Hoteliers: Die Bürde der nächsten Generation

Privatzimmer
Privatzimmer(c) www.BilderBox.com
  • Drucken

Für Hotelierfamilien ist ein Generationenwechsel oft eine große Herausforderung. Viele Nachfolger übernehmen einen überschuldeten Betrieb.

Abreißen oder renovieren? Vor dieser Entscheidung stand Lambert Stiegler junior, als er sich entschieden hatte, den Betrieb seiner Eltern zu übernehmen.

Zum Zeitpunkt der Übergabe war das Hotel schon 30 Jahre lang gar kein Hotel mehr. Sein Großvater hatte den Alpengasthof Moser-Loy 1956 gebaut. Im Jahr 1970 hatten seine Eltern den Betrieb übernommen. „Bis 1982 hatten wir einen vollen Hotelbetrieb, dann ist das Haus in eine Landwirtschaftsschule umgewandelt worden“, sagt Lamberts Mutter Hilde Stiegler. „Vier Jahre haben wir Hotel- und Schulbetrieb parallel geführt, aber das ist uns zu viel geworden. Die Abnutzung war auch zu groß.“ Blieb der Schulbetrieb, dem Hilde Stiegler als Wirtschaftsleiterin und Küchenchefin vorstand. 2013 ist die Pacht ausgelaufen, die Schule wurde mit einer anderen zusammengelegt. Da stand Sohn Lambert vor der Entscheidung, was nun mit dem Haus geschehen solle.

„Zunächst war die Frage: Kommen Wohnungen rein oder wieder ein Hotel? Nach langem Überlegen haben wir beschlossen, doch mit der Gastronomie weiterzumachen. Wir sind alle aus der Gastronomie und machen das gern“, sagt Lambert Stiegler. Das bedeutete erst einmal: Bauarbeiten. „Wir sind noch mitten im Umbau. Mit Stichtag erster Dezember 2014 wollen wir in Betrieb gehen.“

Kontrollor an der Wurstmaschine

Stieger schätzt, dass der Umbau 1,7 Mio. Euro kosten wird. „Von 30 Jahren Internatsbetrieb war das Haus total abgewohnt.“ Die Bauarbeiten werden von einer Fülle behördlicher Auflagen flankiert: „Ständig hat man einen Kontrollor im Haus. Der kontrolliert dann zum Beispiel, ob bei der Wurstmaschine wohl niemand in Gefahr kommt, sich in den Finger zu schneiden.“

In ihrem Fall seien die Auflagen verschärft, weil das Haus jahrzehntelang kein Hotel war. „Ich beneide ihn nicht, aber ich freu mich, dass er es macht“, sagt Hilde Stiegler über ihren Sohn. Was das Finanzielle betrifft, haben die Eltern ausgeholfen. „Ein junger Mensch kann sich das heute ja gar nicht leisten. Den Polster, den wir uns erspart haben, haben wir in die Renovierung gesteckt.“

An die 700 Übergabefälle gibt es pro Jahr in der Hotellerie, mit leicht steigender Tendenz, schätzt Wolfgang Kleemann, Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT). Die leichte Zunahme sei darauf zurückzuführen, dass das Übergabealter sinke: „Die Hoteliers gehen nicht erst mit 80 in Pension, sondern ein bisschen früher.“

Immerhin 80 Prozent der von der ÖHT betreuten Übernahmen finden im familiären Bereich statt. Zehn Prozent würden sich ein anderes Geschäftsfeld suchen, aus dem Hotel zum Beispiel Privatwohnungen, Zweitwohnsitze oder Altersheime machen. Weitere zehn Prozent der Übergaben finden außerhalb der Familie statt. Soweit die erfolgreich abgeschlossenen Projekte. Allerdings: Nur die Hälfte der an die ÖHT herangetragenen Übergaben findet einen positiven Abschluss. „Eine Vielzahl der Fälle, die chancenlos sind, werden gar nicht erst an uns herangetragen.“ Weil das Eigenkapital für einen Kredit, um die Erneuerung des Hotels zu finanzieren, nicht aufgebracht werden kann. Oder weil sich eine Weiterführung wirtschaftlich schlicht nicht rentiert.

Geschwister im Clinch

Die Gefahr, dass bei einer Übergabe innerhalb der Familie falsch kalkuliert wird, ist relativ hoch. Drei Megafehler gebe es, die Hotelierfamilien machen würden, sagt Kleemann. Alle zulasten der Nachfolger. Der erste: „Man bewertet das Unternehmen falsch.“ Meist würden Nachfolger innerhalb der Familie zu viel bezahlen. „Drei Millionen Schulden bei einer Million Umsatz. Ein Fremder würde so einen Betrieb nicht im Traum übernehmen.“ Als Sohn könne man dem Vater schlecht sagen: „Du hast schlecht gewirtschaftet.“ Deshalb sei es wichtig, den Wert des Unternehmens extern schätzen zu lassen.

