Flucht in die Körperschaftsteuer

(c) AP (Hans Punz
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Studie. Belastet der Staat Kapital-gesellschaften geringer, sinken gleichzeitig seine Einnahmen aus der Einkommensteuer. Das dürfte seit 2005 auch in Österreich der Fall sein. Denn die Zahl der GmbH steigt deutlich an.

WIEN. Als die ÖVP-geführte Regierung unter Wolfgang Schüssel vor vier Jahren für ihren Plan der Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) warb, versuchte sie die Gegner dieser Reform mit folgendem Argument zu gewinnen. Wenn der KöSt-Satz nur mehr 25 statt 34 Prozent beträgt, gibt es weniger Anreiz für die Kapitalgesellschaften, nach Steuerschlupflöchern zu suchen. Gerne verwiesen die findigen Köpfe im Finanzministerium Karl-Heinz Grassers auf Studien, wonach jene Staaten, welche die KöSt-Sätze gesenkt hätten, dadurch mehr Geld aus der Besteuerung der Gewinne von Kapitalgesellschaften einnähmen. Lag der Anteil der KöSt Anfang der 80er Jahre noch bei durchschnittlich zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, so stieg sie im Laufe der Jahre auf 2,5 bis drei Prozent.

Ein bestechendes Argument. Und tatsächlich nahmen Grasser und sein Nachfolger Wilhelm Molterer (ÖVP) in den Jahren seit Senkung der KöSt aus dieser Quelle stetig mehr ein (siehe Grafik).

Anreiz zur Umgründung

Allerdings dürfte das Argument nicht stimmen, wonach diese Steuerquelle allein deshalb so stark sprudelt, weil die Unternehmer weniger Aufwand in die Steuervermeidung stecken oder massenhaft ausländische Konzerne nach Österreich ziehen.

Vielmehr dürfte auch hierzulande jener Effekt auftreten, den die beiden Wirtschaftsforscher Ruud de Mooij (Erasmus Universität, Rotterdam) und Gaëtan Nicodème (Europäische Kommission) in ihrer Studie „How Corporate Tax Competition reduces Personal Tax Revenue“ beschreiben. Der Effekt sieht so aus: Je größer der Unterschied zwischen dem KöSt-Satz und dem zu erwartenden Satz der Einkommensteuer (ESt) ist, desto größer ist der Anreiz für Einzelunternehmer und Personengesellschaften, sich einfach in eine Kapitalgesellschaft – typischerweise eine GmbH – umzugründen.

Welches Körbchen darf es sein?

Somit bewirkt eine Senkung der KöSt, dass die Zahl der Kapitalgesellschaften steigt, während jene der Personengesellschaften entsprechend sinkt. Für den Staat bedeutet das im Extremfall, dass die KöSt-Einnahmen steigen und die ESt-Einnahmen gleichermaßen sinken. Womit Grassers „Win-win“-Argument widerlegt ist.

„Man muss vorsichtig sein zu sagen: ,Wir haben die KöSt gesenkt und Mehreinnahmen erzielt“, sagt Alfons Weichenrieder, Finanzprofessor an der Universität Frankfurt am Main, zur „Presse“. „Die Leute überlegen sich, in welches Körbchen ihre Einkünfte fallen sollen.“

Wirtschaftsjuristen bestätigen das. „Es gibt seither bei kleinen Unternehmen einen klaren Trend zur Kapitalgesellschaft“, sagt Andreas Mayr von Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte. „Auch viele Freiberufler haben zu rechnen begonnen: ,Steigen wir um ein paar Prozent Steuer besser aus, wenn wir eine GmbH gründen?‘“, pflichtet Andreas Hable von Binder Grösswang Rechtsanwälte bei.

Denn als GmbH-Teilhaber muss man in Summe nur 43,75 Prozent des Gewinns versteuern: erst 25 Prozent KöSt, der Rest wird bei Ausschüttung an den Teilhaber mit 25 Prozent Kapitalertragssteuer belastet. „Damit ist man deutlich günstiger dran als die Personengesellschaft oder der Einzelunternehmer, die für Teile ihrer Einkünfte bis zu 50 Prozent Einkommensteuer zahlen“, sagte Hable.

Ein Blick in die Statistik legt den Schluss nahe, dass die Studie von Mooij und Nicodème auch auf Österreich zutrifft. Laut Statistik Austria stieg die Zahl der GmbH von 2004 auf 2005 (am „Vorabend“ der KöSt-Senkung) um 5,2 Prozent auf 78.404. Jene der Personengesellschaften stieg nur um 1,4 Prozent auf 120.564, jene der Einzelunternehmer um 1,7 Prozent auf 375.907. Noch klarer ist das Indiz in der Statistik der Neugründungen. Laut Wirtschaftskammer stieg die Zahl der neuen GmbH in diesem Zeitraum um acht Prozent auf 3561 – jene der neuen Personengesellschaften fiel um 13 Prozent auf 2002.

Finanzministerium

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2008)

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