Höchstgericht kippt Teile der Wirtschaftskammer-Wahl

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Der Verfassungsgerichtshof gab einer FPÖ-Beschwerde gegen Teile der Wirtschaftskammer-Wahl 2010 teilweise statt. Hintergrund ist ein jahrelanger Streit um Macht und Einfluss der Freiheitlichen in der Wirtschaftskammer.

Wien. Die Wirtschaftskammer-Wahl ist schon an sich eine komplizierte Sache. Mehr als 400.000 Mitglieder wählen ihre Fachgruppe, ihre Landes- und Bundesvertretung. Mit nur einer Stimme pro Kopf. Das letzte Mal ist das 2010 so geschehen. Noch komplizierter wird die Angelegenheit, wenn sich eine wahlwerbende Gruppe intern zerfetzt. Auch das ist 2010 geschehen. Da kam es zu einer Spaltung der FPÖ-nahen Liste "Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender" (RfW). Die Liste "FPÖ Pro Mittelstand" formierte sich sozusagen als "echte" Vertretung der Blauen in der Kammer. Nicht erst seither tobt ein erbitterter Streit.

Das Ergebnis: Der Verfassungsgerichtshof hob Teile der Wirtschaftskammer-Wahl in Wien 2010 auf. Die entsprechenden Bescheide wurden den wahlwerbenden Gruppen in den vergangenen Tagen zugestellt. Konkret wurde die Wahl bei 14 von 105 Fachgruppen wegen formaler Fehler für ungültig erklärt. Sie muss nun wiederholt werden, wie es aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium heißt. In den betroffenen Fachgruppen sind rund 37.000 Mitglieder vertreten, etwa 30 Prozent der Wahlberechtigten zur Wiener Wirtschaftskammer.

Wahlrecht "undemokratisch"

Kommt es in der Neuwahl zu Mandatsverschiebungen, könnte das theoretisch auch auf den höheren Ebenen - den Landes- und Bundesvertretungen - zu anderen Machtverhältnissen führen. In der Kammer wird alle fünf Jahre gewählt. Die Mitglieder wählen ihre Vertretung in der Fachgruppe. Die Ergebnisse dieser Wahl werden dann in einer indirekten Wahl auf die höheren Ebenen hochgerechnet.

Kritiker wie die Grüne Wirtschaft bemängeln dieses komplizierte Wahlrecht schon lange: Dass die Mitglieder nur in ihren Fachgruppen wählen dürften, aber keine direkte Stimme für die Wahl des Wirtschaftsparlaments hätten, sei "undemokratisch", sagt Bundessprecher Volker Plass. Im Extremfall könne nämlich die Aufhebung einiger Fachgruppen-Ergebnisse das gesamte Kartenhaus der Wirtschaftskammer zum Einsturz bringen. Angesichts der Stärke des ÖVP-Wirtschaftsbundes in der Kammer ist seine Vormachtstellung aber praktisch nicht gefährdet. Auch, wenn neu gewählt wird.

Wie kam es dazu? 2008 gründete die FPÖ Wien ihren eigenen Wirtschaftsflügel mit dem Namen „Pro Mittelstand". 2010 trat die Liste als Konkurrenz zum Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RfW) bei der Kammer-Wahl an. Hintergrund war ein jahrelanger Streit um die Vormachtstellung der FPÖ in „ihrer" Vertretung in der Wirtschaftskammer: Der RfW sah sich nämlich nicht als Vorfeldorganisation der Partei, sondern als Interessenvertretung des Mittelstandes. Nur ein Drittel der RfW-Mandatare sei auch Mitglied in der FPÖ, hieß es damals zur "Presse".

Die FPÖ sah das anders und wollte aus dem RfW eine echte "blaue" Liste machen. Wer nicht zu „Pro Mittelstand" überlaufen wollte, wurde aus der Partei ausgeschlossen (die "Presse" berichtete). Das Ergebnis der Spaltung war für beide Listen verheerend: Der RfW verlor fast sieben Prozentpunkte und bekam 4,7 Prozent der Stimmen. Die neue FPÖ-Plattform schaffte überhaupt nur 2,8 Prozent.

Wirtschaftsbund verärgert

Die zwei Listen führten zu einem erheblichen Durcheinander bei den Kandidaten. Manche schienen sowohl bei Pro Mittelstand als auch auf der RfW-Liste auf, kandidierten also doppelt. Die Wahlkommission hatte damit ihre liebe Not. Dem Vernehmen nach kannten sich manche Kandidaten nicht mehr aus und wussten nicht mehr, für welche Liste sie unterschreiben. Mehrere Kandidaten wurden automatisch der RfW-Liste zugeordnet. Die Folge war eine Klage der FPÖ. Das Ergebnis die teilweise Aufhebung der Wahl durch das Höchstgericht. Von der Initiative Pro Mittelstand war am gestrigen Dienstag niemand erreichbar.

Der Streit und seine Folgen sorgen für Unmut im in der Kammer dominierenden Wirtschaftsbund: „Was der Verfassungsgerichtshof sagt, wird natürlich durchgezogen. Aber es ist schon ärgerlich, dass wegen eines Streits zwischen diesen Gruppen möglicherweise noch einmal gewählt werden muss. Zumal in zwei Jahren ohnehin wieder Wahlen anstehen", sagt Alexander Biach, Direktor des Wirtschaftsbundes in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2013)

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