KTM: Orange, schnell und mit hohem Spaßfaktor

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Der oberösterreichische Motorradhersteller hat sich 20 Jahre nach dem wirtschaftlichen Neubeginn zu einer Größe auf dem internationalen Markt entwickelt. Mithilfe des indischen Partners Bajaj soll nun Asien erobert werden.

Mattighofen. Es ist KTM-Land, das hügelige Gebiet rund um den Innviertler Ort Mattighofen. Wer von der Westautobahn in Richtung Firmenzentrale des Motorradproduzenten fährt, kommt immer wieder an Werkshallen mit dem charakteristischen orangefarbenen Schriftzug vorbei. So werden in Munderfing ein paar Kilometer südlich von Mattighofen die Motoren hergestellt. Die Rahmen für die Motorräder kommen aus einem Werk am alten Stammsitz des Unternehmens im Zentrum Mattighofens. Zusammengebaut werden die Motorräder schlussendlich im neuen großen Werk am Rande des Ortes.

Rund 45 Minuten dauert es, bis ein leerer Stahlrahmen mit Motor, Antriebsstrang, Auspuffanlage, Sitz, Lenker, Radaufhängungen, Rädern, Elektronik und Verkleidungsteilen zu einem fahrbereiten Motorrad wird. 17 Stationen durchläuft jedes Bike, bis es auf einem Rollenprüfstand erstmals beschleunigen darf. Doch dann heißt es für viele Motorräder, dass sie ihr Vorderrad und ihren Lenker wieder abgeben müssen. Denn nur so können sie für den Transport nach Übersee in eine platzsparende Holzkiste gepackt werden.

Fans in den USA und Australien

Denn die USA und Australien sind heute die zwei wichtigsten Einzelmärkte von KTM. Rund jede dritte Maschine geht in eines dieser beiden Länder. Vor allem die Offroad-Motorräder haben in den weiten Ebenen des mittleren Westens oder dem australischen Outback bereits treue Fans erworben. Das war aber nicht immer so. Vor genau 20 Jahren war KTM tot. Die in den 1950er-Jahren von den Ingenieuren Kronreif und Trunkenpolz in Mattighofen (daher KTM) gegründete Zweiradfirma hatte im Jahr zuvor Insolvenz anmelden müssen und wurde von den kreditgebenden Banken filetiert. Die Fahrradproduktion wurde an die gebürtige Taiwanesin Carol Urkauf-Chen verkauft. Die Motorradsparte übernahm eine Holding unter Führung von Stefan Pierer, heute noch Vorstandsvorsitzender von KTM.

In den Jahren danach konzentrierte sich KTM, das vielen Österreichern noch von Mopeds wie der KTM Ponny ein Begriff war, nur noch auf sportliche Offroad-Motorräder. Wurde in dem Bereich ein Technikspezialist, der die Kunden mit Qualität überzeugen konnte – und fing wieder an zu wachsen. Verkauften die Innviertler 1992 noch lediglich 6000 Motorräder pro Jahr, waren es 2011 bereits über 80.000. Und heuer soll die Rekordmarke von 100.000 Stück überschritten werden (siehe Interview unten). Der Umsatz betrug im Vorjahr 526,8 Mio. Euro, unterm Strich blieben 29,5 Mio. Euro.

Kreditknappheit im Jahr 2009

Doch ganz sorgenfrei verliefen auch die 20 Jahre seit dem Neubeginn nicht. Denn kurz nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 hatte KTM ein Finanzierungsproblem, das nur durch eine Bürgschaft des Landes Oberösterreich gelöst werden konnte. „Anfang 2009, als wir eine Anleihe im Ausmaß von rund 90 Mio. Euro zu refinanzieren hatten, war der heimische Kapitalmarkt tot. Die Banken hingen in den Seilen und waren komplett illiquid“, erinnert sich Pierer heute. Inzwischen sei der Überbrückungskredit jedoch schon wieder zurückgezahlt und eine neue Anleihe begeben.

„Heute gibt es keine Kreditknappheit mehr“, so Pierer. Daher kann sich das Unternehmen auf das neueste Wachstumsprojekt konzentrieren – den Gang nach Asien. Wuchs KTM in den vergangenen Jahren vor allem durch die Erweiterung der Modellpalette um Straßenmotorräder, deren Umsatz jenen der Offroad-Maschinen im Halbjahr 2012 sogar bereits übertraf, sollen es künftig kleinvolumige Motorräder sein, die neue Kunden ansprechen. Gebaut werden diese Motorräder vom indischen Partner Bajaj.

„Das ist eine klassische Win-win-Situation. Denn wir erhalten neue Kunden und Bajaj ist mit uns in der Lage, Technologie anzubieten, die mit den Japanern konkurrenzfähig ist“, sagt Pierer. Denn derzeit dominieren noch die Hersteller aus Nippon mittels eigener Joint Ventures den riesigen Motorradmarkt auf dem Subkontinent und den umliegenden Ländern Südostasiens.

Bajaj hat sich seit dem Einstieg im Jahr 2007 inzwischen mit fast 50 Prozent an KTM beteiligt. Die Mehrheit bleibe aber in seiner Hand, das sei klar ausgesprochen. Auch sonst verlaufe die Kooperation sehr harmonisch: „In unseren bisherigen Kooperationen mit Amerikanern habe ich hingegen immer schlechte Erfahrungen gemacht. Entweder du wirst mit Geld zugeschüttet, oder sie wollen dich übernehmen. Kooperation ist nicht so deren Sache.“

Designed in Austria, made in India

Angst, dass das Image von KTM durch die Produktion in Indien leiden könnte, hat Pierer nicht: „Das ist von vorn bis hinten eine KTM. Sie wurde hier in Mattighofen entwickelt und designed. Zudem helfen wir unserem Partner auch, etwa bei der Qualitätskontrolle bei seinen Lieferanten. Die sind noch nicht ganz auf europäischem Niveau. Das werden sie aber bald sein.“

Langfristig sollen auch in Europa rund 30.000 Stück der in Indien produzierten Motorräder an den Mann gebracht werden. Ins Visier genommen hat KTM dabei vor allem Jugendliche, die statt zu einem Moped zu einem kleinen Motorrad greifen sollen. „Es gibt von den Gesetzgebern in Europa ja Tendenzen, die 50-Kubik-Klasse aus dem Markt zu bekommen und 125 Kubik als einheitliche Mopedgröße zu definieren.“

Doch auch abseits der asiatischen Hoffnung gibt es bei KTM Pläne für die Zukunft. So tüfteln die Ingenieure bereits seit Jahren an einem Elektromotorrad. Das Modell sei in der Vorserie und soll schon demnächst auf den Markt kommen, sagt Pierer.

Und obwohl er gegenüber der Elektromobilität beim Auto skeptisch eingestellt ist, glaubt er, dass es beim Zweirad gute Gründe für den Umstieg auf Elektroantrieb gibt – etwa den Lärm. „Obwohl wir hier rund 2000 Mitarbeiter beschäftigen, haben wir es in 20 Jahren nicht geschafft, eine Teststrecke bewilligt zu bekommen – aus Lärmschutzgründen. Eine Elektro-Teststrecke haben wir fast rückwirkend genehmigt bekommen“, sagt Pierer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2012)

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