Der Mann, der den russischen Geheimdienst zur Weißglut brachte

Pavel Durow hat Russland 2014 den Rücken gekehrt.
Pavel Durow hat Russland 2014 den Rücken gekehrt. Reuters
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Pavel Durow gilt als „russischer Mark Zuckerberg“. Weil er sich mit dem Geheimdienst angelegt hatte, wurde sein Messenger-Dienst Telegram für 200 Millionen User blockiert. Wer ist der geheimnisvolle 33-Jährige?

Unter den Aussagen, die von Pavel Durow in der Welt kursieren, sticht eine nicht nur besonders heraus. Sie hat durch ihre folgenschwere Umsetzung auch Aktualität erlangt. „Wenn Sie das Gefühl haben, Sie müssen etwas tun, dann ignorieren Sie die Meinung von Autoritäten“, sagte der heute 33-Jährige einmal. Gelebt hat er es konsequent. Am Ende hat er sogar die Forderung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, im Interesse der Terrorismusbekämpfung Zugang zu verschlüsselten Nachrichten seines Messengerdienstes Telegram zu gewähren, ignoriert und mit Verweis auf den Schutz der Privatsphäre der Nutzer zurückgewiesen. Am Montag schließlich drehten ihm die russischen Behörden den Dienst ab.

Damit setzten sie die Entscheidung, die ein Moskauer Gericht in der Vorwoche binnen 20 Minuten getroffen hatte, um. Die weltweit 200 Millionen Nutzer müssen fortan zu einem der Konkurrenten – etwa WhatsApp – wechseln. Unter anderem das geistliche Oberhaupt des Iran, Ali Khamenei, der die Staatschefs der USA und seiner Verbündeten aufgrund der Angriffe vom Samstag auf Syrien auf Telegram als „Kriminelle“ bezeichnet hat. Oder Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow.

Eigentlich müssen sie nicht wechseln, ließ Durow wissen. Er habe schon eine Methode parat, wie man die Blockierung umgehen könne. Ob es gelingt, werden die nächsten Tage zeigen. Unterstützung hat er jedenfalls von der OSZE bekommen, die den russischen Staat dazu aufrief, im Interesse der Meinungsfreiheit die Entscheidung zur Blockade von Telegram zu revidieren.

Ob es Durow um die Meinungsfreiheit geht, ist nicht ausgemacht. Durow ist Geschäftsmann und beseelt vom Kick, Neues zu gründen, wenn er Altes verliert. Telegram war das jüngste seiner großen Würfe. 2013 hat er den Messengerdienst aus der Taufe gehoben, um damit WhatsApp Konkurrenz zu machen. Am Ende nahm Telegram Platz neun unter den größten mobilen Messengerdiensten der Welt ein. Verbreitet war es vor allem auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und in den mit Russland befreundeten Ländern des Nahen Ostens. Aktuell plante Durow mit Telegram den weltweit größten Initial Coin Offering (ICO) – eine neue Form der Kapitalbeschaffung, im Zuge dessen Investoren digitale Anteile oder Münzen in einer Art von Kryptowährung bekommen. Es heißt, dass Telegram bei Vorverkäufen bereits 1,7 Milliarden Dollar lukriert habe. Einige russische Tycoons haben investiert. Auch diverse Fonds aus dem Silicon Valley hätten das vor, berichtete die Financial Times Ende Jänner.

Millionengewinn durch Bitcoin

Berührungsängste mit Kryptowährungen hatte der Mann, der sich gern in einem Kapuzenpullover und mit einem schweren Halsanhänger ablichten lässt, von Anfang an nicht. Vor gut vier Jahren habe er 2000 Bitcoins gekauft, erzählte er im Dezember der Nachrichtenagentur Bloomberg in einem Interview. Bezahlt habe er dafür 750 Dollar pro Stück, was insgesamt 1,5 Millionen Dollar ergeben habe. Im Dezember war das Bitcoin-Paket dann 35 Millionen Dollar wert. Bitcoin sei das „digitale Gold“ sagte er. Und es biete Russland gemeinsam mit Japan und anderen asiatischen Staaten die Möglichkeit, aus der Dollarhegemonie der USA herauszutreten.

Es war nicht das einzige Mal, dass der gebürtige St. Petersburger, der seine Jugend in Turin verbrachte, wo sein Vater als Philologe arbeitete, einen russischen Patriotismus zur Schau stellte. Im Mai 2012 etwa veröffentlichte er ein Manifest mit 10 „Geboten“, die sein Land zum weltweit führenden Staat im 21. Jahrhundert macht könnten.

Am meisten dem russischen Ego freilich diente er, als er als gerade einmal 22-Jähriger im Jahr 2006 gemeinsam mit seinem Bruder das soziale Netzwerk VKontakte (heute vk.com) gründete und damit Facebook im Inland die Stirn bot. Nicht zufällig wurde er wiederholt als „russischer Mark Zuckerberg“ bezeichnet. Muss sich das amerikanische Original aktuell wegen fahrlässigem Umgang mit Kundendaten in den USA verantworten, so kollidierte Durow bereits 2011 mit den eigenen Behörden. Schon damals war es der Geheimdienst FSB, der von ihm verlangte, politische Protestgruppen, die sich auf seinem sozialen Netzwerk zu Kundgebungen nach der damaligen Parlamentswahl verabredet hatten, zu schließen. Und schon damals weigerte sich Durow, der Aufforderung nachzukommen.

Die Kollisionen mit dem Staat unterminierten Durows geschäftliche Tätigkeit. Nach längerem Tauziehen verkaufte er seinen verbliebenen Anteil von zwölf Prozent an VKontakte an das Firmenimperium des Tycoons Alischer Usmanow, der in dieser Zeit ausgehend von der Metallindustrie immer häufiger in Internetfirmen investierte. 300 Millionen Dollar verdiente Durow mit dem Verkauf von VKontakte.

Verkehrspolizist angefahren?

Den bald danach in eine Anklage mündenden Vorwurf, einen Verkehrspolizisten angefahren zu haben, bestritt er. Am Ende aber suchte er Mitte 2014 das Weite und emigrierte aus Russland.

Er wolle sich in Dubai niederlassen, weil das dortige Steuersystem attraktiv sei, ließ er zuletzt gegenüber Bloomberg wissen. Auch kommentierte er im Dezember Gerüchte, was Kaufangebote für seinen Messengerdienst Telegram betrifft (schon 2016 war ein Gerücht kursiert, Google verhandle mit Telegram, was Durow allerdings damals dementierte): Ja, bekannte Leute aus dem Silicon Valley hätten ihm drei bis fünf Mrd. Dollar für Telegram geboten, sagte er vor ein paar Monaten. Aber Telegram steht selbst für 20 Mrd. Dollar nicht zum Verkauf“.

Ob er damals schon geahnt hat, dass der Dienst vier Monate später blockiert wird?

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