Öffnungszeiten: "Der Streit hat mich fünf Jahre gekostet"

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oeffnungszeiten Streit mich fuenf(c) Clemens Fabry
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Es war ein Kampf wie David gegen Goliath. Eine kleine Wiener Apotheke probte den Aufstand gegen die Kammer und die Behörden. Nach jahrelangem Ringen gibt es nun eine Einigung.

Wien. Ab ersten März 2013 dürfen in Wien Apotheken auch am Samstagnachmittag offen halten. Den Stein ins Rollen brachte eine kleine Apotheke. Diese verkaufte gegen den Willen der Kammer auch am Samstagnachmittag Medikamente. Neben einem Disziplinarverfahren wurde der Apotheke im Vorjahr von der Stadt Wien die Konzession entzogen. Doch nun versöhnte sich die rebellische Apotheke mit der Kammer.

Die Presse: Frau Derflinger, Sie sperren seit vielen Jahren am Samstagnachmittag auf, früher unerlaubt. Ab März dürfen Sie das nun offiziell. Sind Sie der Apothekerkammer dankbar?

Sigrid Derflinger: Das Verhalten der Apothekerkammer in diesem Fall war eigenartig. Wir hatten nicht nur keine Unterstützung von unserer Standesvertretung, es wurde sogar zugeschaut, wie man uns mit der Konzessionsentziehung unsere Existenz weggenommen hat. Sie können sich vorstellen, dabei schläft man nicht gut. Mir geht ein Signal ab von der Kammer, hoppla, wir waren da falsch.

Herr Hafner, Sie hätten jetzt die Gelegenheit, im Namen der Apothekerkammer so ein Signal abzugeben.

Viktor Hafner: Ich denke, dass wir im vergangenen halben Jahr sehr positive Gespräche geführt haben mit dem Ziel, dass wir jetzt eine rechtskonforme Lösung gefunden haben. Über die Vergangenheit kann ich nicht urteilen. Ich würde gern in die Zukunft schauen. Ich glaube nicht, dass das Verhalten der Apothekerkammer falsch war. In das Verfahren hat sich die Kammer nicht eingemischt, sondern sich neutral verhalten.
Derflinger: Eben, sie hätte sich einmischen können. Was ich mir wünschen würde für die Zukunft, ist, dass wir nicht alleingelassen werden, sollten wir jemals wieder in so eine Situation kommen.

Hafner: Die Apothekerkammer steht hinter ihren Mitgliedern, aber hinter der Gesamtheit der Mitglieder. Die Kammer ist interessiert an Eigeninitiativen von Apothekern. Sie dürfen aber nicht zulasten der anderen gehen.

Hätte sich Frau Derflinger nicht vor Gericht durchgesetzt, hätten wir jetzt noch immer keine Lösung.

Hafner: Das möchte ich so nicht sagen. Es ist auf jeden Fall wichtig, die Dinge anzudiskutieren. Wann das gekommen wäre, kann ich nicht beurteilen. Ich hätte die Lösung lieber viel früher gehabt.

Warum hat die Wiener Kammer auf stur geschaltet? In vielen Bundesländern gibt es längst eine Einigung.

Hafner: Ich glaube nicht, dass es sonst nicht gekommen wäre. Die Diskussion wäre entstanden, und es wäre irgendwann zu einer Lösung gekommen.

Derflinger: Vor elf Jahren haben wir noch zu Mittag zugesperrt. Da haben die Leute mit den Fäusten gegen die Tür gehämmert und uns auf das Wüsteste beschimpft. Nichtstuer, die sind eh reich, brauchen nix hackeln. Dann haben wir einfach offen gelassen, zur großen Zufriedenheit der Kunden. In Wien gibt es ein paar Apotheker, die nicht nur selbst nicht aufsperren wollen, sondern auch nicht wollen, dass andere aufsperren. Es wäre gut gewesen, wenn man mit denen einmal redet. Ich hätte das auch nie machen können, wenn die Mitarbeiter nicht freiwillig gearbeitet hätten. Die haben sich gerissen um die Dienste. Der Samstag ist für viele Mamis eine super Geschichte, weil sie dann unter der Woche für die Kinder da sein können.