Punkt zwei auf der Hitliste der Übergabe-Ärgernisse: Probleme mit „weichenden Geschwistern. Der Sohn übernimmt, die Tochter scheidet aus dem Betrieb aus und fordert eine entsprechende Abfindung.“ Auch hier werde oft nicht bedacht, dass der Nachfolger ja auch einen Haufen Schulden übernimmt und in den meisten Fällen kräftig investieren muss. Dritter Kardinalfehler: „Hotels werden übernommen, obwohl das betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Nur weil's der Betrieb vom Vater ist. Das ist der falsche Zugang.“

Söhne und Väter scheinen nicht nur im Vokabular der Familienbetriebe immer noch eine größere Rolle zu spielen als Mütter und Töchter. Das bestätigt Michael Friesacher, Chef des Viersternehotels Friesacher in Anif, Salzburg. Friesacher ist jetzt 53, hat also noch etwas Zeit bis zur Übergabe. Dennoch gibt es keinen Zweifel, wer das Hotel einmal übernehmen wird: „Das war von klein auf so geplant, dass mein Sohn den Betrieb übernimmt.“ Und nicht eine seiner zwei Töchter. Für Friesacher sei immer klar gewesen, dass die Eigentümerfrage früh geregelt werden müsse. „Wenn du drei Kinder hast, und da kommen dann noch die Lebenspartner dazu, hast du plötzlich acht Eigentümer. Dann will plötzlich jede die Grande Dame sein.“ Oder eben der Grandseigneur.

Wer ist Chef, wer Junior?

Externe Beratung will Friesacher für die Übergabeplanung nicht in Anspruch nehmen – obwohl er sich erinnern kann, dass seinerzeit, als er und seine Frau das Hotel von seinen Eltern übernommen haben, nicht alles ganz reibungslos über die Bühne gegangen ist. „Mein Vater ist früh gestorben, aber meine Mutter war auch nach der Übergabe noch im Betrieb aktiv – die ersten Jahre jedenfalls, bis meine Frau da reingewachsen ist.“ Da sei es öfter einmal zu Konflikten gekommen. „Auch, weil das Personal nicht genau wusste, wer ist jetzt Chef und wer Junior. Als meine Mutter dann gesehen hat, dass wir es allein können, war sie gescheit genug, zu sagen: ,Ich geh in Pension.‘“

Großen Investitionsbedarf, wie etwa im Alpengasthof Moser-Loy, werde es im Hotel Friesacher bei der Übergabe wohl keinen geben, sagt der Chef: „In den vergangenen 25 Jahren war bei uns immer irgendwo eine Baustelle.“ Deshalb sei das Haus gut in Schuss. „Vier- und Fünfsternehoteliers haben von vornherein einen anderen Zugang zum Geschäft. Die führen ihre Häuser im Sinne eines Managers“, sagt Walter Schnitzhofer, Experte für Family Management beim Bankhaus Spängler. Im Dreisternebereich würden die Chefs aber so viel im Betrieb arbeiten, dass die Weiterentwicklung des Hauses auf der Strecke bleibe. Deshalb gebe es vor allem bei kleinen Dreisternebetrieben ein reales Nachwuchsproblem: „Die Jungen sehen, wie viel die Eltern arbeiten müssen, und fragen sich, ob das dafürsteht.“ Dazu komme, dass die Jungen heute eine bessere Ausbildung hätten: „Die lernen nicht mehr Koch und Kellner, sondern studieren Betriebswirtschaft. Dann werden sie Banker, statt das Hotel zu übernehmen.“

Schlaflose Nächte

Andreas Heigenhauser, 26, ist nicht Banker geworden. Er hat eine Tourismusschule besucht und danach im elterlichen Betrieb mitgeholfen. Vor vier Jahren, als der Vater in Pension gegangen ist, hat sich die Frage gestellt, was mit dem Hotel Heigenhauser passieren soll. „Ich habe gesagt, ich übernehme den Betrieb nur, wenn wir modernisieren.“ Anfang 2013 hat Heigenhauser das Haus offiziell übernommen, im September starteten die Umbauarbeiten – im Wesentlichen eine Runderneuerung ähnlich wie bei der Familie Stiegler. Im Dezember wurde neu eröffnet.

Heigenhauser ist ehrgeizig, er strebt eine Kategorisierung als Drei-Sterne-Superior-Hotel an. „Das bedeutet vor allem ein Plus an Dienstleistungen. Bis zum Sommer möchte ich das einreichen.“ Zu den Zukunftsplänen gehören auch ein kleiner Pool und eine Hausbar. „Ich gehe mit dem Gedanken an das Hotel schlafen und wache damit auf. Gott sei Dank habe ich eine sehr moderate Freundin, aber das Sozialleben leidet schon.“ Oft habe er auch schlaflose Nächte.

Wenn man ein Hotel führt, brauche es einen Partner, der mithilft, findet Lambert Stiegler. „Meine Frau hat derzeit einen tollen Job im Krankenhaus. Aber in Zukunft werden wir das Hotel gemeinsam betreiben.“ Und die Söhne – jetzt elf und 13 Jahre alt – sollen es einmal übernehmen. „Ich dränge sie nicht dazu, ich weiß ja, wie schwierig es ist.“ Aber dass das Hotel einmal nicht mehr der Familie gehört, kann sich Stiegler nicht vorstellen.

Hoteliernachwuchs

700 Betriebsübergaben pro Jahr gibt es in der Hotellerie nach Schätzungen der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT). 80 Prozent der Hotels bleiben nach der Übergabe in der Familie. Zehn Prozent wechseln das Geschäftsfeld, machen aus dem Hotel z.B. eine Wohnanlage. Bei weiteren zehn Prozent gibt es eine externe Übernahme.

Unterstützung für Junghoteliers. Die ÖHT fördert Investitionen unter einer Mio. Euro mit Zuschüssen oder übernommenen Haftungen. Bei Investitionen über einer Mio. Euro gibt es geförderte Kredite oder Haftungsübernahmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.