Die Angst des Winzers vor dem Joint

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Kaliforniens Weinbauern mögen kein Marihuana. Das ist keine Frage des Geschmacks, sondern des Überlebens.

Eine rein hypothetische Frage: Wenn Sie sich entscheiden müssten, ob Sie zur Entspannung auf völlig legalem Weg ein Glas Pinot noir oder einen Joint kaufen, was würden Sie wählen?

Unter kalifornischen Weinbauern geht die Angst um, ihre Kundschaft könnte sich bald für Zweiteres entscheiden. Nicht bloß hypothetisch. Per 1. Jänner 2018 wird Cannabis im Sunshine State zum legalen Genussmittel erklärt. Die Industrie sieht ihre Stunde gekommen. Allein die Kalifornier sollen 2020 Marihuana im Wert von 5,9 Mrd. Euro konsumieren.

Das klingt nach einem lukrativen Geschäft. Nur hat Kalifornien bereits seit Jahrzehnten seine Milliardenindustrie. Die 4000 Weingüter, die auf dem US-Markt jährlich Chardonnay und Pinot im Wert von 29 Mrd. Euro verkaufen, schwanken zwischen Panik, Ablehnung und zaghaften Kooperationsplänen. Preisfrage: Will der alteingesessene Bauer Felder, Kunden, Wasser und Arbeitskräfte mit dem leicht zwielichtigen, eben aus der Illegalität getretenen Nachbarn teilen? Die Antwort gibt ein Fall im Bundesstaat Oregon, wo man mit der Legalisierung weiter ist. Dort wurde ein Cannabisbetrieb so lang von den angrenzenden Winzern geklagt, bis er seine Expansionspläne aufgab. Sie sagten, der Geruch seiner Pflanzen verderbe ihre Rebstöcke.

Beweisen konnte das bisher niemand. Aber es ist abzusehen, dass sich auch die renommierten Weingüter im kalifornischen Napa Valley mit allen Mitteln gegen den blühenden Markt wehren werden – vor allem, weil sie selbst nicht mitmischen können. Für Weinanbau braucht es in den USA eine Bundeslizenz. Cannabis ist auf Bundesebene aber nach wie vor als Droge verboten. Würde der Bauer also optimal wirtschaften wollen und Hanfpflanzen zwischen seine Reben pflanzen, könnte ihm der gesamte Betrieb zugedreht werden.

Damit liegt der Angst der Winzer vor dem Weed eine harte wirtschaftliche Realität zugrunde: Hier kämpft eine Industrie gegen die Verdrängung durch eine andere. Cannabisfarmen zahlen deutlich bessere Gehälter. Es ist nicht schwierig zu erraten, wohin der mexikanische Saisonarbeiter geht, der unter dem strengen Auge der Trump-Regierung sowieso seltener den Grenzübertritt wagt. Das Entweder-oder-Spiel lässt sich fortsetzen: Lotsen Guides die Touristenbusse bald in Weed- statt Weingüter? Werden kalifornische Hügel zukünftig weitläufig von Hanfblüten gesäumt, weil diese auf derselben Fläche den besseren Ertrag bringen?

Am Donnerstag fand im nordkalifornischen Santa Rosa das weltweit erste Wine & Weed Symposium statt – Gastgeber waren die Winzer, die auch drei Viertel der Teilnehmer auf dem ausverkauften Event stellten. Es ist immer gut, seinen Feind zu kennen. Zu viel Nähe wollte man dann aber nicht erzeugen. Die Einladung öffnete mit dem Hinweis: „Das ist ein cannabisfreies Event.“

E-Mails an: antonia.loeffler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2017)

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