Hafner: Aber wir müssen bedenken, dass in Österreich ein System von Apotheken eine Versorgung rund um die Uhr garantiert, das finanzieren wir selbst. In London gibt es nur eine Apotheke, die rund um die Uhr offen hat, in Wien 35. Um das erhalten zu können, brauchen wir Regeln, Beschränkungen und auch Verpflichtungen.

Aber warum ist die Kammer gegen ihre eigenen Mitglieder vorgegangen?

Hafner: Wir sind nie gegen dieses Mitglied vorgegangen. Es gibt geregelte Öffnungszeiten. Sobald ein Mitglied etwas tut, was neu ist, muss man beurteilen, ob das für die anderen Mitglieder einen Schaden verursacht.

Sind Sie mit der jetzigen Lösung zufrieden?

Derflinger: Ja ja, absolut.

Hafner: Na bitte, dann haben wir das Ziel erreicht.

Derflinger: Wenn ich Sie das trotzdem fragen darf: Ist es so, dass die Hilfe, die ich mir von der Standesvertretung erwarten kann, nur die des Heraushaltens ist, oder kann ich mir schon erwarten, dass sie dann hilft, wenn es eng wird?
Hafner: Natürlich, wenn rechtskonform gearbeitet wird, sind wir dazu da, die Interessen der Mitglieder zu vertreten.

Die Lösung kam erst zustande, als der Unabhängige Verwaltungssenat die Entscheidung der Stadt Wien über den Konzessionsentzug aufgehoben hat.

Derflinger: Genau deswegen haben wir uns so alleingelassen gefühlt. Wir haben eine Anfrage an die Kammer gestellt, weil die Konzessionsentziehung wegen der Frage der Verlässlichkeit entschieden wurde. Und wir haben angefragt, ob die Kammer zur Verlässlichkeit Stellung beziehen kann. Und es kam nur zurück, dass sie sich nicht einmischen will. Das ist ein bisschen wenig. Ein guter Kommentar zur Verlässlichkeit wäre ein schönes Zeichen gewesen.

In Österreich gibt es die Pflichtmitgliedschaft. Die Kammer kann zwar sagen, wir vertreten ein Mitglied nicht, aber ein Mitglied kann nicht aus der Kammer ausscheiden.

Hafner: Die Apothekerkammer ist ja nicht einzig da, um eine Rechtsvertretung zu übernehmen, sondern hat eigentlich ganz andere Aufgaben. Deswegen wird nicht die ganze Leistung nicht gegeben, nur weil es einen Rechtsstreit gibt. Jetzt haben wir ja eine Lösung gefunden.

Derflinger: Aber der Streit hat mich ungefähr fünf Jahre meines Lebens gekostet. Natürlich ist es jetzt vorbei. Ich finde es sehr schön, dass Sie ein bissl anders agieren wollen, und es würde mich freuen, wenn wir uns dazu die Hand geben könnten.

Hafner: Sehr gern.

Herr Hafner, Sie sind seit einem halben Jahr im Präsidium der Wiener Apothekerkammer. Werden Sie in Zukunft Dinge anders machen?

Hafner: Ich kann nicht über die Vergangenheit urteilen. Ich hätte viel lieber früher eine Lösung gefunden. Wie ich gehandelt hätte, kann ich nicht sagen. Ich möchte aber lösungsorientiert arbeiten.

Wäre es eine Lösung, wenn Sie sich in Streitfällen künftig früher zu einem runden Tisch zusammensetzten?

Hafner: Selbstverständlich werden wir alles daransetzen, dass wir – wenn Probleme auftauchen – eine Lösung finden.

Derflinger: Ich möchte dem Herrn Hafner mein volles Vertrauen aussprechen. Ich hoffe, dass es uns nicht so schnell wieder erwischt. Und ich möchte, dass es ist wie in einer Familie. Dass der Vater, auch wenn das Kind in der Schule nicht ganz brav war, dem Kind letztendlich trotzdem beisteht. So etwas, wie mir widerfahren ist, soll es unter Ihrer Führung nicht geben.

Hafner: Ich werde mich bemühen, dass so etwas nicht passiert. Unser oberstes Ziel ist, dass die Mitglieder einen Nutzen von der Mitgliedschaft haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2012)

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