Deutschlands erster Bankomat ging vor 50 Jahren in Betrieb

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Am 27. Mai 1968 begann in der deutschen Kreissparkasse Tübingen ein neues Zeitalter. Nicht nur für Banken, sondern auch für deren Kunden.

Bankkunden haben sich daran gewöhnt, an jeder Straßenecke Bargeld aus Automaten ziehen zu können. Doch so lange gibt es die Technik noch gar nicht. In Deutschland begann der Siegeszug des Geldautomaten der schwäbischen Universitätsstadt Tübingen.

Der Einstieg ins Computerzeitalter war mühsam: Spezialschlüssel,
Plastikausweis, Lochkarte - wer an Deutschlands erstem Geldautomaten
Geld abheben wollte, brauchte eine Menge Zubehör und etwas Geduld. Am 27. Mai 1968 nahm die dortige Kreissparkasse das Monstrum in Betrieb - mit gebotener Vorsicht: Höchstens 1000 eigens
registrierten Kunden wurde der Zugang zu dem mit einer dicken
Metalltür gesicherten "GELDAUSGABE"-Schacht in der Außenwand der
Bank gewährt.

Zehn Lochkarten bekamen diese Kunden auf Vorrat, für jede Karte
spuckte der Automat einen Hundertmarkschein aus. Auf einmal
konnten höchstens 400 D-Mark abgehoben werden. Nutzen durfte die
neue Technik nur, wen die Bank für flüssig hielt. Schließlich sollte
das Konto auch bei Abhebung der 1000 Mark nicht ins Minus rutschen.

Ab nun waren Bankkunden nicht mehr auf Schalter-Öffnungszeiten angewiesen, um an Bargeld zu kommen. Die Tresorbaufirma Ostertag aus Aalen, die den Tübinger "Geld-Ausgabe-Automaten" gemeinsam mit AEG-Telefunken gebaut hatte, bewarb in einer Broschüre dessen Vorzüge: "Er verhindert, dass berufstätige Kunden aus Zeitmangel größere Beträge auf Vorrat abheben müssen."

"Einzige nützliche Innovation der Finanzbranche"

Dass er beim Geldabheben auf die Öffnungszeiten seiner Bank
angewiesen war, war ein paar Jahre zuvor dem Schotten John
Shepherd-Barron (1925-2010) zum Verhängnis geworden. An einem
Samstag im Frühjahr 1965 ging ihm das Bargeld aus, weil er wenige
Minuten zu spät an der Bankfiliale ankam und vor verschlossenen
Türen stand. In der Badewanne - so schilderte er es 2007 dem Sender BBC - kam Shepherd-Barron ins Grübeln: Warum gibt es eigentlich Automaten, aus denen man Schokoriegel ziehen kann, aber kein Gerät, das Bargeld herausgibt? Kurzerhand erdachte der Manager einer Firma, die auch Banknoten druckte, einen Automaten, der Schecks prüfen und entwerten konnte und im Gegenzug Bargeld ausspuckte.

Er stellte seine Idee der Großbank Barclays vor - und die griff
sofort zu. Der Schotte entwickelte sechs ATM-Bankautomaten
(Automated Teller Machine), den ersten davon nahm Barclays am 27.
Juni 1967 in der Filiale in Enfield nördlich von London in Betrieb.
Mehr als zehn Pfund gab der Automat auf einmal nicht heraus. "Aber
das reichte damals für ein wildes Wochenende", erklärte Erfinder Shepherd-Barron.

Schon zuvor hatte es erfolglose Versuche mit Bankautomaten in
anderen Ländern gegeben. Und auch nach Shepherd-Barrons wegweisender Erfindung dauerte es Jahre, ehe Geldautomaten die Massen überzeugten.

Viele Tübinger blieben zunächst skeptisch. Zwar zog die
Kreissparkasse nach zehn Monaten eine positive Zwischenbilanz. Die
Sicherheitskontrollen erschienen zuverlässig, anfängliche technische
Störungen seien behoben, und es sei immer der richtige Geldbetrag
auszahlt worden, hieß es in einem Erfahrungsbericht. Doch gerade mal
125 Kunden hatten sich bis dato für die Automatennutzung angemeldet.

Anfang der 1980er Jahre wurden in Tübingen dann Automaten installiert,
die verschiedene Stückelungen auszahlen konnten. Der Durchbruch der
Geldautomaten in Deutschland kam dann, als die Automaten wie schon
in Spanien und Schweden im Foyer sowie im Außenbereich der Banken
installiert wurden und damit rund um die Uhr nutzbar waren.

Im Grunde sei der Geldautomat die "einzige nützliche Innovation",
die die Finanzbranche über Jahrzehnte zustande gebracht habe, befand
2009 - kurz nach der Finanzkrise - der Ex-Chef der US-Notenbank-Fed,
Paul Volcker. Die Automaten verlieren jedoch an Bedeutung, weil der
Online-Handel blüht und zudem immer mehr Geschäfte das Geldabheben
an der Kasse ermöglichen. Auch Anschläge auf Geldautomaten
treiben die Kosten für Kreditinstitute in die Höhe. Die deutsche
Kreditwirtschaft geht daher davon aus, dass die Zahl der
Geldautomaten in den kommenden Jahren weiterhin leicht rückläufig
sein wird.

(APA/dpa)

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