Mitschek: „Das Projekt Nabucco ist weit weg vom Todesstoß“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Interview. Nabucco-Chef Reinhard Mitschek über weitere Partner für das Pipeline-Projekt – das keinesfalls „anti-russisch“ sei.

Die Presse: Vor etwa zwei Wochen hat sich die Gazprom mit dem wichtigen Transitland Bulgarien auf den Bau der South-Stream-Pipeline geeinigt, die oft als Konkurrenz zur Nabucco gesehen wird. Laut Dinu Petriciu, dem Chef des rumänischen Energiekonzerns Rompetrol war das der Todesstoß für Nabucco. Was sagen Sie dazu?

Reinhard Mitschek: Die Nabucco ist weit weg von einem Todesstoß. Wir werden jetzt im Februar den sechsten Eigentümer (die deutsche RWE, Anm.) in dem Projekt begrüßen. Und weitere Interessenten stehen ante portas. Die wollen dem Projekt ja beitreten, weil es sehr viel Zukunftspotenzial hat.

Wer genau steht ante portas?

Mitschek: Große europäische Unternehmen, die ich Ihnen leider nicht nennen darf, da es Vertraulichkeitserklärungen gibt.

Mit wie vielen Unternehmen werden konkrete Gespräche geführt?

Es gibt konkrete Gespräche mit einem möglichen siebenten Partner.

Wird es also einen siebenten Partner geben?

Mitschek: Die bisherigen Nabucco- Partner (OMV, MOL, Transgaz, Bulgargaz und Botas, Anm.) haben sich darauf geeinigt, sich auch einem siebenten Partner nicht zu verschließen, wenn es ein vernünftiges Konzept gibt.

Bislang hat es ja geheißen, ein möglicher siebenter Partner soll ein Gaslieferant – beispielsweise die aserische Socar sein.

Mitschek: Ein siebenter Partner sollte dort Gas explorieren und fördern. Das muss nicht zwangsläufig ein Unternehmen aus einem dieser Länder sein.

Wie wichtig ist ein siebenter Partner? Er müsste ja noch vor dem geplanten Baubeginn im Jahr 2009 einsteigen.

Mitschek: Absolut brauchen tun wir einen siebenten Partner nicht. Aber das ist eine Entscheidung der bisherigen Aktionäre. Die endgültige Zusammensetzung der Aktionäre sollte noch vor dem Baubeginn stehen.

Zurück zur South-Stream. Diese wird ja oft als Konkurrenzprojekt zur Nabucco und die Nabucco als anti-russisches Projekt gesehen.

Mitschek: Nabucco ist kein anti-russisches Projekt. Nabucco soll den Gasbezug in Europa diversifizieren. Und dabei gibt es zwei Varianten. Einerseits ist es eine Routen-Diversifikation: Gas aus traditionellen Quellen wie Russland soll über eine andere Route nach Europa geführt werden. Und andererseits ist es eine Quellen-Diversifikation: Neben russischem Gas soll auch Gas aus dem Kaspischen Raum nach Europa kommen.

Hat es Gespräche mit der Gazprom gegeben?

Mitschek: Auf der Ebene des Managements hat es keine Gespräche gegeben. Ob die Aktionäre Kontakt zur Gazprom hatten, kann ich nicht sagen.

Neben dem Verhältnis zu Russland gibt es ja noch eine zweite heikle Frage. Und zwar: Wird iranisches Gas durch die Nabucco fließen?

Mitschek: Die Pläne sind, dass Nabucco 2012 den Betrieb aufnehmen wird. Wir werden aber nicht mit der vollen Kapazität von 31 Mrd. Kubikmetern sondern mit rund zehn Kubikmetern pro Jahr starten. Daher wird man am Anfang mit Gas aus Aserbaidschan, Russland und Turkmenistan auskommen. Und nun möchte ich den EU-Energiekommissar Andris Piebalgs zitieren, der gesagt hat: „Langfristig ist der Iran sicherlich ein Thema für Europa.“ Ich denke, dass etwa ab 2015 iranisches Gas durch die Nabucco nach Europa fließen kann.

Wie viel Gas könnte im Endeffekt aus dieser Region nach Europa importiert werden?

Mitschek: Ein Strang der Nabucco wird im Vollausbau eben 31 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr transportieren. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass bis 2030 ein zweiter Strang gebaut wird und dann schon 60 Mrd. Kubikmeter aus dieser Region kommen. Laut verschiedenen Schätzungen wird der Gasbedarf Europas bis dahin um 200 Mrd. Kubikmeter pro Jahr anwachsen. In den dortigen Ländern gibt es auch entsprechende Ausbaupläne. So will Turkmenistan bis 2020 seine Produktion von derzeit 75 auf etwa 170 Mrd. Kubikmeter pro Jahr steigern. Dafür benötigt es auch Pipelines, um das Gas zu den Verbrauchern zu transportieren.

Wie weit sind Sie mit der Finanzierung? Wer wird wie viel bezahlen?

Mitschek: Die geplanten Kosten betragen fünf Mrd. Euro. Rund 30 bis 40 Prozent davon werden von den Aktionären entsprechend ihrer Anteile über Eigenkapital aufgebracht. Der verbleibende Finanzierungsbedarf wird von Banken aufgebracht werden. Darunter institutionelle Investoren wie die Europäische Investmentbank oder die Weltbank.

Bei einem anderen Pipelineprojekt – der Ostseepipeline – wurden zuletzt Kostensteigerungen von geschätzten 60 Prozent bekannt. Können Sie eine solche Verteuerung für die Nabucco ausschließen?

Mitschek: Infrastrukturprojekte können sich immer verteuern. Die Gründe für die Verteuerungen bei der Ostseepipeline kann ich nicht kommentieren, da ich das Projekt nicht genau kenne. Soweit ich weiß hat es dort aber mehrere Änderungen der Trasse gegeben. Bei uns ist die Route schon relativ genau festgelegt, weshalb ich von keiner großen Verteuerung ausgehe. Aber bei einem Projekt von einer solchen Größenordnung liegen mögliche Kostenschwankungen immer im Bereich von plus-minus zehn Prozent. Das heißt zwischen 4,5 und 5,5 Mrd. Euro.

AUF EINEN BLICK

Das Gas-Pipeline-Projekt Nabucco erhält morgen, Dienstag, einen sechsten Partner: Ins Konsortium aus OMV und Energiekonzernen aus Rumänien, Ungarn, Bulgarien und der Türkei wird auch die deutsche RWE aufgenommen. Nabucco-Chef Reinhard Mitschek war vorher Leiter des Transit- und Speichergeschäfts der OMV Erdgas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2008)

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