Telekom-Prozess: Der erste Auftritt des Kronzeugen

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In der Aktienaffäre belastet der ehemalige Telekom-Vorstand Gernot Schieszler zwei seiner ehemaligen Vorstandskollegen. Der ehemalige Telekom Generaldirektor Heinz Sundt durfte hingegen aufatmen.

Wien. Wie ist das, wenn ein Land die Kronzeugenregelung einführt und irgendwann der erste Kronzeuge in einem großen Strafverfahren öffentlich aussagt? Irgendwann war gestern; der Ort des Geschehens war das Straflandesgericht Wien: Gernot Schieszler (42), früher Telekom-Prokurist (erst Controlling-Bereichsleiter, später Vorstandsmitglied), sagte im Untreueprozess um die Aktienaffäre aus. Seit diesem Auftritt ist die österreichische Justizgeschichte um ein interessantes Kapitel reicher.

Wie wird man Kronzeuge? Indem die Anklage das zunächst offene Strafverfahren einstellt. Noch ist es bei Schieszler nicht so weit. Noch wird er formal als Beschuldigter geführt. Genau genommen handelt es sich also bei ihm erst um einen potenziellen Kronzeugen. Trotz seiner gestrigen Aussage, mit der er zwei der drei angeklagten Ex-Telekom-Vorstände, nämlich Rudolf Fischer und Stefano Colombo, schwer belastet. Hingegen wurde der frühere Telekom-Generaldirektor Heinz Sundt deutlich entlastet. Dieser sei bei Absprachen zum Anheben des Aktienkurses „nicht dabei“ gewesen.

Wie also wird Schieszler – endgültig – Kronzeuge? Gewiss: Ohne umfangreiche Aussagen im Vorfeld der Verhandlung (Schieszler hat etliche, nicht öffentliche Marathon-Einvernahmen hinter sich) wäre es möglicherweise gar nicht zu einer Anklage gekommen. Doch das reicht noch nicht. Jemand, der hierzulande Kronzeuge werden will, muss der Anklagebehörde nicht nur „freiwillig sein Wissen über Tatsachen offenbaren“, wie es in der Strafprozessordnung heißt. Er muss die Aufklärung einer Straftat durchgängig entscheidend fördern. Erst wenn der Staatsanwalt dies als erfüllt ansieht, muss er von der Verfolgung zurücktreten.

Bangen bis Jahresmitte

Schieszlers Chancen, den Kronzeugenstatus endgültig zuerkannt zu bekommen, stehen wohl sehr gut. Sein Anwalt Stefan Prochaska zweifelt nicht mehr daran, dass es so weit kommt.

Wie am Montag aus dem Justizressort zu erfahren war, will man sich aber noch Zeit lassen, bis jener Telekom-Block, der unter dem Arbeitstitel „Die schwarzen Kassen des Lobbyisten Peter Hochegger“ firmiert, „enderledigt“ ist – also entweder eingestellt oder zur Anklage gebracht wird. Diese Entscheidung soll Mitte 2013 fallen. Die aktuelle Verhandlung um die Aktienaffäre (dabei handelt es sich nur um einen Teil des Telekom-Komplexes) soll also nicht allein den Ausschlag über den Kronzeugenstatus geben.

Geht ein Kronzeuge völlig ohne Sanktion aus? Nein. Am Ende des Verfahrens könnten etwa eine Geldbuße und/oder eine Entschädigungszahlung an die Telekom stehen.

Zur gestrigen Verhandlung: Ja, er habe im Sommer 2004 Bargeld an den nun mitangeklagten Börsenhändler Johann Wanovits übergeben. Als Lohn dafür, dass Wanovits den Kurs der Telekom-Aktie durch gezielte Kauforder nach oben gerückt hatte. Wanovits sei auf Erfolgsbasis eingestiegen. Als Honorar seien 1,5 bis zwei Millionen Euro ausgemacht gewesen. Die Ex-Telekom-Vorstände Fischer und Colombo hätten dafür ihre Zustimmung gegeben. Der Kursanstieg brachte 95 Telekom-Managern Prämien aus einem Aktien-Options-Plan, insgesamt zehn Millionen Euro. Schieszler: „Wir waren natürlich alle daran interessiert, den Bonus zu kassieren.“

Da der auffällig große Aktienankauf von der Finanzmarktaufsicht geprüft wurde, habe man im Telekom-Vorstand kalte Füße bekommen, so Schieszler. Da Wanovits sein Honorar unbedingt haben wollte, sei man auf die Idee gekommen, „Bargeld zu machen“.

Dafür habe man die Firma Valora des Lobbyisten Peter Hochegger eingesetzt. Ein Scheinauftrag im Wert von 1,5 Millionen Euro sei abgewickelt worden. Die angebliche Osteuropa-Marktstudie der Valora sei in Wahrheit von der Telekom selbst erstellt worden. Doch nun sei man in der Lage gewesen, Geld aus der Telekom abfließen zu lassen.

Durch zwei Bargeldübergaben in einem Naschmarktlokal – insgesamt sei es um „750.000 Euro minus zehn Prozent“ gegangen (die zehn Prozent seien Hocheggers Anteil gewesen, „das war langjährige Praxis“) – sei Wanovits entlohnt worden. Je 10.000 bis 15.000 Euro hätten er, Schieszler, ebenso wie der mitangeklagte Prokurist Josef Trimmel, für sich selbst aus dem Bargeldsackerl herausgenommen. Später seien durch einen weiteren (nicht mehr verhandlungsfähigen Telekom-Prokuristen) „100.000 bis 400.000 Euro“ lockergemacht worden. Prozessfortsetzung am Mittwoch.

Auf einen Blick

Untreue wirft der Staatsanwalt drei Ex-Telekom-Vorständen, einem Prokuristen und einem Börsenhändler vor. Es geht um die Manipulation des Kurses der Telekom-Aktie im Jahr 2004. Als Kronzeuge in spe trat erstmals Ex-Manager Gernot Schieszler auf. Er belastete besonders Ex-Telekom-Vorstand Stefano Colombo, der sich „nicht schuldig“ bekennt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2013)

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