme sind sehr unterschiedlich, und die Programmierer hinterließen in den Frühtagen nur selten Handbücher. Das erschwert heute die Fehlerbehebung.

In den USA beginnen Banken nur langsam damit, Systeme komplett auf modernere Sprachen umzustellen. Dabei können sie von Erfahrungen im Ausland lernen. So löste die Commonwealth Bank of Australia ihr zentrales System 2012 mit Hilfe der Unternehmensberatung Accenture und dem Softwarekonzern SAP ab. Letztlich dauerte die Umstellung fünf Jahre und kostete mehr als 1 Mrd. australische Dollar (712,91 Mio. Euro). Einen ähnlichen Schritt hat die schwedische Bank Nordea bis 2020 vor sich.

Bis es für andere Institute soweit ist, müssen sie frühere Angestellte reaktivieren - obwohl deren Wissen einst als überflüssig eingeschätzt wurde. So berichtet ein Cobol-Programmierer, er sei 2012 entlassen worden. Stattdessen sollten jüngere und billigere Angestellte mit einer Ausbildung in neueren Sprachen seinen Job übernehmen. Zwei Jahre später kam er als Freiberufler in dieselbe Firma zurück, weil die Manager auf unerwartete Probleme gestoßen waren. "Die Rückbeorderung in die Bank war für mich wie eine Ehrenrettung", sagt der Experte.

(APA/Reuters)

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