Weltbank-Studie: Ackersprit macht Lebensmittel teurer

(c) AP (Winfried Rothermel)
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75 Prozent der Verteuerung von Getreide und Speiseöl seit dem Jahr 2002 geht auf die Politik der EU und der USA zurück, Agrartreibstoffe staatlich zu fördern.

WASHINGTON/ WIEN. Kurz vor dem G8-Gipfeltreffen auf der japanische Insel Hokkaido sickerte ein interessantes Papier der Weltbank an die Medien. Drei Viertel des Preisanstiegs von Lebensmitteln während der letzten Jahre sei auf die staatliche Förderung von Ackertreibstoffen zurückzuführen.

Eine peinliche Situation für die Weltbank. Schließlich, so unkten Beobachter, würde sie mit dieser Kritik an der „Biosprit“-Förderung in Konflikt mit US-Präsident George W. Bush geraten, der erst vor vier Jahren ein ehrgeiziges Programm zur Förderung der Herstellung von Ethanol aus Mais vom Stapel hatte laufen lassen. Und so distanzierte sich die Weltbank kurz darauf von diesem Papier: Es sei nur eine interne Diskussionsgrundlage gewesen.

130 Prozent Teuerung seit 2002

Nun ist der brisante Bericht des Weltbank-Ökonomen Donald Mitchell mit dem Titel „A Note on Rising Food Prices“ öffentlich zugänglich (siehe Internethinweis). Und er enthält einige Feststellungen, die den Verfechtern der „Verspritung“ von Feldfrüchten zu denken geben dürften. Die Kernaussage: Im Zeitraum von Jänner 2002 bis Juni 2008 stiegen die Preise für die wichtigsten weltweit gehandelten Lebensmittel um durchschnittlich 130 Prozent – und drei Viertel dieses Anstiegs ist auf die staatliche Förderung von Ackertreibstoffen zurückzuführen.

Verdrängungskampf am Acker

Mitchell hat sich dabei auf die wichtigsten Feldfrüchte konzentriert – also Weizen, Mais, Soja, Zucker, Reis, Raps und Sonnenblumenöl. Aus denen macht man verschiedene Produkte, aber trotzdem hängen sie eng zusammen. Ein Beispiel: 2007 wurde in den USA die Fläche, auf der Mais angebaut wird, um 23 Prozent erweitert. Der Grund: Aus Mais kann man – staatlich gefördert – Ethanol destillieren. Weil man aber auf demselben Acker nicht gleichzeitig zwei Pflanzen kultivieren kann, sank 2007 in den USA die Fläche, auf der Sojabohnen angebaut werden, um 16 Prozent. Die Folge: Zwischen April 2007 und April 2008 stieg der Sojapreis um 75 Prozent.

Auch Europa liefert ein anschauliches Beispiel. Hier wurde Weizen durch Raps und Sonnenblumen ersetzt, die als Rohstoffe für Agrardiesel dienen. In Europa verbraucht man bekanntlich mehr Diesel als Benzin. Zwischen 2001 und 2007 wuchs bei den acht größten Weizen-Exporteuren (EU, USA, Kanada, Ukraine, Argentinien, Russland, Australien, Kasachstan) die Fläche, auf der Raps und Sonnenblumen angebaut werden, um 36 Prozent. Dagegen schrumpften die Weizenfelder um ein Prozent. Die Weizenvorräte sind darum heute ungefähr halb so groß wie 2001. Und zwischen Jänner 2005 und Juni 2008 stieg der Weizenpreis um 127 Prozent.

Einfluss der Agrarlobbyisten

Das hätte nicht so kommen müssen. Mitchell hat nämlich berechnet, dass es heute ohne diese Verschiebung zu den Energiepflanzen fast so viel Weizen gäbe wie 2001.

Diese Studie liefert (nach ähnlich lautenden von der OECD und der UNO-Lebensmittelorganisation FAO) ein weiteres Argument gegen die Förderung von Ackersprit durch Steuerbefreiungen und Beimischungsverpflichtungen. Ob sich die EU-Umweltminister davon beeindrucken lassen, ist eine andere Frage. So unterstützt Umwelt- und Agrarminister Josef Pröll (ÖVP) offiziell die „Initiative Bioethanol“. Deren weitere Proponenten sind der Agrarkonzern Agrana, dessen Miteigentümerin, die Raiffeisen-Gruppe, „Die Rübenbauern“ (die Lobby der Zuckerrübenbauern) sowie die Landwirtschaftskammer. Das Ministerium unterstütze diese Initiative „moralisch und mit Facts, weil so viel Information auf dem Tisch liegt, die mit der Realität nichts zu tun hat“, sagte ein Sprecher Prölls auf Anfrage der „Presse“. Meinung Seite 27


Der Link zur Studie

Auf einen Blick

Laut Weltbank ist die staatliche Förderung von Ackersprit für 75 Prozent des Preisanstiegs von Lebensmitteln seit 2002 verantwortlich.

Das Einkommenswachstum in Ländern wie China habe dagegen kaum zum Anstieg der weltweiten Getreideverbrauchs geführt. Allerdings verbrauchten diese Länder mehr Ölsaaten, die als Futtermittel für die wachsende Viehzucht verwendet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2008)

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