Warum Reiche so wenig spenden

Motorboot am Meer
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Millionäre schenken kaum Geld fürs Gemeinwohl. Bei den Nachbarn hingegen boomt die Wohltätigkeit. Den Unterschied machen Steuern, Bürokratie – und (k)eine Kultur des Dankens.

Wien. Ein halblautes „Beschämend“: So reagieren Eingeweihte, wenn die Sprache aufs heikle Thema kommt – den Unwillen vieler Reicher, für Soziales, Kultur und Forschung zu spenden. Gewerkschaften nutzen den Befund für den Klassenkampf. In Ministerien tüfteln Arbeitsgruppen daran, wohltätige Ausschüttungen attraktiver zu machen. Liegt es an Hürden? Oder haben Wohlhabende hierzulande ein „kaltes Herz“, wie Hannes Androsch poetisch konstatierte? Von 3400 österreichischen Privatstiftungen, dem üblichen Hort größerer Vermögen, sind nur rund 200 rein gemeinnütziger Natur. Sie schütten 25 Mio. Euro pro Jahr aus. Sehr wenig, nicht nur im Vergleich mit den USA, wo Superreiche sich für Megaspenden feiern lassen. Schon die Deutschen ticken ganz anders: Ihre gemeinnützigen Stiftungen schütten 17 Mrd. Euro aus. Selbst pro Kopf ist das noch ein Verhältnis von eins zu siebzig.

Große Beträge fehlen

Nun hat die deutsche gemeinnützige Stiftung große Tradition. In Österreich dominieren die 1992 von Lacina ermöglichten „eigennützigen“ Stiftungen. Sie sollen Firmen und Immobilien nach dem Tod des Stifters zusammenhalten, damit sie nicht zum Zankapfel der Nachkommen werden. Das schließt nicht aus, dass sie spenden. Aber auch sie schütten jährlich nur 20 bis 40 Mio. aus.

Vielleicht geben die Begünstigten ja privat? Denn Stiftungen werden bei Spenden diskriminiert: Der Fiskus zwackt ein Viertel ab. Doch Fehlanzeige: 2011 wurden in Steuererklärungen nur 577 Großspenden (über 6000 Euro) abgesetzt – bei 82.000 Millionären im Land. Fazit im Wettstreit der Nationen: Österreich hat viele Kleinspender. Aber die Masse macht's nicht: Weil große Beträge fehlen, liegt das Volumen pro Kopf mit 60 Euro hinter Deutschland (87 Euro), weit hinter der Schweiz (161 Euro) und Welten hinter Amerika (744 Euro).

Hier keimt ein Verdacht auf: Zwischen diesen Beträgen und den Staatsquoten gibt es einen negativen Zusammenhang. Liegt es also an hohen Steuern? Wo der Staat sehr mächtig ist, vertrauen Bürger darauf, dass er allein sich um das Gemeinwohl kümmert. Wer schon weit über die Hälfte seines Einkommens zwangsweise abliefert, dem fehlt die Motivation, freiwillig mehr zu geben. Lacinas Innovation war ein Erfolg, weil man mit Stiftungen damals Erbschaftssteuer sparte. Der Gesetzgeber hätte zeitgleich Gemeinnütziges fördern sollen, findet Günther Lutschinger als Chef des Fundraising-Verbands. So aber schrieben nur wenige Stifter ins Statut, dass ein Teil der Erträge zu spenden ist. Ohne dezidierten Auftrag tun sich heute Stiftungsvorstände schwer, die Begünstigten zu Wohltaten zu bewegen.

Sind Stifter oder ihre Nachkommen aber wild entschlossen, Gutes zu tun, stoßen sie auf Hindernisse. Ein Jahr lang musste die Weiss-Stiftung gegen die Bürokratie kämpfen, bis sie Projekte und Stipendien für den Wissenschaftsfonds finanzieren durfte. Ein komplexes Konstrukt ersparte ihr, drei Jahre zu warten, bis die Organisation spendenbegünstigt ist. Wer Museen Mittel schenkt oder Preise ausschreibt, gilt nicht als Spender, weil er nicht „unmittelbar“ fördert. Während deutsche Gönner längst ein Fünftel ihres Einkommens steuerfrei spenden können, ist es in Österreich nur ein Zehntel – und auch das erst seit 2009.

Der Stifter als Feindbild

Mit diesen Nachteilen will der neue Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) aufräumen. Werden dann private Mittel in Strömen ins Gemeinwohl fließen? Christoph Kraus bleibt skeptisch. Der Präsident des Privatstiftungsverbands beklagt die Feindseligkeit, die Stiftern entgegenschlägt. Er träumt davon, dass „Kanzler Faymann und AK-Direktor Muhm öffentlich sagen, dass Stiftungen eine gute Sache sind“ – und Reichtum keine Schande, ließe sich hinzufügen. Wer etwas aufgebaut hat, ist darauf stolz. Wenn er einen Teil davon der Öffentlichkeit schenkt, will er Applaus. Den kriegt er in den USA, der Schweiz – und in Deutschland, wo fast 20.000 Stifter, meist kleinere Mittelständler, in Projekte in ihrem dankbaren Umfeld investieren.

Nicht so in Österreich. Multimillionär und Mäzen Peter Pühringer brachte sein Sängerknaben-Engagement nur Ärger. Er ging mitsamt seinem Vermögen ins Schweizer Exil. Heidi Horten, die Viertreichste im Lande, tut viel Gutes, aber über eine Stiftung in Zürich. Als der frühere Pharmaunternehmer Peter Bertalanffy zehn Mio. für die Elite-Uni in Maria Gugging spendete, höhnte es neiderfüllt aus den Onlineforen, der „G'stopfte“ solle gefälligst hundert Millionen herausrücken. Was fehlt, ist eine Kultur des Schenkens – auch auf der Seite der Beschenkten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2014)

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