Gruppenbesteuerung in der Kritik

Gruppenbesteuerung Kritik
Gruppenbesteuerung Kritik(c) Reuters
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Der Rechnungshof kritisiert, dass durch die Gruppenbesteuerung dem Staat jährlich 450 Millionen Euro entgehen. Experten betonen aber, sie sei standortpolitisch wichtig.

Wien. Selten hat ein Bericht des Rechnungshofes so gut in den Wahlkampf gepasst wie der am Donnerstag veröffentlichte über die Gruppenbesteuerung. 450 Millionen Euro oder rund zehn Prozent der jährlichen Einnahmen aus der Körperschaftsteuer gehen dem Fiskus deshalb verloren, berechnete der Rechnungshof. Die 2005 eingeführte Regelung führe auch zu höherem Verwaltungsaufwand, 15 Mio. Euro seien es 2011 gewesen. Und vor allem fehlt es an Transparenz: Das Finanzministerium habe nie richtig erhoben, ob diese steuerliche Begünstigung dem Land unter dem Strich auch etwas bringe.

Alles in allem fügt sich der Bericht wunderbar in die herrschende Steuergerechtigkeitsdebatte und ist Wasser auf den Mühlen der SPÖ, die für höhere Vermögen- und Unternehmenssteuern eintritt und im Gegenzug Arbeitnehmer entlasten möchte.

Für Christine Weinzierl, Steuerexpertin von PricewaterhouseCoopers in Wien, ist die Gruppenbesteuerung dagegen „eine wichtige standortpolitische Maßnahme“. Sie wurde in erster Linie für Konzerne eingeführt, die nach Zentral- und Osteuropa expandierten, auch als zusätzlicher Anreiz für sie, ihr Headquarter in Österreich aufzuschlagen: Verluste ausländischer Töchter konnten in Österreich geltend gemacht werden und schmälerten somit den Gewinn. Allerdings nur so lange, bis auch die Osttöchter profitabel waren. Später müssen die Gewinne nachversteuert werden. „De facto gibt der Fiskus den Unternehmen also nur einen Kredit“, sagt Weinzierl. Die österreichischen Steuerbehörden würden sehr darauf achten, dass die Steuer am Ende dann doch entrichtet werde.

Laut Industriellenvereinigung befinden sich 300 Headquarters in Österreich, in den vergangenen beiden Jahren siedelten sich 13 neue regionale Headquarters an. 28 Konzerne haben in Österreich ihre Osteuropa-Zentrale errichtet.

„Nicht krankreden“

Claus Staringer, Professor für Steuerrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, warnt davor, die Gruppenbesteuerung „krank- oder schlechtzureden“. Natürlich stamme das Gesetz aus der Zeit der Hochkonjunktur. In der Krise schreiben Unternehmen überall Verluste, der Fiskus warte länger als geplant auf die Nachversteuerung. Verloren sei das Geld aber nicht: „Auch wenn das Auslandsinvestment endgültig scheitert, kommt es zur Nachversteuerung“, betont Staringer. Die Rechnungshofkritik an der Intransparenz der Steuereffekte und fehlender Evaluierung „unterschreibe ich aber sofort“.

Sinn der Gruppenbesteuerung sei nicht nur das Anlocken von Headquarters, sagt Hanns F. Hügel, Professor an der Uni Wien. Sondern vor allem, „expandierende Unternehmen von der Versteuerung von Scheingewinnen zu befreien“. Also davon, inländische Gewinne versteuern zu müssen, ohne dass Auslandsverluste berücksichtigt werden. „Gerade jetzt in der Krise brauchen die Unternehmen die Gruppenbesteuerung, da sollte man sie nicht einschränken“, sagt er. Und warnt davor, „ständig die Stabilität des Steuerrechts infrage zu stellen“.

Im Büro von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) reagierte man auf die Kritik des Rechnungshofes kurz angebunden. Auf Anfrage der „Presse“ betonte man, dass die Zahl der Arbeitnehmer in Unternehmen mit Gruppenbesteuerung von 400.000 auf 1,263 Millionen angestiegen sei. „Die Gruppenbesteuerung stellt einen unverzichtbaren Standortvorteil für Österreich dar“, heißt es. Zudem fielen 63 Prozent der Gruppen in die Kategorie Klein- und Mittelbetriebe.

Für SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder beweist der Rechnungshofbericht, dass „Steuerschlupflöcher und ungerechte Steuerbegünstigungen“ abgeschafft gehören. Werner Kogler von den Grünen spricht von „milliardenschweren Steuerprivilegien“. Der Vorsitzende des Rechnungshofausschusses kritisiert vor allem, dass die Gruppenbesteuerung auch bei Konzerntöchtern in Ländern möglich sei, „mit denen nicht einmal ein Amtshilfeabkommen bzw. Doppelbesteuerungsabkommen besteht“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2013)

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