Telekom: Zurück an den Start

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Nemsic hinterlässt bei der Telekom Austria mehr Fragen als Antworten. Voraussichtlicher Nachfolger Ametsreiter muss sich auf den Zukunftsaspekt konzentrieren.

WIEN. Kaum hatte die Telekom Austria (TA) am Montag bestätigt, dass Vorstandsvorsitzender Boris Nemsic mit Ende März das Unternehmen verlässt, gab es in der Branche nur ein Thema: Warum tut er sich mit dem Wechsel an die Spitze des russischen Handynetzes VimpelCom den mörderischen Preiskampf an, der in Österreich gerade langsam abklingt? Auf die Frage gibt es zahlreiche Antworten oder Erklärungsversuche.

Der ökonomische Aspekt: 2008 hat die TA 5,1 Mrd. Euro umgesetzt, VimpelCom fast genau das Doppelte. Das operative Ergebnis aber fiel mit 1,9 gegen 2,9Mrd. Euro eindeutig zugunsten der Russen aus. VimpelCom hat in Russland fast 50 Millionen Kunden und dazu Handynetze in sieben Ländern, deren Märkte noch schneller wachsen.

Die TA-Tochter Mobilkom, bei vergleichsweise bescheidenen 17,8Millionen Kunden angelangt, legt nur in Serbien, Mazedonien und Weißrussland ähnlich rasant zu. Die Mobilkom muss ein Festnetz „durchfüttern“, für dessen Beamtenproblematik im Vorjahr allein mehr als 600 Mio. Euro rückgestellt und deshalb 48,8 Mio. Euro Verlust geschrieben werden mussten. VimpelCom hält sich seit 2007 mit Golden Telecom zwar auch ein Festnetz, doch ist dieses im Einzugsgebiet von Moskau ein äußerst rentabler Anbieter von Breitband-Internet.

Wer wird Partner der TA?

Aus dem ökonomischen ergibt sich der Machtaspekt: Nemsic hat stets beklagt, dass die TA „asymmetrisch reguliert“ werde. Bei VimpelCom wird er das operative Geschäft leiten und bekommt einen Generaldirektor zur Seite gestellt, der weiß, wie in Russland die Behörden ticken. Alexander Torbachov war bisher Chef der größten russischen Lebensversicherung Rosgosstrach.

Der Partneraspekt – die Frage, ob die Telekom Austria auf längere Sicht ohne Partner überleben kann – birgt eine andere Unterstellung. Nemsic hat noch als Mobilkom-Chef Vodafone an Bord geholt, aber nur als Dienstanbieter. Unter den offen an der TA interessierten „Telcos“ befindet sich neben der ägyptischen Orascom und der niederländischen KPN auch VimpelCom. Dass die Russen Nemsic engagieren, statt die TA zu kaufen, war nicht zu vermuten.

Das Rollenverständnis ist noch ungestört. Nemsic und ÖIAG-Chef Peter Michaelis – als solcher Aufsichtsratsvorsitzender der TA – betonten am Montag fast gleich lautend, das Unternehmen sei „ein in den Märkten Ost- und Südosteuropas gut positioniertes und starkes Telekommunikationsunternehmen mit einer soliden Basis am österreichischen Mobilkommunikations- und Festnetzmarkt“. Beide sprachen von „starken Management-Teams“.

Das wurde zuletzt durch die „Mobbing-Sager“ des Festnetz-Finanzvorstands Gernot Schieszler infrage gestellt. Aber auch durch die Tatsache, dass der eingefleischte Mobilfunker Hannes Ametsreiter deshalb das Festnetz übernehmen musste, weil Vorgänger Rudolf Fischer per Jahreswechsel gegangen ist.

Damit landet jede Diskussion über die TA beim Zukunftsaspekt, und der ist technisch: Die Investition in die nächste Generation der Telekom-Infrastruktur kann nicht hinausgeschoben werden. Die TA will diese nur dann finanzieren, wenn sie aus der Regulierung entlassen werde. Regulator Georg Serentschy hat im Gespräch mit der „Presse“ vorgeschlagen, die Kosten von rund zwei Mrd. Euro auf Bund, Länder und Gemeinden bzw. Energieversorger und Betreiber aufzuteilen. Eine solche privat-öffentliche Partnerschaft (PPP) käme einer Trennung von Infrastruktur und Dienstleistung nahe.

Möglicherweise hat Michaelis den Nemsic-Rücktritt deshalb „mit Bedauern zur Kenntnis genommen“. Als Aufsichtsratschef hat er jetzt die Aufgabe, „so rasch wie möglich einen Nachfolger zu bestellen“. Es kann gar nicht rasch genug gehen. Die Börse reagierte auf den Nemsic-Rücktritt nervös: Der Kurs der TA-Aktie fiel unter die Signalmarke von zehn Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Die „Eigenmarke“ des Hannes Ametsreiter

Marketing ist das Leibthema des Favoriten auf den TA-Chefposten.
Österreich

Boris Nemsic – das ist Führung per Knopfdruck

Nach drei Jahren tritt Nemsic von der Telekom-Spitze ab. Ab April ist er Chef der russischen VimpelCom.
Österreich

Boris Nemsic verlässt die Telekom Austria

Am 31. März tritt Boris Nemsic als Vorsitzender des Vorstands der Telekom Austria zurück. Er wechselt zur russischen VimpelCom - aus freien Stücken, wie er betont.
Österreich

Schieszler werden Personalagenden entzogen

Der umstrittene Telekom-Manager muss sich herbe Kritik von Konzernchef Boris Nemsic gefallen lassen.
Konzernchef Boris Nemsic, Finanzvorstand Hans Tschuden.
Österreich

Telekom: Personalabbau färbt Bilanz rot

Rückstellung für 1250 Jobstreichungen produziert Verlust, vergrößert aber die Bewegungs-Freiheit. Die Bilanz der Telekom Austria ist ungleichgewichtig wie seit Jahren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.