ÖIAG: "Tagespolitik aus Unternehmen heraushalten"

Die Presse
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Interview. Der neue ÖIAG-Chef, Rudolf Kemler, will der heimischen Staatsholding mehr Kompetenzen geben und den Telekom-Vorstand aufstocken.

Die Presse: Sie haben in internationalen Konzernen Karriere gemacht. Was hat Sie an der ÖIAG gereizt?

Rudolf Kemler: Meine Erfahrung in der IKT-Branche (Informations- und Kommunikationstechnik, Anm.) hat mir gezeigt, dass wir in Österreich Schwachstellen in der Infrastruktur, der Innovationsgeschwindigkeit und daher auch bei der Werthaltigkeit von Arbeitsplätzen haben. Ich interessiere mich für wirtschaftspolitische Konzepte. Nach 30 Jahren in internationalen Großkonzernen wollte ich etwas in Österreich bewegen.

Ist die ÖIAG das ideale Vehikel? Die SPÖ wollte die ÖIAG angesichts von nur drei Beteiligungen abschaffen.

Telekom Austria, OMV und Post gehören zu den wichtigsten Unternehmen Österreichs. Sie repräsentieren ein Viertel des ATX-Volumens. Auf diesem Status sollten wir aber nicht stehen bleiben, sondern das Know-how und Potenzial der ÖIAG und der Unternehmen mit ihren 36.000 Mitarbeitern für die Weiterentwicklung nutzen.

Verdienen Sie jetzt in der ÖIAG mehr, als Sie zuletzt verdient haben?

Nein. Geld war nicht mein Motiv.

Die ÖIAG ist ein Halbtagsjob, ätzt man.

Das halte ich für einen kompletten Nonsens. Das kann ich schon nach zwei Wochen sagen.

Haben Sie schon konkrete Vorstellungen für die Zukunft der ÖIAG?

Es geht darum, Know-how und Innovationsstärke für das Land einzubringen, nicht nur in die bestehenden Beteiligungen, sondern auch in neue. Europa läuft Gefahr, im internationalen Wettbewerb die Position zu verlieren. Um Innovationen zu fördern, muss man neue Finanzierungsmodelle finden, weil das über das Budget schwierig ist.

Gibt es dafür Vorbilder?

Die Skandinavier sind in der digitalen Agenda weit vorne. Ein gutes Beispiel für die Finanzierung ist der Staatsfonds von Singapur.

Die Dividenden der Unternehmen sollen also in einen Fonds fließen, den die ÖIAG verwaltet?

Absolut. Man könnte die Dividenden 50:50 zwischen ÖIAG und Budget teilen. Der Fonds könnte auch noch aus anderen Geldquellen gespeist werden, sodass man eine kritische Masse erreicht.

Ideologisch umstritten ist, welche Unternehmen letztlich in die ÖIAG sollten. Ist es für Sie nachvollziehbar, wieso einige Staatsunternehmen in der ÖIAG, andere wiederum direkt in den Ministerien angesiedelt sind?

Sagen wir es so: Für große Unternehmen ist eine Äquidistanz zur Politik vorteilhaft. Das heißt nicht, dass die Politik überhaupt nicht mitreden soll. Aber die Tagespolitik muss aus den Unternehmen herausgehalten werden. Die ÖIAG ist dafür ein sehr gutes Vehikel.

Wie sieht Ihr Zeitplan für die Schaffung einer „ÖIAG neu" aus?

Die Strategie werden wir jetzt erarbeiten. Wichtig ist die politische Abstimmung. Die Wahlen nächstes Jahr sind ein wesentlicher Faktor. Ich habe deshalb eine „Tour des Zuhörens" vor, bei der ich mit politischen Kräften, Interessenvertretungen und Wirtschaftsvertretern spreche. Ich will nach den Wahlen eine rasche Lösung.

Ist die Beteiligung des Staates an Infrastrukturunternehmen wichtig?

Ja, sehr wichtig. Es ist eine Kernaufgabe des Staates, Infrastruktur zu managen und zu beeinflussen, aber auch zu schützen. Das gilt auch für Energie und Transport.

Heißt das, Sie hätten die AUA nicht zur Gänze verkauft?

Erlauben Sie mir, dass ich die Frage nicht beantworte.

Stichwort Politik: Ihr Vorvorgänger, Peter Michaelis, hat die ÖIAG einmal als Schutzschild gegen die Politik bezeichnet. Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Man muss die Kirche im Dorf lassen und fragen: Was kann man bewegen, was nicht? Das Land hat natürlich Interesse, in Infrastrukturunternehmen mitzubestimmen.

Was, wenn der Widerstand gegen Ihr Konzept zu groß wird?

Das entscheide ich, wenn klar ist, wie stark der Veränderungswille ist.

Sie haben kein Parteibuch?

Korrekt.

Ist das für Sie ein Vorteil?

Es verbreitert die Gesprächsbasis. Ich kann den Schulterschluss der Vernunft leichter erreichen, wenn ich politisch nicht punziert bin. Das heißt nicht, dass ich keine politische Meinung habe.

Bei den ÖIAG-Beteiligungen ist die Telekom das Sorgenkind.

Das Quartalsergebnis liegt über den Erwartungen. Aber der österreichische Markt ist eine Katastrophe. Es gibt vier Netzbetreiber, wie in Deutschland. Die Folge ist ein ruinöser Preiskampf. Im Festnetz hat die Telekom aber als Einzige in Europa Wachstum geschafft. Eine tolle Leistung. Die Zukunft liegt in der Konvergenz, also dem Zusammenwachsen von Festnetz, Mobilfunk und Internet.

Was soll der neue Großaktionär aus Mexiko dazu beitragen?

America Movil hat sich als strategischer, nachhaltiger Investor positioniert, der das Telekomgeschäft versteht. Um Konvergenz auch in Osteuropa umzusetzen, wird es Zukäufe geben. Dazu brauchen wir einen finanzstarken Partner.

Ist das Programm mit einem Zweier-Vorstand zu bewältigen?

Wir brauchen im Telekom-Vorstand dringend einen Experten für Technologie. Ich denke an die Installierung eines dritten Vorstands. Der muss die Konvergenz-Strategie in allen Ländern umsetzen.

Haben Sie schon jemanden im Auge?

Nein. Es muss jemand mit internationaler Telekom-Erfahrung sein.

Genießen die TA-Vorstände Ametsreiter und Tschuden Ihr uneingeschränktes Vertrauen?

Ja. Aber ein abschließendes Urteil möchte ich erst dann abgeben, wenn ich mit ihnen über längere Zeit zusammengearbeitet habe.

Stört Sie das Faktum, dass Ametsreiter von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird?

Es gibt derzeit keinen Grund, Ametsreiter zu misstrauen. Er wurde anonym angezeigt. Seit der Justizreform ist man damit sofort Beschuldigter. Eine Fehlentwicklung.

Finanzchef Tschuden wurde wegen der hohen Dividenden kritisiert. Hat er zu lange zu viel Geld ausgegeben?

Die Frage ist: Shareholder Value oder Vorsorge? Das Umfeld hat sich verändert. Auf die Telekom kommen große Investments zu. Es ist sinnlos, das Geld als Dividende hinauszujagen und den Verschuldungsgrad zu steigern.

An der Post hält die ÖIAG 51 Prozent. Reichen nicht auch 25 Prozent?

Natürlich ist das eine Überlegung wert - wenn man weiß, was man mit dem Verkaufserlös macht. Das muss die Politik entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. November 2012)

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