Alpine-Zerschlagung: Gläubiger schauen durch die Finger

Alpine Zerschlagung
Alpine Zerschlagung (c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Die Gläubiger dürften unter zehn Prozent ihrer Forderungen erhalten, Zeichner der Anleihen möglicherweise gar nichts, fürchtet der Kreditschutzverband.

Wien/Eid. Die Zerschlagung des insolventen Baukonzerns Alpine ist fix – das sind nicht nur für die in Österreich betroffenen 4900 Mitarbeiter schlechte Nachrichten. Für die 8000 Gläubiger sieht es noch schlechter aus als vor einer Woche, als die Alpine den Insolvenzantrag gestellt hat und eine große Auffanglösung unter Einbindung von Strabag und Porr angestrebt worden ist. Da war die Rede davon, dass die Gläubiger auf 20 Prozent ihrer Forderungen hoffen können. „Es würde mich überraschen, wenn die Quote zehn Prozent ausmacht“, sagte der Insolvenzexperte des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV), Hans-Georg Kantner, am Dienstag. Die Gläubiger, in erster Linie Lieferanten und Subunternehmer, aber auch Banken und Versicherungen sowie die Zeichner der Anleihen, schauen weitgehend durch die Finger.

Vor allem für die Zeichner der drei Anleihen im Volumen von 290Mio. Euro (zwei zu je 100, eine zu 90 Mio. Euro mit hohen Zinsen von 5,25 bzw. sechs Prozent) sieht es katastrophal aus. Kantner: „Im schlimmsten Fall gibt es einen Totalausfall.“ Die Anleihen wurden nämlich von der Alpine Holding AG ausgegeben – und die wird innerhalb der nächsten sieben Tage ebenfalls den Insolvenzantrag stellen. Die Holding hat an Aktiva jedoch nur Forderungen gegenüber der insolventen operativen Baugesellschaft. Außerdem dürften die Anleihen als Eigenkapitalersatz eingestuft werden. Womit die Chancen der Anleger, dass ihre Forderungen anerkannt werden, gegen null sinken. Darauf sei im Anleiheprospekt unter dem Titel „strukturierte Nachrangigkeit“ hingewiesen worden. Nicht nur Institutionelle, sondern auch viele Kleinanleger haben Anleihen gezeichnet.

Passiva steigen auf drei Mrd.

Der Ausverkauf des zweitgrößten Baukonzerns verschiebt den rekordverdächtigen Insolvenzstatus zuungunsten der Gläubiger: Weil die Gewährleistungsforderungen, die allein rund eine Mrd. Euro ausmachen, jetzt zumindest teilweise schlagend werden, dürften sich laut Kantner die Passiva von 2,56 auf drei Mrd. Euro erhöhen. Gleichzeitig verlieren die auf 660Mio. Euro geschätzten Aktiva, die unter anderem aus Beteiligungen, Liegenschaften und Maschinen bestehen, an Wert. Das betrifft auch Forderungen gegen verbundene Unternehmen: Es ist ungewiss, was mit den 200 Tochtergesellschaften passiert. Einige dürften ebenfalls insolvent werden.

Bei Zulieferern und Subunternehmern rechnet der KSV-Experte mit 50 bis 70 Folgeinsolvenzen. Einen „Insolvenz-Tsunami“, der über Österreich hinwegzufegen drohe, werde es aber nicht geben (siehe nebenstehender Bericht).

Umso wichtiger sei es, für die 4200 großteils stillstehenden Baustellen dringend neue Generalunternehmer zu finden, die möglichst mit den bestehenden Lieferanten und Subunternehmern weiterarbeiten, um diese vor einem Totalausfall zu bewahren. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) will in diesem Zusammenhang Neuausschreibungen von Baustellen möglichst vermieden wissen. Damit soll der Stillstand auf den Baustellen so kurz wie möglich gehalten werden.

Die negative Seite: Bauherren, die noch offene Zahlungen an die Alpine haben, würden das voraussichtlich gegenrechnen, meinte Kantner. „Das geht nun zweifellos zulasten der Alpine Bau und des Wertes, der in ihren Baustellen steckt.“ Eine „enorme Wertverringerung der Masse“ sei daher zu befürchten. „Das sind die Kollateralschäden einer Insolvenz.“

Die zweifellos schockierende Pleite der Alpine könnte für die Baubranche auch ein „heilsamer Schock“ sein, meinte Kantner. Denn jetzt werde das schwächste Unternehmen aus dem Markt genommen. Es wäre daher falsch, mit einem Hilfspaket eine Branche mit Überkapazitäten weiter zu stützen, betonte Kantner in Richtung der Wahlkampfzuckerln verteilenden Regierung.

Weg vom Billigstbieterprinzip

Die Alpine habe in den vergangenen Jahren sehr stark expandiert und zu Tiefstpreisen, möglicherweise nicht kostendeckend, angeboten. Ein Branchenkenner sprach von um 25 Prozent günstigeren Offerten. Der Kreditschützer plädierte in diesem Zusammenhang auch dafür, die bisherigen Vergabeverfahren zu überdenken. Man sollte nicht das Billigst-, sondern das Bestbieterprinzip anwenden. Kantner empfahl den Bauherren, sich am Schweizer Modell zu orientieren, bei dem ein Durchschnittspreis aller Anbieter ermittelt wird. Der Baukonzern, der am nächsten beim Durchschnittspreis anbietet, erhält dann den Auftrag.

Aber auch die öffentliche Hand sei in die Pflicht zu nehmen, meint Kantner. Sie habe in den letzten Jahren die Unternehmen zum Teil brutal in einen Preiskampf gezwungen und sei daher an der jüngsten Entwicklung mit schuld.

„Die österreichische Bauwirtschaft krankt nicht an einer Auftragsschwäche, sondern an einer Renditeschwäche.“ Gleich nach der Finanzkrise 2008/09 habe die Branche von den durch die öffentliche Hand geförderten Projekten sowie Investitionen Privater in Haus- und Wohnungssanierungen sehr profitieren können. Das seien allerdings Einmaleffekte gewesen, die nun vorbei seien – und das Pendel schlage äußerst heftig zurück.

Auf einen Blick

Die Zerschlagung der Alpine bedeutet für die 8000 Gläubiger nichts Gutes: Denn die Quote dürfte von ursprünglich angenommenen 20 auf unter zehn Prozent sinken, glaubt der KSV. Die Zeichner der drei Anleihen könnten ganz um ihr Investment umfallen. Weil die Gewährleistungsforderungen nun zum Teil schlagend werden, steigen die Passiva der größten Insolvenz der Zweiten Republik gegen drei Mrd. Euro.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut erwartet heuer und 2014 einen weiteren Rückgang beim Wohnbau. Für heuer werden 35.800 Baubewilligungen prognostiziert, für das nächste Jahr 35.900. In ganz Europa werde das Bauvolumen heuer um 2,8Prozent zurückgehen und 2014 nur um 0,5 Prozent steigen. In Österreich steigt das Bauvolumen im Wohnbau heuer laut Wifo um 0,8Prozent. Im Tiefbau gibt es einen leichten Rückgang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2013)

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