Mit Smartphone und Fitnessstudio in die Schuldenfalle

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Viele junge Leute sind verschuldet. Im Biku-Treff in Wien-Ottakring lernen psychisch beeinträchtigte Jugendliche, vorausschauend mit Geld umzugehen. Schritt für Schritt werden sie an den Berufsalltag herangeführt.

Wien. „Schreibt alles auf, was euch Spaß macht“, heißt es zu Beginn des Workshops. Ein Haufen junger Leute um die 20 sitzt im Halbkreis und notiert eifrig Begriffe auf bunten Karten. Ausgehen, Musik, Chillen, Sex, Chatten, Computer spielen. Die ausgefüllten Karten werden auf dem Boden drapiert, man schaut, welche Gemeinsamkeiten es gibt, ordnet, lacht. Nächste Aufgabe: „Notiert alles, was euch wichtig ist.“ Hier fallen Begriffe wie Familie, Freunde, aber auch Grundbedürfnisse wie Essen und Schlafen. Nur einer notiert das Wort Geld.

Genau darum geht es aber in dem Workshop, der im Bildungs- und Kulturzentrum Biku-Treff in Wien-Ottakring stattfindet: um Schuldenprävention. „Wir versuchen mit diesem Workshop, finanzielle Probleme abzufangen, bevor sie wirklich akut werden“, sagt Franz Spindler, Mitarbeiter der Zweiten Sparkasse und einer der ehrenamtlichen Workshop-Leiter. „Zum Lernprozess gehört auch die Erkenntnis dazu, dass man verzichten muss, wenn man eine Reserve haben will.“ Verzicht wird den jungen Leuten heutzutage nicht leicht gemacht. Zu groß sind die Verlockungen der Konsumwelt, zu niedrig die Hemmschwellen bei Krediten. „Das Hauptproblem für junge Leute sind Konsumkredite“, sagt Alexander Maly, Chef der Wiener Schuldnerberatung. Das sind zweckgebundene Ratenkredite, z. B. für ein Auto oder einen Urlaub, aber auch für kleinere Anschaffungen.

Gefährliche Gratishandys

„Sehr gefährlich sind Handyverträge, die mit Gratishandys locken“, sagt Maly. „Mit dem neuen iPhone 5 haben sich sicher wieder viele junge Leute übernommen.“ Im ersten Halbjahr 2012 gingen österreichweit 271 Menschen unter 25 Jahren in Konkurs. Das sind zwar nur fünf Prozent aller Konkursanträge. Trotzdem sei es wichtig, früh mit der Schuldenprävention zu beginnen, ist Maria Aichinger-Ehardt, Projektleiterin beim Biku-Treff, überzeugt. Denn in jungen Jahren werde der Grundstock für spätere, schwerwiegendere Geldprobleme gelegt.

Im Biku-Treff, wo der Workshop stattfindet, werden junge Leute mit psychosozialem Förderbedarf betreut. 15- bis 24-Jährige, die psychisch krank sind, sollen Schritt für Schritt wieder an den Berufsalltag herangeführt werden. Die meisten haben kein festes Einkommen und leben von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld. Geldprobleme sind da eher die Regel als die Ausnahme. Sammy, 23, hat sich vor einiger Zeit einen Sachwalter gesucht. „Freiwillig“, sagt sie, und dass es ihr gut damit geht. Sie hat keinen freien Zugang zu ihrem Geld und bekommt von ihrem Sachwalter einmal in der Woche ein Taschengeld. Kristina, 18, möchte Hochzeitsplanerin werden. Doch mit der eigenen finanziellen Planung tut sie sich schwer. Sie hat Schulden bei der Familie, bei ihren Eltern und Geschwistern. Das Problem sei: „Irgendwann verliert man den Überblick.“ Die Mitarbeiter des Biku-Treffs haben nicht selten alle Hände voll zu tun, um ihre Schützlinge aus existenzbedrohenden Situationen herauszuholen: „Ein junger Mann ist zum Beispiel fast in Mahnungen erstickt, weil er sich in halb Wien in Fitnessstudios angemeldet hat“, erzählt Aichinger-Ehardt. „Er hat die vielen Verträge abgeschlossen, weil ihm die Betreuungsgespräche so gefallen haben.“

Verbesserte Chancen

Die Jugendlichen vom Biku-Treff steigen über den „zweiten Arbeitsmarkt“ ins Berufsleben ein, über sozialökonomische Betriebe, die auf die Einschränkungen ihrer Mitarbeiter Rücksicht nehmen. Diese Stellen sind auf maximal ein Jahr begrenzt. Danach müssen sie sich auf dem regulären Arbeitsmarkt bewähren.

Am Ende des Workshops werden die Teilnehmer einen Einnahmen-Ausgaben-Plan erstellt haben und ein Ampelmodell (rot: Schuldenzone, gelb: Gefahrenzone, grün: Sicherheitszone), das ihnen hilft, die Konsequenzen ihrer Ausgaben einzuschätzen. „Wir sind hier, damit unsere Chancen verbessert werden“, sagt Kristina. „Es kann nicht schaden, wenn wir dabei auch lernen, unsere Rechnungen zu bezahlen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2012)

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