Altenpflege: Werden Slowakinnen ausgebeutet?

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Sozialminister Hundstorfer will Verbesserungen bei der 24-Stunden-Pflege für ältere Menschen, aber keinen Mindestlohn.

Wien. Der Bericht in der „Presse am Sonntag“ über die 24-Stunden-Pflege von alten Menschen sorgte für diverse Reaktionen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sprach sich am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten dafür aus, dass die rund 51.000 freiberuflichen Personenbetreuerinnen langfristig eine bessere Entlohnung erhalten sollen. Doch wie diese aussehen soll, ist unklar.

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter verlangt einen Mindestlohn in der Höhe von 1200Euro brutto, was Hundstorfer ablehnt. Die Gewerkschaft Vida ist dafür, dass die Pflegekräfte bei Vereinen angestellt und nicht in die Scheinselbstständigkeit gedrängt werden. Doch das würde die 24-Stunden-Pflege verteuern.

Von den 51.000 freiberuflichen Personenbetreuerinnen stammen 56 Prozent aus der Slowakei, 32Prozent aus Rumänien und fünf Prozent aus Ungarn.

Kaum ein anderer Bereich in der Gesundheitsbranche wächst so stark wie die 24-Stunden-Betreuung. 2014 haben in Österreich 21.000 Menschen eine staatliche Förderung für die 24-Stunden-Pflege erhalten. Das sind um 18 Prozent mehr als im Jahr zuvor und mehr als doppelt so viele wie 2010. Die Zahl der Altersheimplätze stagniert hingegen bei rund 72.000. Es gibt sogar Regionen, in denen Plätze im Altersheim nicht vergeben werden, weil die Betroffenen lieber eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause in Anspruch nehmen wollen. Dies hängt unter anderem mit den Kosten zusammen. Ein Altersheimplatz kostet in Österreich rund 3500 Euro monatlich. Die 24-Stunden-Pflege ist deutlich billiger. Dabei wird ein alter Mensch meist von zwei Frauen aus Osteuropa betreut. Diese wechseln einander im Zwei-Wochen-Rhythmus ab.

Agenturen schneiden mit

Ein Problem ist, dass die 24-Stunden-Pflegerinnen einen beachtlichen Teil ihrer Tagessätze an die jeweilige Vermittlungsagentur abliefern müssen. Zusätzlich müssen die Pflegerinnen auch noch Sozialversicherungsabgaben zahlen. „Unterm Strich bleiben einer Betreuerin nur 632 Euro im Monat übrig“, kritisiert Matznetter. Seiner Ansicht nach wäre ein Mindestlohn in der Höhe von 1200 Euro brutto beziehungsweise 2400 Euro für zwei osteuropäische Pflegerinnen durchaus leistbar.

Denn eine Person mit der Pflegestufe sieben bekommt derzeit vom Bund ein Pflegegeld von 1655Euro im Monat. Hinzu kommt ein Zuschuss für die 24-Stunden-Pflege in der Höhe von 550 Euro. Dieser Zuschuss stammt zu 60 Prozent vom Bund und zu 40 Prozent vom Land. In Summe erhalten Personen mit der Pflegestufe sieben eine staatliche Unterstützung von 2205 Euro. Ein weiteres Problem neben der niedrigen Bezahlung sind die Agenturen, die 24-Stunden-Pflegekräfte aus Osteuropa an Privathaushalte vermitteln.

Die Agenturen stammen aus Österreich und Osteuropa. Sie unterbieten einander mit Dumpingpreisen. Sozialminister Hundstorfer ist dafür, dass für diese Agenturen Qualitätsstandards eingeführt werden. Dafür sind Änderungen im Gewerberecht notwendig. Hundstorfer will dazu Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftskammer führen.

Die Gewerkschaft fordert weiters einheitliche Regeln für die Vertragsgestaltung. Denn derzeit gehen die Agenturen bei der Ausstellung der Rechnungen und Honorare unterschiedlich vor. Dem Vernehmen nach kommt es auch vor, dass manche Pflegerinnen einen Teil des Honorars bar auf die Hand haben wollen. Auch soll es zweisprachige Hilfen beim Ausfüllen der Formulare geben.

Teile der Wirtschaft und der ÖVP lehnen die Einführung eines Mindestlohns und eine umfassende Ausbildung für die osteuropäischen Pflegerinnen ab. „Die 24-Stunden-Betreuung funktioniert und wird gut angenommen“, sagt ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2015)

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